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# taz.de -- Studie zu Klimaneutralität bis 2050: Technisch ist das Ziel erreic…
> Damit Deutschland bis 2050 klimaneutral ist, muss die Politik schnell
> handeln. Ohne die umstrittene Speicherung von CO2 wird es kaum gehen.
Bild: Müsste sehr viel häufiger passieren, um Klimaneutralität zu erreichen:…
Dass Deutschland bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden soll – also in der
Bilanz keinerlei Treibhausgase mehr freisetzt –, ist seit gut einem Jahr
offizielle Position der Bundesregierung. Doch einen Plan, wie das gelingen
kann, hat sie bisher nicht. Um das zu ändern, haben die Thinktanks Agora
Energiewende und Agora Verkehrswende und die neue Stiftung Klimaneutralität
einen eigenen präsentiert. Letztere wird von Rainer Baake geleitet, der bis
2018 als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium die deutsche
Energiepolitik mitgestaltet hat.
In ihrem Auftrag haben das Öko-Institut, das Wuppertal-Institut und Prognos
ein Szenario erstellt, wie Deutschland bis 2050 klimaneutral werden kann
(Kurzfassung [1][hier als pdf]). Und das enthält gute Nachrichten für die
Regierung: „Die Technologien sind alle vorhanden“, sagte Agora-Präsident
Patrick Graichen. „Was es jetzt braucht, ist eine Klimapolitik, die diese
Strategien jetzt auch zeitnah umsetzt.“
Um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, müsse auch das Zwischenziel für
2030 verschärft werden. Statt im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu sinken,
wie derzeit geplant, sei ein Rückgang um 65 Prozent nötig, heißt es in der
Studie. Dafür müssten der Kohleausstieg vom Jahr 2038 auf 2030 vorgezogen
und der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor bis dahin auf 70
Prozent steigen. Die Solarenergie sollte dafür etwa doppelt so stark
ausgebaut werden wie von der Bundesregierung derzeit geplant, die Windkraft
etwa eineinhalbmal so stark. Im Verkehrsbereich muss die Einführung von
Elektroautos beschleunigt werden, im Gebäudebereich die Nutzung von
strombetriebenen Wärmepumpen.
Nach 2030 steigt dann die Bedeutung von Wasserstoff. Der sei wegen der
hohen Kosten aber der „Champagner der Energiewende“ und sollte nur dort
eingesetzt werden, wo eine direkte Nutzung von Ökostrom nicht möglich sei,
sagte Baake. Das ist vor allem in Industrieprozessen wie der Stahlerzeugung
sowie im Schiffs- und Flugverkehr der Fall, eventuell auch im Güterverkehr
auf der Straße. Zudem wird Wasserstoff in den Zeiten, in denen es zu wenig
Wind und Sonne gibt, auch für die Stromproduktion gebraucht. Der benötigte
Wasserstoff kann der Studie zufolge zu etwa einem Drittel in Deutschland
aus Ökostrom gewonnen werden; etwa zwei Drittel müssen importiert werden.
Auch mit allen diesen Technologien ließen sich aber nur 95 Prozent der
Emissionen vermeiden – aus Industrieprozessen wie der Zementherstellung und
aus der Landwirtschaft, vor allem der Tierhaltung, verbleiben etwa 62
Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr, die sich nicht verhindern
lassen, sofern nicht auf die entsprechenden Produkte verzichtet wird.
Um diese zu kompensieren, müsste eine entsprechende Menge CO2 aus der
Atmosphäre entnommen und unterirdisch eingelagert werden. Diese Technik ist
unter dem Namen [2][CCS (Carbon Capture and Storage)] bekannt. Anders als
in der Vergangenheit, als sie auch für fossile Kohlekraftwerke geplant war
und für Proteste sorgte, würde in Zukunft damit nur CO2 aus Biomasse oder
direkt aus der Luft gespeichert.
## Ohne verändertes Konsum- und Verkehrsverhalten
Die Studie geht davon aus, dass es keine grundlegenden Änderungen im
Konsum- und Verkehrsverhalten gibt, sondern nur aktuelle Trends
fortgeschrieben werden. Als Wirtschaftswachstum werden im Schnitt 1,3
Prozent pro Jahr angenommen. Zu den Kosten, die für die Umstellung anfallen
werden, verweist sie auf eine ältere Studie, die für ein
95-Prozent-Szenario Investitionen von 70 Milliarden Euro pro Jahr ermittelt
hatte; das entspricht etwa 10 Prozent der jährlichen Investitionen. „Es ist
preiswerter, die Welt zu retten, als sie zu ruinieren“, sagte Baake.
Mit dem Ziel, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, ist die nun
vorgestellte Studie weniger ambitioniert als jene, die die
Schüler*innenbewegung [3][Fridays for Future in der vergangenen Woche
präsentiert hatte]. Dort sollte schon bis 2030 CO2-Neutralität erreicht
werden – was aber nicht ganz das Gleiche ist wie Klimaneutralität, weil
landwirtschaftliche Klimagase wie Methan und Lachgas dabei nicht
berücksichtigt werden. Mit dem Paris-Ziel, die weltweite Erwärmung unter 2
Grad zu halten, sei aber auch Klimaneutralität bis 2050 vereinbar, sagte
Graichen. Für 1,5 Grad reiche es nur unter bestimmten Voraussetzungen.
## Altmaier erfreut
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) begrüßte die Studie. „Ich freue
mich, wenn Institutionen und Personen mit Sachverstand sich in den Prozesse
einbringen“, sagte er der taz. Besonders beeindruckt habe ihn, „dass sie
sich differenziert und positiv zum Thema Wasserstoff geäußert haben“.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wertete die Studie dagegen als Beleg,
„dass die Bundesregierung in fast keinem Bereich auf Kurs ist“.
22 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/klimaneutrales-deutsc…
[2] /CO2-Emissionen-mindern/!5541948
[3] /Studie-zu-deutschen-CO2-Emissionen/!5719605
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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Pariser Abkommen
Frans Timmermans
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