# taz.de -- Hartes Urteil in Burundi: Lebenslang für Ex-Diktator | |
> Pierre Buyoya wird der Ermordung seines Hutu-Nachfolgers Ndadaye im Jahr | |
> 1993 für schuldig befunden. Oppositionelle kritisieren das Urteil. | |
Bild: Pierre Buyoya auf einem Archivfoto aus dem Jahr 2015 | |
BRÜSSEL taz | Die Dämonen des Hasses zwischen Hutu und Tutsi scheinen in | |
Burundi, das zwischen 1993 und 2006 einen Bürgerkrieg mit 300.000 Toten | |
erlebte, zu neuem Leben zu erwachen. Am Montag verurteilte Burundis | |
Oberstes Gericht Expräsident Pierre Buyoya, der 1987–93 und 1996–2003 | |
regierte, in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. | |
Buyoya, letzter Tutsi-Militärdiktator Burundis, wurde des Mordes an seinem | |
Nachfolger Melchior Ndadaye am 21. Oktober für schuldig befunden. Ndadaye | |
war Burundis erster Hutu an der Staatsspitze und hatte die ersten freien | |
Wahlen des Landes im Juli 1993 gewonnen. Als [1][Tutsi-Offiziere im Oktober | |
putschten] und ihn töteten, folgten blutige Racheakte gegen die | |
Tutsi-Minderheit und ein Bürgerkrieg, der Hunderttausende Tote forderte und | |
erst mit der Machtergreifung ehemaliger Hutu-Rebellen endete. Sie regieren | |
Burundi bis heute. | |
Buyoya soll für die Ermordung Ndadayes verantwortlich sein, so das Gericht. | |
Eine Urteilsbegründung wurde nicht vorgelegt. Insgesamt wurden 18 ehemalige | |
zivile und militärische Verantwortungsträger zu lebenslanger Haft | |
verurteilt, drei zu 20 Jahren Gefängnis. Expremierminister Antoine Nduwayo | |
wurde freigesprochen. Von den Beschuldigten waren nur fünf anwesend. Die | |
anderen leben im Ausland: Buyoya ist [2][Sonderbeauftragter der | |
Afrikanischen Union (AU)] für Mali. | |
Die Anwälte der Beschuldigten wurden nach eigenen Angaben nicht vorab über | |
die Urteilsverkündung in Kenntnis gesetzt. Sie nennen den Prozess einen | |
Bruch der Burundi-Friedensverträge und sagen, in der Verhandlung seien nie | |
Beweise vorgelegt worden. „Man begnügte sich mit oft anonymen Erklärungen�… | |
so die Anwälte in einer Erklärung am Mittwoch. | |
## Verfolgung und Hetze gegen Tutsi | |
Oppositionelle stellen den Prozess in einen Kontext allgemeiner Repression | |
in Burundi, sowohl gegen Tutsi als auch gegen Hutu-Gegner des Präsidenten. | |
Athanase Karayenga, ehemaliger Direktor des Staatsfernsehens RTNB, spricht | |
gegenüber der taz von einer methodischen Verfolgung der Tutsi. Tausende | |
seien seit 2015, als ein Putschversuch gegen den [3][damaligen Präsidenten | |
Pierre Nkurunziza] scheiterte, Opfer von Folter durch Milizen der | |
Regierungspartei geworden. | |
Das Urteil fiel pünktlich zum Jahrestag der Ermordung von Ndadaye, der in | |
Burundi heute als Nationalheld verehrt wird. Das [4][Gedenken an 150 | |
Tutsi-Oberschüler] des Lyzeums von Kibimba, die nach Ndadayes Ermordung | |
Opfer von Hutu-Rachefeldzügen geworden waren, wurde hingegen dieses Jahr | |
erstmals von der Regierung verboten. | |
Die Nichtregierungsorganisation SOS Torture Burundi hatte bereits im Januar | |
gewarnt, dass Hasspropaganda gegen Tutsi in Burundis Medien zunimmt. Sie | |
verwies auf Reportagen des Journalisten Claude Kenny Nduwinana auf | |
Wahtsapp, in denen Tutsi als „Stachel, die nicht verschwinden“ bezeichnet | |
wurden und Hutu dazu aufgerufen wurden, „nicht in Tutsi-Restaurants zu | |
gehen, wo sie vergiftet werden können“. Solche Rhetorik ähnelt der in | |
Ruandas Hetzmedien vor dem Völkermord an Ruandas Tutsi 1994. | |
21 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
François Misser | |
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