# taz.de -- Streit um spanische TV-Serie: Polizeiserie regt auf | |
> „Antidisturbios“ empört die spanischen Polizeigewerkschaften. Offenbar | |
> haben die Macher der Serie einen wunden Punkt getroffen. | |
Bild: Ein Polizist im Konfettiregen bei einer Zwangsräumung in Barcelona im Ok… | |
MADRID/taz | „Serie des Jahres“ oder „[1][echter Müll]“? Die Meinungen | |
gehen weit auseinander, wenn es um die Serie „Antidisturbios“ | |
(„Bereitschaftspolizisten“) geht. Während ein Großteil des Publikums und | |
auch die Kritik die Produktion von Movistar lobt, sind mehrere | |
Polizeigewerkschaften empört. | |
In der sechsteiligen Serie geht es um „Puma 93“, die Besatzung einer | |
„Wanne“. Der mit Holzknüppel verlängerte Arm des Gesetzes wird beim Einsa… | |
gezeigt. Als bei der Zwangsräumung in der Madrider Altstadt ein Immigrant | |
vom ersten Stock in den Innenhof stürzt und stirbt, wird die „Innere“ | |
aktiv. Die junge, hartnäckige Ermittlerin stößt schnell auf mehr als auf | |
einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz: ein Netzwerk aus einem korrupten | |
Polizeichef, einem Richter und einem Unternehmer, die an der | |
Gentrifizierung des Stadtteiles verdienen und die Zwangsräumungen oft an | |
der Gesetzeslage vorbei anordnen. | |
Doch es ist nicht etwa dieser durchaus realitätsnahe Einblick in das | |
spanische System, der die Polizeiorganisationen erzürnt. Es ist vielmehr | |
die Darstellung der Beamten selbst. Es sind normale Menschen, mit ihren | |
persönlichen Miseren und alltäglichen Problemen, mit Depressionen und | |
Aggressionen und natürlich mit ihren Lastern in Form von Alkohol- und auch | |
Drogenmissbrauch. | |
Verhasste Eliteeinheit | |
Die Autoren von „Antidisturbios“, Isabel Peña und [2][Rodrigo Sorogoyen], | |
zeigen eine Gruppe von Arbeitern und wie sie während der Untersuchung durch | |
die „Innere“ nach und nach zusammenbrechen. Die Serie taucht ein in den | |
Alltag einer Eliteeinheit der spanischen Polizei, die so verhasst ist wie | |
keine zweite. | |
„Sie stellen uns auf das gleiche Niveau wie die Ratten“, heißt es aus | |
Reihen der Polizeigewerkschaft Jupol. Die Serie sei „[3][beleidigend], | |
erniedrigend“ und „sie beschmutzt das Image der Bereitschaftspolizei“, | |
erklärt die Gewerkschaft, die zuerst von den rechtsliberalen Ciudadanos | |
gesponsert wurde, um anschließend in den Armen der rechtsextremen Vox zu | |
enden, in sozialen Netzwerken. | |
„StopBulos“ – spanisch für „Stoppt Fakenews“ – lautete das Schlagw… | |
Kampagne gegen „Antidisturbios“. Dass so mancher Bekannte, wie etwa der | |
fortschrittliche Investigativjournalist und TV-Moderator Jordi Évole oder | |
der katalanische Unabhängigkeitspolitiker Gabriel Rufián oder auch die | |
linksliberale Tageszeitung El País „Antidisturbios“ empfehlen, macht die | |
Sache in Augen der Jupol noch schlimmer. | |
„Die Generaldirektion der Polizei genehmigt Dreharbeiten in Einrichtungen. | |
Es werden Uniformen und Fahrzeuge verwendet. Sie haben offizielle Beratung | |
erhalten. Dabei kommt die Serie ‚Antidisturbios‘ heraus, die 2.500 Kollegen | |
mit Lügen und [4][Klischees beleidigt]. Wir fordern dringend eine | |
Erklärung“, schreibt auch die andere rechte Polizeigewerkschaft, CEP. | |
Nichts verschönern, nichts verteufeln | |
Das Innenministerium und die Polizeiführung haben Peña und Sorogoyen den | |
Zutritt zu den Kasernen ermöglicht, um sich ein Bild von der Arbeit zu | |
machen. Das verwundert nicht. Denn Peña und Sorogoyen sind keine | |
Unbekannten. „Antidisturbios“ ist nicht ihre erste Erfolgsserie. Sorogoyen | |
war selbst für einen Oskar nominiert. Filmerisch geben die beiden alles, um | |
eine beklemmend dichte Atmosphäre zu schaffen. Viele Szenen sind mit | |
Weitwinkel aus der Hand gedreht, die Kamera immer wieder so nah wie möglich | |
an den Gesichtern der Protagonisten. | |
„Wir wollen nichts verschönern und nichts verteufeln“, erklärt Sorogoyen. | |
Es gehe vielmehr darum, dass „der Zuschauer so realistisch wie nur möglich | |
miterlebt, was diese Leute erleben, und dass er danach sein Urteil fällt.“ | |
„Natürlich schrecken wir nicht davor zurück, zu erzählen, wie unnötig | |
gewalttätig und ungerecht die Bereitschaftspolizei manchmal ist“, fügt Peña | |
hinzu. Die Idee zu der Serie entstand nach der „Bewegung der Empörten“ 2011 | |
und den völlig überzogenen Polizeieinsätzen gegen sie und die Proteste | |
gegen die Sozialkürzungen in den Jahren der Eurokrise. | |
Auch die weitaus gemäßigtere Gewerkschaft SUP, die einst gar Hand in Hand | |
mit der postkommunistischen CCOO gegen ebendiese Sozialkürzungen auf die | |
Straße ging, beschwert sich und verlangt, dass die „Verantwortlichen bei | |
der Generaldirektion der Polizei Rechenschaft ablegen“. Die SUP selbst | |
stand bei den Recherchen Rede und Antwort und taucht im Abspann der Serie | |
auf. „Wir wollen in den Danksagungen nicht erscheinen“, twittert die | |
SUP-Führung jetzt, wo sie durch die rechten Kollegen unter Druck geraten | |
ist. | |
22 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584 | |
[2] /Filmfestival-in-San-Sebastian/!5536632 | |
[3] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584 | |
[4] /taz-Kolumne-ueber-die-Polizei/!5696845 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
## TAGS | |
Polizei | |
Spanien | |
TV-Serien | |
Serien-Guide | |
Spanien | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Fernsehserie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Spanischer Sender im Griff der Rechten: Bald bedeutungslos | |
Madrids konservative Regierung setzt das öffentliche Regionalfernsehen | |
unter Druck. Der Sender TeleMadrid wird nun von Parteigängern geleitet. | |
Corona in Spanien: Außer Kontrolle | |
Die Anzahl von Neuinfizierungen klettert in schwindelerregende Höhen. Die | |
Regierung reagiert mit immer drastischeren Maßnahmen. | |
Serie „I May Destroy You“: Ausweg aus dem Trauma | |
Die neue Serie von Michaela Coel verarbeitet sexualisierte Gewalt, die Coel | |
selbst erfuhr. Und zeigt Schwarze Frauen jenseits von Klischees. | |
Krimiserie „Killing Mike“ bei ZDFneo: Rohe Gewalt in der Provinz | |
Ein Mann terrorisiert seine Nachbarn. Die dänisch Serie „Killing Mike“ | |
erzählt ungewohnt unvorhersehbar von deren Mordgelüsten. |