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# taz.de -- Mord an jüdischer Rentnerin in Paris: Verkiffter Antisemitismus
> Frankreichs Präsident schließt eine Legalisierung von Cannabis aus. Das
> hat auch mit dem umstrittenen Urteil im Fall einer ermordeten Jüdin zu
> tun.
Bild: Gerechtigkeit für Sarah Halimi – das forderten Tausenden am vergangene…
Paris taz | Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron schließt eine
Legalisierung von Cannabis und jeden Kompromiss im Kampf gegen Drogen aus.
Im aktuellen Kontext wünscht er zudem, dass die strafrechtliche
Zurechnungsfähigkeit unter Drogeneinwirkung neu geregelt wird.
Anlass dafür ist ein umstrittenes Kassationsurteil im Fall der im April
2017 von Kobili Traoré in einem Zustand geistiger Verwirrung getöteten
[1][Sarah Halimi]. Das Verbrechen wird in strafrechtlicher Hinsicht
ungesühnt bleiben, da der Täter für unzurechnungsfähig erklärt worden ist.
Die Schwester von Sarah Halimi hat angekündigt, sie wolle nun in Israel den
Prozess gegen Traoré anstrengen, der in Frankreich nicht stattfinden kann.
Am 14. April hatte auch die höchste gerichtliche Instanz eine entsprechende
Kassationsbeschwerde der Angehörigen des Opfers gegen einen Entscheid des
Pariser Berufungsgerichts abgewiesen und damit definitiv eine
strafrechtliche Verantwortung des Täters ausgeschlossen.
Dieser befindet sich derzeit in psychiatrischer Behandlung. Die Pariser
Berufungsrichter hatten Sicherheitsmaßnahmen (zum Schutz der Gesellschaft)
für mindestens zwanzig Jahre angeordnet, wie dies im Fall einer
verminderten Zurechnungsfähigkeit eines Straftäters vorgesehen ist. Die
Entscheidungen stützen sich auf heute geltende Gesetzestexte und die
Rechtspraxis in Frankreich sowie auf Gutachten von insgesamt acht
psychiatrischen Experten.
Der Entscheid empört: „Gerechtigkeit für Sarah Halimi“ haben am Sonntag a…
dem Trocadéro-Platz in Paris und auch in anderen Städten Frankreichs
[2][Tausende von Demonstrierenden] gefordert. Sie empfinden es als
schockierende Rechtsverweigerung, dass Kobili Traoré, der vor vier Jahren
seine Nachbarin in einem Zustand von geistiger Verwirrung und
Wahnvorstellungen brutal getötet hatte, sich nicht vor einem Gericht
verantworten soll.
## Jüdische Gemeinschaft schockiert
Der zur Tatzeit 27-jährige Traoré hatte, als er seine 65-jährige Nachbarin
ohne erkennbaren Anlass angriff, „Allahu akbar“ gerufen und sein Opfer als
„Satan“ bezeichnet. Der antisemitische Charakter seiner Tat war nach den
Ermittlungen auch für die Justiz gegeben. Deshalb ist für die jüdische
Gemeinschaft Frankreichs, die in den letzten Jahren mehrfach Ziel
terroristischer Attacken war, die Vorstellung, dass Traoré „ungestraft
davonkommt“ besonders schockierend.
„Jewish lives matter!“ war auf Schildern von Demonstranten auf dem
Trocadéro zu lesen. Einmal mehr würden mit dem Kassationsentscheid
antisemitische Verbrechen „banalisiert“, sagen sie. Der Vorsitzende des
Repräsentativen Rats der Jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF),
Francis Kalifat, meint: „Wie kann die Justiz unseres Landes den
antisemitischen Charakter eines Verbrechens anerkennen, dem Täter aber
gleichzeitig eine Straflosigkeit gewähren? Das ist eine schizophrene
Justiz.“
In den psychiatrischen Gutachten wird festgehalten, Traoré habe in einer
Form von Delirium gehandelt, das auf einen massiven und langjährigen Konsum
von Cannabis zurückzuführen sei. Der Artikel 122.1 des französischen
Strafgesetzbuchs besagt lediglich, dass eine Person „strafrechtlich nicht
verantwortlich ist, die zur Tatzeit unter psychischen oder neurologischen
Störungen leidet, welche ihr Urteilsvermögen und ihre Selbstkontrolle
beeinträchtigt haben“. Hinsichtlich der Ursachen dieser verminderten
Zurechnungsfähigkeit wird dabei kein Unterschied gemacht.
Das soll sich nun nach dem Willen von Staatspräsident Emmanuel Macron rasch
ändern. „Wenn jemand Drogen nimmt und deshalb ‚wie verrückt‘ wird, soll…
das meiner Ansicht nach nicht seine Schuldfähigkeit vermindern“, erklärte
Macron in Le Figaro. Er hat seinen Justizminister Éric Dupond-Moretti
beauftragt, mit einer dringlichen [3][gesetzlichen Präzisierung]
diesbezüglich Abhilfe zu schaffen.
26 Apr 2021
## LINKS
[1] /!5427218
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[3] /Hanf-Handel-erobert-Frankreich/!5521785
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Juden in Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Antisemitismus
Legalisierung Marihuana
Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022
Daniela Ludwig
Cannabis
Cannabis
Antisemitismus
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