# taz.de -- Drug-Checking in Berlin: Der geprüfte Rausch | |
> In Berlin kann man künftig seine Drogen auf schädliche Substanzen testen | |
> lassen. Ein lange erwarteter Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. | |
Bild: Manche feiern eben gern auf Drogen – ihnen soll das Drug-Checking helf… | |
BERLIN taz | Nun ist das Rechtsgutachten, auf das in Berlin schon seit | |
Monaten gewartet wurde, endlich da. Das Drug-Checking, also ein Projekt, | |
bei dem Konsument*innen [1][verbotene Rauschmittel auf Inhalt und Qualität | |
testen lassen] können, soll in der Hauptstadt starten. Es ist das | |
bundesweit erste seiner Art. | |
Seit den 90er Jahren kämpfen Aktivist*innen um die Einführung. „Ein | |
flächendeckendes Drug-Checking wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu einer | |
gesundheitsorientierten Drogenpolitik“, kommentiert etwa Rüdiger Schmolke, | |
der sich seit Jahren für das Projekt einsetzt. „Dass der Berliner Senat | |
endlich Drogengebraucher*innen eine faktenbasierte Risikoeinschätzung | |
ermöglicht, ist ein Zeichen für eine humane Haltung und verdient Respekt.“ | |
Die Umsetzung dieses Projektes ist im Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen | |
Regierung Berlins festgeschrieben. Als das Projekt offiziell am 1. November | |
letzten Jahres startete, ging ein Riesenjubel durch die Welt der | |
Drogenkonsumierenden, der schnell und ein bisschen enttäuscht wieder | |
abebbte. Denn sofort loslegen und seinen Stoff testen lassen konnte man | |
noch nicht. Auch wenn der politische Wille da war und an der Infrastruktur | |
bereits gearbeitet wurde, fehlte vor allem noch ein entscheidendes Detail – | |
die rechtliche Grundlage. | |
Beim Blick in die geweiteten Pupillen so mancher Partygänger*in in Berlin | |
vergisst man es gerne mal, aber: Hier wie im Rest Deutschlands ist der | |
Besitz jener berauschenden Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz | |
fallen, meist illegal. Wer gegen das Verbot verstößt, macht sich strafbar. | |
Zudem gilt für Polizei und Staatsanwaltschaft das sogenannte | |
Legalitätsprinzip. Das bedeutet, dass sie zur Verfolgung von Straftaten | |
verpflichtet sind, also bei einem Verdacht ermitteln müssen. Sonst machen | |
sie sich ebenfalls strafbar. | |
## Gesetz muss nicht geändert werden | |
Beides schlechte Voraussetzungen für ein Drug-Checking-Projekt. Denn zum | |
einen könnten sich Sozialarbeiter*innen und Laborant*innen, die die | |
Substanzen entgegennehmen, strafbar machen. Da die Polizei zudem davon | |
ausgehen kann, dass Menschen, die zur Drug-Checking-Sprechstunde gehen, | |
Drogen dabeihaben, müsste sie nach dem Legalitätsprinzip Ermittlungen | |
aufnehmen. | |
All das würde die Durchführung des Projektes unmöglich machen. Deswegen hat | |
der Berliner Senat prüfen lassen, ob Drug-Checking mit geltendem Recht | |
vereinbar ist oder es eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes braucht. | |
Vor Kurzem hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und | |
Gleichstellung das Ergebnis der rechtlichen Stellungnahme von Cornelius | |
Nestler, Professor für Strafrecht an der Universität Köln, bekannt gegeben: | |
„Das vorgelegte Konzept für das Drug-Checking ist legal und die | |
Mitarbeitenden der Einrichtungen des Drug-Checkings würden sich bei der | |
Vorgehensweise nicht strafbar machen“, sagt die Pressesprecherin. Eine | |
Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ist also nicht nötig. | |
Vor allem zwei weitere Bundesländer schauen sich die Vorgänge in Berlin | |
genau an. Immerhin ist Strafrecht Bundesrecht, Nestlers Schlussfolgerung | |
gilt also auch für andere Länder. Im Koalitionsvertrag der neuen | |
rot-grün-roten Regierung Bremens ist festgeschrieben, dass es ein an Berlin | |
orientiertes Drug-Checking geben soll. Vor allem die Grünen und die Linke | |
unterstützen das Vorhaben dort. Ähnlich ist es in Hessen. | |
Da haben die Grünen schon 2013 das Thema in den Koalitionsvertrag mit der | |
CDU gebracht. Doch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte | |
lehnte die Anträge auf eine Präventionsstudie ab, weswegen Hessen nun eine | |
Bundesratsinitiative plant. | |
## Keine Tests im Club | |
Das Konzept, das mit dem BtMG vereinbar ist, sieht so aus: An drei | |
Standorten der beteiligten Träger soll es an festen Tagen Sprechstunden | |
geben, bei denen Menschen ihre Drogen abgeben können. Beim ersten Gespräch | |
mit einer*m Mitarbeiter*in wird die Probe genommen und ein | |
Beratungsgespräch angeboten. Der*die Nutzer*in bekommt einen Spitznamen | |
oder einen Code. Die Probe wird dann in ein Labor geschickt und untersucht. | |
Das Ergebnis der Analyse kann dann online, telefonisch oder in einem | |
weiteren Beratungsgespräch erfragt werden. Die Kosten, die sich auf um die | |
tausend Euro pro Probe belaufen können, werden vom Senat getragen. Ein | |
mobiles Labor, das Drogen direkt in Clubs testet, [2][wie es das in der | |
Schweiz gibt], ist derzeit nicht geplant. | |
Vordergründig geht es bei dem Projekt darum, die gesundheitlichen | |
Begleitschäden des Drogenkonsums möglichst gering zu halten. Menschen | |
kaufen Drogen auf dem Schwarzmarkt – Qualitätskontrollen gibt es dort | |
keine. Im Gegenteil, um ihre Marge zu erhöhen, haben Dealer*innen ein | |
finanzielles Interesse daran, ihre Ware mit billigeren Mitteln, wie | |
Levanisol oder sogar Rattengift, zu strecken. | |
Der*die Käufer*in weiß also nicht, welche Stoffe den Pillen zugesetzt sind | |
oder wie hoch die Substanzen dosiert sind. Beides sind wichtige | |
Informationen für einen möglichst risikoarmen Konsum, die das Drug-Checking | |
liefern würde. | |
## Hauptziel: möglichst risikoarmer Konsum | |
Im Hintergrund geht es aber um noch mehr: um den nächsten Schritt zu einem | |
liberaleren Umgang mit Drogenkonsum und einem Paradigmenwechsel hin zu | |
einer alternativen Drogenpolitik. Und zwar einer, bei der nicht die | |
Abstinenz das große Ziel ist und [3][Menschen, die Drogen konsumieren, | |
dafür verurteilt werden]. Sondern eine, bei der akzeptiert wird, dass viele | |
Menschen Gefallen am Rausch finden und Maßnahmen getroffen werden, die | |
einen möglichst risikoarmen Konsum ermöglichen. | |
Klar, dass Widerstand und Vorbehalte dagegen hoch sind. „Drug-Checking | |
anzubieten, weil man die Kriminalität dahinter nicht unter Kontrolle | |
bekommt, ist ein falscher und gefährlicher Ansatz“, so der | |
CDU-Gesundheitspolitiker Tim-Christopher Zeelen. Ob er recht behält oder | |
die Maßnahme zu positiven Effekten führt, wie etwa in der Schweiz, wird | |
sich ja bald zeigen. | |
18 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Maike Brülls | |
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