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# taz.de -- „Drug-Checking“ in Berlin: Drogen im Club? Check!
> Berlin soll eine offizielle Drogen-Check-Stelle erhalten. Illegale Drogen
> können dort überprüft werden, die Konsumenten bleiben anonym.
Bild: Eine ganze Ladung Ecstasy
Berlin taz | Eine kleine weiß-graue Ecstasy-Pille mit dem Logo und
Schriftzug des Berliner Technoclubs Berghain wurde im Juni in Österreich
auf ihren Inhalt getestet. Von allen untersuchten Tabletten war sie mit
einem Wirkstoffgehalt von 263 Milligramm MDMA die höchstdosierte von elf
getesteten – ganz so, als müsste das Berghain auch hier seinem exzessiven
Ruf gerecht werden.
Schon die Hälfte des Wirkstoffs gilt für einen 80 Kilogramm schweren Mann
als Überdosierung, die zu Gesundheitsschäden führen kann. Der Konsument,
der seine Pille bei den Wiener Drogentestern [1][Check it] abgegeben hatte,
war also gewarnt.
Die Ergebnisse der Tester von der österreichischen Drogenhilfe werden
monatlich veröffentlicht, ebenso hält es ein Projekt aus der Schweiz. Für
Berliner Drogenkonsumenten helfen die Informationen aber nur bedingt.
Hunderte verschiedene bunte Pillen sind im Umlauf, in Berlin ganz andere
als im Süden. Bislang aber haben hiesige Clubgänger kaum eine Chance,
herauszufinden, welche Substanzen sie erworben haben, ob ihre Tabletten
überdosiert oder verunreinigt sind. Selbst ähnlich aussehende Pillen können
völlig unterschiedliche Inhaltsstoffe enthalten.
## Strenge Achtung der Anonymität
Nun aber soll auch Berlin eine offizielle Drogen-Check-Stelle erhalten. Ein
entsprechendes Konzept wurde von drei freien Trägern der Berliner
Suchthilfe – Eclipse, Fixpunkt und Vista – entwickelt. Das Ziel: Unter
strenger Achtung der Anonymität sollen Interessierte ihre Drogen bei einer
Beratungsstelle abgeben oder einschicken können.
In vermutlich zwei stationären Laboren sollen die Pillen oder das Pulver
auf Reinheit und Dosierung untersucht werden. Die Ergebnisse können danach
über einen Zahlencode oder einen Aliasnamen abgefragt werden – online,
telefonisch oder persönlich. Ähnlich wie in der Schweiz und in Österreich
können dann auch hier in der Stadt öffentliche Warnungen ausgesprochen
werden.
Bislang allerdings galt für ein solches Projekt eine rechtliche Hürde:
Sozialarbeiter oder Laboranten, die die Drogen in den Händen hielten,
galten als deren Besitzer, die sich dadurch strafbar machten. Das erste und
bislang einzige Berliner Drug-Checking, Mitte der 1990 in Hochzeiten der
Loveparade durch den Verein Eve & Rave als Schnelltests in Clubs
organisiert, musste auf Druck der Staatsanwaltschaft eingestellt werden:
Eine staatliche Unterstützung und damit Rechtssicherheit hatte gefehlt.
Jetzt aber hat die rot-rot-grüne Landesregierung diese Hürde genommen. Ein
beauftragtes Rechtsgutachten des Kölner Strafrechtsprofessors Cornelius
Nestler bestätigt die Verträglichkeit der Senatspläne. Demnach ist das
vorgesehene Drug-Checking „legal und die Mitarbeitenden der Einrichtungen
des Drug-Checkings würden sich bei einer Vorgehensweise dem vorgelegten
Konzept entsprechend nicht strafbar machen“, so die Senatsverwaltung für
Gesundheit.
Die Stellungnahme werde nun an Innen- und Justizverwaltung geschickt mit
der Bitte, Polizei und Staatsanwaltschaft mit einzubeziehen.
## Schon lange einig
Grundsätzlich hat sich die Koalition aber schon lange auf die Einführung
des Drug-Checking – bundesweit das erste seiner Art – geeinigt.
„Verminderung der Begleitrisiken von Drogenkonsum“ heißt das im
Koalitionsvertrag formulierte Ziel.
Seit vergangenem Jahr stehen im Haushalt 150.000 Euro jährlich für das
Programm zur Verfügung, so auch im neuen Doppelhaushalt 2020/2021. Momentan
laufen laut Senat die „letzten Detailabstimmungen“. Mit einem Start des
Programms wird noch im Herbst gerechnet.
Der Schritt von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) stößt derweil auf
allgemeine Zustimmung. Die Experten in dem Bereich fordern das
Drug-Checking schon lange; 2007 startete eine Arbeitsgruppe mit dem
Grundsatz, dass „Drug-Checking erheblich zum Gesundheitsschutz von
Gebrauchern illegaler Drogen beitragen kann“.
Niklas Schrader, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, spricht von
einem „wichtigen Schritt“, der „allemal wirkungsvoller als die
Kriminalisierung von KonsumentInnen“ sei. Seine Grünen-Kollegin Catherina
Pieroth sagt: „Nur mit Drug-Checking können User wissen, was drin ist.“
Womöglich reicht das Geld zunächst nur für stationäre Labore und nicht für
Schnelltests in Clubs. Diese sind auch durchaus umstritten: Getestet werden
kann dabei nämlich nur auf je eine Substanz und auch nicht, in welcher
Menge diese vorhanden ist.
Allerdings wäre die Hürde für den Test wesentlich niedriger. Pieroth sagt:
„Erst das Angebot vor Ort, in Clubs und auf Festivals wird tatsächlich
präventiv und aufklärend sein.“
## CDU: „Ein falscher Ansatz“
Einzig die CDU positioniert sich gegen die Pläne: „Drug-Checking
anzubieten, weil man die Kriminalität dahinter nicht unter Kontrolle
bekommt, ist ein falscher und gefährlicher Ansatz“, so der
Gesundheitspolitiker Tim-Christopher Zeelen.
Die Diskussion ist derweil schon um einiges weiter: Laut einem Bericht des
[2][Tagesspiegels] mehren sich die Stimmen, auch aus der Polizei, den
Kleinstbesitz von sogenannten harten Drogen wie Ecstasy, Kokain oder Heroin
nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen. Niklas Schrader spricht von einem
„sinnvollen Vorstoß“, der Polizei und Justiz entlasten könnte: „Was in …
Fachwelt Konsens ist, hat sich in der Politik leider noch nicht wirklich
durchgesetzt. Wir sollten das in der Koalition diskutieren“, so Schrader.
26 Jun 2019
## LINKS
[1] https://checkit.wien/
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/umdenken-in-berliner-drogenpolitik-wir-s…
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Drogen
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Legalisierung Marihuana
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
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