# taz.de -- Nachruf auf Burundis Staatschef: Prediger in eigener Sache | |
> Vom Guerillaführer zum Autokraten: Das Leben des verstorbenen Staatschefs | |
> Nkurunziza von Burundi prägt die Gewaltgeschichte seines Landes. | |
Bild: Pierre Nkurunziza bei einem Wahlkampfauftritt im April 2020 | |
BRÜSSEL taz | Gewalterfahrung prägt Pierre Nkurunziza seit seiner Geburt im | |
Dezember 1964 in Ngozi im Norden von Burundi. Er war erst sieben Jahre alt, | |
als sein Vater, der Hutu-Parlamentarier Eustache Ngabisha, 1972 dem | |
Völkermord des Tutsi-Miitärdiktators Michel Micombero an den Hutu zum Opfer | |
fiel. Seine Mutter, eine Tutsi, überlebte, und er interessierte sich fortan | |
für den Kampf gegen Diskriminierung. „Black Panther“ nannten ihn seine | |
Schulkameraden. | |
Als junger Mann wollte „Peter“ Soldat werden, aber das durften Hutu damals | |
nicht. Also wurde er 1991 Gymnastiklehrer an der Universität. 1993 erlebte | |
er wie viele seiner Generation die Ermordung des ersten Hutu-Präsidenten | |
Burundis, [1][Melchior Ndadaye], durch Tutsi-Soldaten als Trauma. Er | |
schloss sich der Guerillabewegung CNDD-FDD (Nationalrat/Kräfte zur | |
Verteidigung der Demokratie) an, die Ndadayes abgetauchter Innenminister | |
[2][Léonard Nyangoma] gründete. | |
1995 wurde Nkurunziza bei einer Guerillaaktion schwer verwundet. Aber er | |
überlebte. Das vergaß er nie. Er sei „von Gott auserwählt“, verkündete … | |
im Jahr 2005, als Burundis Parlament ihn zum Staatschef kürte. Noch dazu | |
war er 1996 wegen des Legens von Minen zum Tode verurteilt, aber nie | |
hingerichtet worden. | |
Nkurunziza war 2001 durch einen Putsch in der CNDD-FDD-Guerilla zu deren | |
Chef geworden, als Hardliner, der die Friedensgespräche, die im Jahr 2000 | |
zum Abkommen von Arusha geführt hatten, boykottierte. Sein Aufstieg machte | |
einen neuen Anlauf nötig, der zum Abkommen von Pretoria 2003 führte. Dieses | |
quotierte die politische und militärische Macht in Burundi zwischen Hutu | |
und Tutsi. Auf dieser Grundlage [3][wählte das Parlament ihn 2005 zum | |
Präsidenten] und Nkurunziza ließ sich weltweit als Versöhner feiern. | |
2010 wurde Nkurunziza [4][für eine zweite Amtszeit gewählt], diesmal direkt | |
vom Volk mit 91 Prozent. Fortan prägten Personenkult und Gottesbezug | |
Burundis Politik. Der Präsident trat mit seinem Gesangsverein „Komeza | |
Busenga“ (Betet ständig) auf und spielte Fußball in seinem Verein | |
„Hallelujah“. Seine Ehefrau Denise Bucumi, Gründerin der evangelikalen | |
„Felsenkirche“, pries ihn als Herrn. Als er 2015 erneut antreten wollte – | |
obwohl Friedensabkommen und Verfassung nur zwei Amtszeiten vorsahen – kam | |
es zur Krise. Auf einen [5][Putschversuch] folgte blutige Repression, die | |
bis heute andauert, mit über 1.500 Toten und 400.000 Flüchtlingen. Burundi | |
geriet in die Isolation, mit Sanktionen belegt. | |
## Zurück zur Monarchie | |
In seiner [6][letzten Amtszeit ab 2015] radikalisierte sich Nkurunzizas | |
Diskurs. Eine neue Verfassung beendete die Hutu-Tutsi-Quotierung und gab | |
ihm die Möglichkeit, bis 2034 zu regieren. Seine Partei rief ihn zum | |
„Ewigen Führer“ aus. Er verzichtete auf eine Präsidentschaftskandidatur | |
2020, brachte aber ein Referendum zur Wiedereinführung der vorkolonialen | |
Monarchie ins Spiel, und manche vermuteten, dass er selbst König werden | |
wollte. | |
An seinem letzten Unabhängigkeitstag am 1. Juli 2019 bezeichnete Nkurunziza | |
das vorkoloniale Burundi, das Hutu-Führer gerne als finstere Diktatur | |
beschrieben, als göttliches Paradies, in dem Milch und Honig flossen. Die | |
Hauptstadt hatte er aus Bujumbura an den alten Königssitz Gitega verlegt. | |
Bujumburas Prachtstraße benannte er in „Boulevard Mwezi Gisabo“ um, nach | |
Burundis König, der sich im 19. Jahrhundert den deutschen Kolonisatoren | |
widersetzte. | |
Bisher hieß die Straße „Boulevard du 28 novembre“, zur Feier des Putsches | |
von Micombero 1966, dessen Regime Nkurunzizas Vater tötete. Diese Schmach | |
hat der Sohn wiedergutgemacht. Aber seine Ambitionen bleiben unerfüllt. | |
10 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
François Misser | |
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