Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte um Schulschließungen: Länder verstimmt, Beschluss vertagt
> Bundeskanzlerin Merkel will schärfere Regeln an den Schulen, die
> Ministerpräsident:innen ließen sie auflaufen. Eine Studie liefert neue
> Erkenntnisse.
Bild: In Schleswig-Holstein müssen Grundschüler:innen schon seit dem Sommer M…
Eigentlich ist Antje Schure kein Merkel-Fan. Doch beim aktuellen Streit
über den richtigen Coronaschutz an Schulen steht die Lehrerin klar auf der
Seite der Kanzlerin. „Ich wünsche mir mehr Einheitlichkeit“, sagt Schure.
„Jedes Bundesland glaubt, es am besten zu wissen. Wenn es so weiterläuft,
glaube ich nicht, dass wir ein normales Weihnachten feiern können.“
An Schures Schule, der Integrierten Gesamtschule Grete Unrein in Jena, sind
momentan zwar nur eine Klasse und sechs Lehrer:innen in Quarantäne. Doch
wie schnell sich das Virus von Klasse zu Klasse ausbreitet, hat Schure vor
den Herbstferien gesehen. Ein Viertel der Schüler:innen musste auf einmal
zu Hause bleiben, 30 Lehrkräfte konnten nicht mehr vor der Klasse stehen.
„Sie können sich vorstellen, wie wenig guter Unterricht da noch möglich
ist.“
Ginge es nach dem Kollegium der Grete Unrein würden die Klassen geteilt und
im Wechsel unterrichtet. [1][Eine Forderung, die die Bildungsgewerkschaft
GEW] seit Wochen stellt – und die am Montag zu einem heftigen Streit
zwischen Bund und Ländern geführt hat.
Auf der Konferenz mit den 16 Ministerpräsident:innen wollte Merkel
bundesweite Verschärfungen durchsetzen, unter anderem geteilte Schulklassen
und eine Maskenpflicht für alle Schüler:innen und Lehrer:innen.
[2][Für Ärger sorgte, dass die Beschlussvorlage des Bundes] vorher nicht
mit den Ländern abgestimmt war. Die rheinland-pfälzische
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) etwa sagte, das Papier habe „zu viel
Unmut geführt“. Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow aus Thüringen
schimpfte, Landesregierungen seien doch „keine nachgeordneten Dienststellen
des Kanzleramts“.
[3][Die Kultusminister:innen wiederum halten an offenen Schulen fest].
Letztlich hat die Bund-Länder-Runde die Entscheidungen über eine
bundesweite Maskenpflicht und geteilte Klassen auf kommende Woche vertagt.
Bisher gelten an den Schulen im Land sehr unterschiedliche Coronaregeln.
Während in Bayern und Schleswig-Holstein beispielsweise auch
Grundschüler:innen Masken im Unterricht tragen müssen, sind sie in
Thüringen bislang selbst für ältere Schüler:innen nicht verpflichtend.
Ähnlich gehen auch die Vorgaben über die Alternativen zum Regelunterricht
auseinander: Niedersachsen und Sachsen-Anhalt etwa schreiben den Schulen in
bestimmten Fällen Wechselunterricht vor, andere Länder schließen geteilte
Klassen momentan noch grundsätzlich aus.
## Studie zur Dunkelziffer
Eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts, Klassen ab 50 Neuinfektionen
pro 100.000 Einwohner:innen zu teilen, lehnen bisher alle Länder ab. Die
Kultusministerien halten regelmäßiges Lüften und eine Ausweitung der
Maskenpflicht auch in der jetzigen Situation für ausreichend. Neben dem
Verweis auf die schlechten Erfahrungen mit dem Wechselunterricht begründen
die Länder ihre Entscheidung auch damit, dass Schulen keine „Treiber“ der
Pandemie seien.
Einer, der dieser Darstellung widerspricht, ist der Mikrobiologe Michael
Wagner von der Universität Wien. „Schulkinder spielen in der Pandemie eine
deutlich messbare Rolle“, sagt Wagner der taz.
Der Wissenschaftler hat mit seinem Team [4][eine repräsentative Studie mir
über 10.000 Kindern und Lehrkräften an 243 Schulen in Österreich]
durchgeführt. Das Ergebnis: Wenn das lokale Infektionsgeschehen hoch ist,
spiegelt sich das auch in den Schulen wider, und zwar unabhängig vom Alter.
Vielfach würde eine Infektion nur nicht festgestellt, weil Kinder in der
Regel keine Symptome hätten. „Wir wissen nun, dass es eine Dunkelziffer
gibt, die deutlich höher ist als die Zahl der entdeckten Fälle“, so Wagner.
Die Behauptung, jüngere Kinder spielten bei der Übertragung des Virus keine
Rolle, sei nach seinen Erkenntnissen schlicht falsch.
Mitarbeit: Daniel Godeck
17 Nov 2020
## LINKS
[1] https://www.gew-hessen.de/home/details/jetzt-zu-praesenzunterricht-im-wechs…
[2] /Bund-Laender-Runde-zu-Corona-vertagt-sich/!5729627
[3] /Nord-Schulen-bleiben-offen/!5723755
[4] https://medienportal.univie.ac.at/presse/aktuelle-pressemeldungen/detailans…
## AUTOREN
Ralf Pauli
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Maskenpflicht
Schule
Lesestück Recherche und Reportage
Ganztagsbetreuung
Schule
Kolumne Berlin viral
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Verschwörungsmythen und Corona
Schwerpunkt Coronavirus
Schule und Corona
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Corona-Strategien der Schulen: Im Namen der Kinder
Eine Schule in Bayern und eine in Hessen eint ein Gefühl: fremdbestimmt zu
sein. Doch wie sie jeweils mit der Pandemie umgehen, unterscheidet sich.
Bund und Länder streiten um Finanzierung: Ganztagsbetreuung verzögert sich
Ab 2025 sollte jedes Grundschulkind in Deutschland einen Ganztagsplatz
bekommen können, so steht es im Koalitionsvertrag. Nun dauert es bis 2029.
Schulen in der Coronapandemie: Kreative Lösungen statt Basta
Die Wirklichkeit ist nicht so schlicht wie die Debatte über Schulen in der
Pandemie: Wer für kleinere Klassen ist, ist nicht gegen Beschulung an sich.
Zuversicht und Corona: Die Kinder riechen den Braten
Corona greift nach uns im November. Laternenumzüge gibt es nur noch in der
Kleinstgruppe. Irgendwann hilft nur noch, die große Säge auszupacken.
Debatte um Schulöffnungen: Alle müssen weiter zur Schule
Die Schulen dürfen weiterhin kein regelmäßiges Homeschooling organisieren,
stellt die Bildungsverwaltung klar. Die Präsenz bleibt die Regel.
Aktuelle Entwicklungen in der Coronakrise: Erneut weniger Neuinfektionen
In Deutschland gibt es etwa 17.500 neue Coronafälle. Die Niederlande
lockern den Lockdown. Frankreich überschreitet die Marke von 2 Millionen
Fällen.
Protest gegen Pandemie-Maßnahmen: Corona-Verharmloser suchen Gewalt
GegnerInnen der Coronamaßnahmen und Rechtsextreme wollen am Mittwoch den
Bundestag belagern. Protest in unmittelbarer Nähe wird aber verboten.
Schulen in der Pandemie: Leerstelle der Coronapolitik
Dass über den Sommer keine Voraussetzungen für einen sicheren Schulbetrieb
geschaffen wurden, ist das größte Versäumnis der deutschen Coronamaßnahmen.
Sozialpädagoge über Schulschließungen: „Die Kinder wären eingesperrt“
Tobias Lucht, Leiter des Kinderprojekts Arche in Hamburg-Jenfeld, sorgt
sich um soziale Brennpunkte bei einer zweiten Schulschließung.
Maskenpflicht an Berliner Schulen: Hauptsache, nicht nach Hause
Ab Mittwoch gilt eine verschärfte Maskenpflicht ab der 7. Klasse und ein
gestaffelter Schulbeginn: Ein letzter Versuch, den „Regelbetrieb“ zu
retten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.