| # taz.de -- Streit um Dannenröder Forst und A49: Aktivist*innen attackieren Gr… | |
| > Im Streit über die A49 wird die Parteizentrale besetzt. In Hessen kommt | |
| > es zu Verhaftungen. Die Rechtslage ist eindeutig. | |
| Bild: Demonstranten besetzten am Mittwoch die Bundesgeschäftsstelle von Bündn… | |
| Berlin/Frankfurt am Main taz | Als die Aktivist*innen am frühen Morgen an | |
| der Grünen-Zentrale ihr Banner entrollen, ist der Konflikt innerhalb der | |
| Alternativen für jeden sichtbar. „Autopartei? Nein Danke“ ist zu lesen – | |
| angelehnt an den Spruch der Anti-Atomkraftbewegung „Atomkraft? Nein danke.“ | |
| Es sind Klima-Aktivist*innen von Fridays for Future (FFF) Berlin, Ende | |
| Gelände, den Anti-Kohle-Kidz und Sand im Getriebe Berlin, die am Mittwoch | |
| die Grünen-Zentrale in Berlin-Mitte besetzt haben und sich so offen gegen | |
| die Partei stellen. Ihr Ziel: die Rodung des Dannenröder Forsts in Hessen | |
| stoppen. Teile des Waldes sollen weichen für den Ausbau der A49. Die | |
| hessischen Grünen stehen schon länger in der Kritik, weil sie dort Teil der | |
| Landesregierung sind, aber nichts gegen die Rodungen unternehmen. | |
| Begründung der Landesgrünen: Der Bau der Autobahn sei gerichtlich | |
| bestätigt, man führe nur Weisungen des Bundes aus. | |
| In Berlin skandieren die Aktivist*innen: „Wir sind hier, wir sind laut, | |
| weil ihr Autobahnen baut“. Gegen 10.15 Uhr kommt Grünen-Parteichef Robert | |
| Habeck nach draußen. Er fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Rolle. | |
| „Willkommen bei den Grünen“, sagt er, „aber ihr habt euch das falsche Ha… | |
| ausgesucht. Wir sind nicht in der Regierung.“ Auch er würde die Rodung | |
| stoppen, wenn er könnte. Aber: „Ihr adressiert die grüne Partei, die in | |
| dieser Situation nicht viel machen kann.“ | |
| Mit solchen Antworten geben sich auch die Aktivist:innen in Hessen nicht | |
| zufrieden. Nachdem sie sich am Dienstag im Rhein-Main-Gebiet von | |
| Autobahnbrücken abgeseilt hatten, mussten neun Protestierende die Nacht im | |
| Gefängnis verbringen. Das Amtsgericht Frankfurt wertete die Abseilaktion | |
| als Nötigung und erließ Haftbefehl. Das Bündnis „Dannibleibt“ hielt das … | |
| überzogen. Der grüne Landesverkehrsminister Tarek Al-Wazir hingegen | |
| verurteilte die Protestaktion vom Dienstag: „Wer sich von Autobahnbrücken | |
| abseilt, bringt sich und andere in höchste Gefahr“, erklärte Al-Wazir. Das | |
| Grundrecht zu Demonstrieren sei „keine Lizenz, Leben und Gesundheit von | |
| anderen aufs Spiel zusetzen“. | |
| Auch am Mittwoch erhöhten die Aktivist*innen den Druck auf die Grünen. | |
| Attac und Fridays entrollten in mehreren hessischen Städten Plakate unter | |
| dem fiktiven Logo „Bündnis A49, die Grünen“. Darauf sind Polizisten zu | |
| sehen, die Baumbesetzer*innen abführen oder Rodungen gegen Protestierende | |
| absichern. Darunter steht die sarkastisch gemeinte Parole: „Grün regiert“. | |
| Doch wie Parteichef Habeck in Berlin sind auch die Grünen in Hessen | |
| überzeugt, dass es für einen Baustopp keine Rechtsgrundlage gibt. Al-Wazir | |
| betonte abermals, dass allein der Bundesverkehrsminister als Bauherr alles | |
| beenden könne. | |
| ## Rechtslage kompliziert, aber eindeutig | |
| In der Tat ist die Rechtslage kompliziert, aber dennoch eindeutig: Im | |
| Bundesverkehrswegeplan wird der Bedarf an Verbindungen festgelegt. In | |
| Ausbaugesetzen beschließt der Bundestag dann konkrete Vorhaben. Die | |
| Entscheidungshoheit liegt klar beim Bund, die Länder sind lediglich | |
| ausführende Organe beim Bau der Bundesstraßen. Das gilt auch für die A49. | |
| Zu diesem Schluss kommt auch der BUND. „Ein politischer Handlungsspielraum | |
| besteht für den hessischen Verkehrsminister nach der Entscheidung des | |
| Bundesverwaltungsgerichts leider nicht mehr“, erläutert Thomas Norgall vom | |
| BUND Hessen. Die „Auftragsverwaltung“ für den Bund müsse umgesetzt werden. | |
| Der Verband fordert deshalb von der Bundesregierung „einen unverzüglichen | |
| Baustopp“ und ein Moratorium, um die veralteten Pläne für den | |
| Bundesstraßenbau zu überprüfen. Die Bereitschaft dazu ist in Berlin | |
| allerdings derzeit nicht erkennbar. | |
| Greenpeace hingegen kam in einer juristischen Analyse zu einem anderen | |
| Ergebnis. Dabei geht es um den Planfeststellungsbeschluss zum Bau der | |
| Trasse durch den Dannenröder Wald. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Bau | |
| zwar abgesegnet, doch Mängel bei der Berücksichtigung des Wasserschutzes | |
| festgestellt. Diese reichten den Richtern aber nicht aus, den Beschluss in | |
| Frage zu stellen. Laut Einschätzung der Umweltorganisation kann das Land | |
| den Planfeststellungsbeschluss jedoch ändern, etwa weil die Auswirkungen | |
| des Baus auf die Grundwasserneubildung heute anders einzuschätzen seien. | |
| ## Kein Grund zur Aufhebung des Beschlusses | |
| Diese Hoffnung dämpft allerdings Verwaltungsrechtler Remo Klinger. „Solange | |
| sich der Bund nicht bewegt und selbst das Verfahren durch eine Planänderung | |
| auf bessere Grundlagen stellen will, können Land und Umweltverbände wenig | |
| tun.“ Klinger weiß, wovon er spricht. Als Anwalt der Deutschen Umwelthilfe | |
| hat er Dutzende Städte zu stärkeren Maßnahmen zur Luftreinhaltung gezwungen | |
| – bis hin zur Durchsetzung von Fahrverboten. | |
| Entscheidend sei der rechtskräftige Planfeststellungsbeschluss, sagt | |
| Klinger. Er sichere dem Bund das Recht auf die Durchführung des Baus durch | |
| das Land. Fehler im Genehmigungsverfahren seien in der Regel kein Grund für | |
| eine Aufhebung des Beschlusses. „Die gegen den Planfeststellungsbeschluss | |
| abgewiesenen Klagen können nur durch ein Restitutionsverfahren neu | |
| aufgenommen werden“, sagt er. „Das ist jedoch nur bei drastischen Fehlern | |
| wie Urkundenfälschung möglich.“ | |
| 28 Oct 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
| Wolfgang Mulke | |
| Jasmin Kalarickal | |
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