# taz.de -- Psychologin über trauernde Kinder: „Kinder trauern anders“ | |
> Der Bremer Verein „Trauerland“ bietet 184 trauernden jungen Menschen Raum | |
> für ihre Gefühle. Nun weitet der Verein sein Bildungsangebot aus. | |
Bild: Kinder haben ihre eigene Art, zu trauern. In Bremen kann man lernen, wie … | |
taz: Frau Kuhr, [1][trauern Kinder anders] als Erwachsene? | |
Johanna Kuhr: Ja. Wenn Kinder trauern, springen sie in sogenannte | |
Trauerpfützen. Da drin sind sie traurig, aber sie springen eben auch | |
schnell mal wieder heraus. Das scheint für uns Erwachsene manchmal komisch | |
– so, als würden Kinder nicht trauern. Sie drücken Trauer zudem nicht so | |
sehr über Reden oder Weinen aus, sondern ganz viel über Spielen. Wir haben | |
hier einen sehr spielerischen Ansatz, um Gefühlen Raum zu geben. | |
Wie kann ich denn als Bezugsperson von Kindern oder Jugendlichen einen | |
Prozess des Trauerns gut unterstützen? | |
Präsent sein, immer wieder hingucken, wie es den Kindern geht, und zeigen: | |
Ich bin da, ich höre zu – egal, was bei dir so los ist. Und was auch | |
wichtig ist, ist ehrlich mit den Kindern zu sein. Auch wenn die | |
Todesumstände vielleicht eher so sind, dass man das als Erwachsener Kindern | |
nicht zumuten möchte – wie Suizid. | |
Und wer nicht mehr weiter weiß, kommt zu Ihnen? | |
Meistens melden sich über das Beratungstelefon Eltern bei uns, die sich | |
einfach nicht so sicher sind, wie sie mit ihren Kindern umgehen können. | |
Aber auch Fachkolleg*innen suchen Rat bei uns. In den Kindertrauergruppen | |
geht es vor allem um das Verarbeiten durch den Austausch mit anderen | |
Betroffenen – mit mehreren Kindern, Familien oder Erwachsenen. | |
Glauben Sie, dass Sie auch Menschen erreichen, die nicht sowieso schon eine | |
Sensibilität für das Thema mitbringen? | |
Wahrscheinlich rufen schon eher Leute hier an, die dem Thema offener | |
begegnen. Aber oft ist der Leidensdruck auch einfach so hoch, dass sich | |
Eltern melden. Und um zu zeigen, dass es uns gibt, machen wir auch viel | |
Werbung in Schulen und Kinderarztpraxen, über alle Stadtteile hinweg. Auch | |
die Erzieher*innen kommen seit ein paar Jahren im Rahmen ihrer Ausbildung | |
zu uns. | |
Braucht es so eine [2][Anlaufstelle wie Trauerland] nicht auch für | |
Erwachsene? | |
Ja, ich denke schon, dass ein breiteres Angebot fehlt. Es geht auch darum, | |
das Tabu ein bisschen mehr zu brechen. Wir müssen zeigen, dass jeder Mensch | |
trauert und es wichtig ist, Anlaufadressen dafür zu haben – die es auf | |
politischer Ebene noch gar nicht gibt! | |
Ab Februar bieten Sie die Ausbildung zur systemischen Kinder- und | |
Jugendtrauerbegleitung an. Was können Teilnehmende hinterher? | |
Kinder in ihrer Trauer achtsam begleiten. Aber nicht nur Kinder, nicht | |
umsonst nennen wir es systemische Begleitung. Wir versuchen, den Kontext, | |
in dem die Kinder leben, mit einzubeziehen und ebenfalls Betroffene und das | |
gesamte System zu unterstützen. In der Ausbildung wollen wir auch | |
vermitteln, sich mit eigener Trauer auseinanderzusetzen. | |
Wer kann die Ausbildung machen? | |
Grundsätzlich alle, die sich mit Kinder- und Jugendtrauer und der eigenen | |
Trauer auseinandersetzen möchten. Vor allem aber Fachpersonal, das sowieso | |
schon mit Kindern und Jugendlichen arbeitet und denen vielleicht die | |
Information fehlt, wie man mit dieser speziellen Situation umgehen kann. | |
Wie sollten Teilnehmende menschlich gestrickt sein? Es ist doch bestimmt | |
nicht jede*r dafür gemacht. | |
Ein empathisches Wesen ist immer hilfreich bei der Arbeit mit Menschen. Es | |
braucht auch eine Wertearmut, also die Fähigkeit, den Kindern ohne der | |
eigenen Vorstellung davon, wie das Kind zu sein hat, zu begegnen. Und ein | |
achtsamer Umgang sowie ein ruhiges und stabiles Wesen. | |
Sie haben bereits eine Studie zur Wirksamkeit von Trauerbegleitung von | |
Familien erstellt. Wie kam es dazu und welche Ergebnisse liefert sie? | |
Wir wollten zeigen, dass unsere Arbeit auch eine präventive ist. Denn je | |
stabiler die Kinder sind und je besser sie ihre Trauer ausdrücken können, | |
desto stabiler sind sie natürlich später in ihrer Emotionalität. Die Studie | |
zeigt, dass es den Kinder nach der Zeit, in der sie hier waren – oft sind | |
das bis zu zweieinhalb Jahre –, psychisch besser ging. | |
Was kann denn passieren, wenn Kinder keinen Raum für ihre Trauer haben? | |
Es könnten vermehrt psychische und auch psychosomatische Probleme auftreten | |
– denn Kinder drücken Trauer auch durch körperliche Symptome wie Bauch- | |
oder Kopfweh aus. Auch Rückzug oder aggressives Verhalten kann sich | |
verfestigen. | |
20 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Arbeit-im-Hospiz/!5683945 | |
[2] https://www.trauerland.org/ueber-uns/verein/ | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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