# taz.de -- Corona in Burundi: Jagd auf Präsidentenkiller | |
> Der frühere Präsident Pierre Nkurunziza wollte von Corona nichts wissen | |
> und starb. Sein Nachfolger sagt nun der Pandemie den Kampf an. | |
Bild: Corona-Test in Bujumbura. Davon soll es künftig 250 am Tag geben | |
Berlin taz | Nach dem Tod des burundischen Präsidenten Pierre Nkurunziza am | |
8. Juni, laut unbestätigten aber plausiblen Berichten als Folge einer | |
Covid-19-Infektion, vollzieht dessen Nachfolger Évariste Ndayishimiye nun | |
eine Kehrtwende in der Politik des bitterarmen Landes gegen das | |
Coronavirus. | |
Bei der Vereidigung des neu gewählten Parlaments am 30. Juni erklärte der | |
neue Präsident das Coronavirus zum „schlimmsten Feind Burundis“. Damit | |
überraschte er, denn der ehemalige General und enge Vertraute des | |
Verstorbenen gilt eigentlich als einer, der die Politik seines Vorgängers | |
eher fortführen wird. | |
Nkurunziza hatte zu Lebzeiten Ndayishimiye zu seinem Nachfolger bei den | |
Wahlen am 20. Mai gekürt. Im Kampf gegen die Coronapandemie hatte er auf | |
Massengebete statt auf Vorkehrungsmaßnahmen wie Masken oder Abstandsgebote | |
gesetzt. Die Burunder würden „von Gott beschützt“, hatte der Präsident | |
gepredigt. | |
Zu den Wahlkampfveranstaltungen im Mai waren Abertausende Menschen ohne | |
Schutzmasken dicht gedrängt zum Singen und Tanzen zusammengekommen. Um jede | |
Kritik zu vermeiden, hatte Nkrurunziza auch noch die Vertreter der | |
Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Land geworfen. | |
## 250 Tests täglich | |
Die Laxheit im Umgang mit dem Virus kostete ihn offenbar das Leben. | |
Offiziell starb er an [1][Herzstillstand], doch lokale Medien ließen | |
verlauten, dieser sei im Zuge einer Covid-19-Infektion aufgetreten. Auch | |
Nkurunzizas Frau und weitere Verwandte waren zuvor positiv auf das Virus | |
getestet worden. | |
Jetzt werden die Zügel angezogen. Vergangene Woche begannen in Burundis | |
größter Stadt Bujumbura großangelegte Massentests. „Mit dieser Kampagne | |
arbeiten wir nun daran, jenen Zugang zu Tests zu ermöglichen, denen dies in | |
der Vergangenheit verwehrt geblieben war“, erklärte Gesundheitsminister | |
Thaddée Ndikumana bei der Eröffnung der ersten Teststation. „Wir denken, es | |
ist nun an der Zeit, dass wir dieses Problem gemeinsam angehen.“ Es stünden | |
genügend Testkids und Laborkapazitäten zur Verfügung, betonte er. Ziel sei | |
es, rund 250 Tests täglich durchzuführen. | |
Laut einem WHO-Bericht vom Dienstag sind in Burundi lediglich 269 | |
Corona-Infektionen verzeichnet, davon ein Todesfall. Es liegt jedoch die | |
Vermutung nahe, dass die Dunkelziffer aufgrund der bislang nicht | |
durchgeführten Tests und vermiedenen Vorkehrungsmaßnahmen deutlich höher | |
liegt. | |
In den vergangenen Tagen gingen in Burundi Gerüchte um, auch der frisch | |
ernannte Premierminister Alain-Guillaume Bunyoni sei mit Verdacht auf | |
Covid-19 ins Hospital eingeliefert worden. Der Posten des Premierministers | |
war 1998 abgeschafft worden, seitdem konzentrierte sich die Macht ganz im | |
Präsidentenamt. | |
## Machtkampf in der Regierungspartei | |
Die Wiedereinführung des vom Präsidenten getrennten Regierungschefs sowie | |
die Ernennung Bunyonis auf diesen Posten durch das Parlament zeugen nun von | |
[2][Machtkämpfen] innerhalb der Regierungspartei CNDD-FDD | |
(Nationalrat/Kräfte für die Verteidigung der Demokratie), eine ehemalige | |
Hutu-Rebellenbewegung, nach dem Tod ihres langjährigen Führers Nkurunziza. | |
Präsident Ndayishimiye, einst Armeechef, und Premierminister Bunyoni, einst | |
Sicherheitsminister, sind beides hohe Generäle und waren Guerillaführer im | |
Bürgerkrieg von 1993 bis 2005. Beide sind radikale Hardliner, beide galten | |
als potenzielle Nachfolger des verstorbenen Präsidenten. Dass Nkurunziza | |
sich zu Beginn des Jahres für Ndayishimiye entschied, hatte Parteikader im | |
Bunyoni-Lager verärgert. | |
Offenbar sucht Ndayishimiye nun den Schulterschluss, indem er Bunyoni an | |
seine Seite holt. Dieser steht aufgrund mutmaßlicher | |
Menschenrechtsverbrechen auf der US-Sanktionsliste, ebenso wie der frisch | |
ernannte Innen- und Sicherheitsminister Gervais Ndirakobuca, der als | |
„Ndakugarika“ („Ich werde dich aufhängen“) bekannt ist. | |
Immerhin: Minister für Soziale Fragen und Menschenrechte wurde Immelde | |
Sabushimike, ein Vertreter der Twa-Minderheit. Es ist das erste Mal, dass | |
die Twa, umgangssprachlich als Pygmäen bekannt, in der Regierung vertreten | |
sind. | |
## Hoffnung auf Öffnung | |
Internationale Menschenrechtsorganisationen hegen nun Hoffnung, dass sich | |
das Land unter dem neuen Präsidenten Ndayishimiye öffnet und auch im Umgang | |
mit Menschenrechten eine Kehrtwende vollzieht. Derzeit leben nach | |
UN-Angaben 335.000 Burunder als Flüchtlinge in Nachbarländern. Politische | |
Gewalt, vor allem durch Milizen der Regierungspartei und Sicherheitskräfte, | |
hat seit 2015 nach UN-Schätzungen mindestens 1.700 Tote gefordert. | |
Die UN-Untersuchungskommission für Burundi forderte am Dienstag die neue | |
Regierung auf, „den Kreislauf von Gewalt zu durchbrechen“ und wieder mit | |
den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. 2019 hatte Burundis Regierung | |
das Büro der UN-Menschenrechtskommission in Bujumbura geschlossen und | |
Burundis Mitgliedschaft beim Internationalen Strafgerichtshof gekündigt. | |
16 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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