# taz.de -- Annegret Kramp-Karrenbauer im Interview: „Durchschnaufen wird mir… | |
> Die scheidende CDU-Vorsitzende über Rechtsextremisten in der Bundeswehr, | |
> die Aufnahme von Geflüchteten und ihr großes Ziel. | |
Bild: Annegret Kramp-Karrenbauer in der CDU-Parteizentrale | |
taz: Frau Kramp-Karrenbauer, einer Ihrer Söhne ist Polizist. Können die | |
Bürger:innen ihm und seinen Kolleg:innen noch vertrauen? | |
Annegret Kramp-Karrenbauer: Ja. | |
Klar, Sie vertrauen ihm. Aber das Vertrauen in die Polizei ist gestört. | |
Ich vertraue den Polizistinnen und Polizisten. Als ehemalige | |
Innenministerin weiß ich: Die allermeisten stehen ohne Wenn und Aber zu | |
unseren demokratischen Werten. Dass es auch im Verhältnis dazu wenige | |
andere gibt, sollte unser Vertrauen in die Unbescholtenen nicht | |
erschüttern. | |
Als Verteidigungsministerin sind Sie mit dem Rechtsextremismus in der | |
Bundeswehr befasst. Eine Kompanie des Kommandos Spezialkräfte, des KSK, | |
wurde auf Ihre Weisung hin aufgelöst. Anlass war der Fund von Waffen und | |
Munition [1][bei einem KSK-Soldaten]. Er hat diese Dinge von der Bundeswehr | |
geklaut. In welche Netzwerke ist oder war er eingebunden? | |
Die Untersuchungen laufen weiter, wir kommen mit der Aufklärung voran. Wir | |
werden in den nächsten Wochen erste Ergebnisse vorlegen. Von Anfang an sind | |
alle Möglichkeiten, also von Schlamperei bei der Munitionsverwaltung bis | |
zum bewussten Beiseiteschaffen, genau untersucht worden. Besonders schauen | |
wir uns an, ob Bundeswehrangehörige Munition abzweigt, gehortet und | |
weitergegeben haben. | |
Also an Personen, die einen Umsturz vorbereiten, den Tag X. | |
Ja, solche Personen gibt es leider – nicht nur in der Bundeswehr. | |
Warum haben Sie nur diese Kompanie aufgelöst? | |
Bei den Untersuchungen zu Rechtsextremismus ergaben sich immer wieder | |
Bezüge zur 2. Kompanie. Anfang August haben wir sie aufgelöst. Jeder Soldat | |
der Kompanie wird noch einmal persönlich betrachtet. Kann er im KSK | |
bleiben? Muss er versetzt werden? Das braucht Zeit, dennoch bestätigt sich | |
schon jetzt, dass es richtig war, diese Kompanie aufzulösen. | |
Das klingt besorgniserregend. | |
Auch hier darf man nicht alle über einen Kamm scheren. In der 2. Kompanie | |
gibt es unbescholtene Soldaten, insbesondere die, die nach 2017 | |
dazugekommen sind. Als Ministerin gebe ich denen im KSK und in der | |
Bundeswehr Rückendeckung, die sagen: Wir sind für unsere Demokratie in die | |
Bundeswehr gegangen, wir haben einen Eid abgelegt. Diese Soldaten ermutige | |
ich. | |
Das Netzwerk von Prepper-Chatgruppen des langjährigen KSK-Soldaten André S. | |
alias „Hannibal“ hat nach taz-Recherchen seinen Ursprung im KSK. Es reicht | |
bis in die Polizei und in den Verfassungsschutz. Sind Sie sicher, dass | |
dieses Netzwerk nicht mehr existiert? | |
Wir hoffen, dass durch das gemeinsame Vorgehen der politischen und | |
militärischen Führung, durch das Auflösen der 2. Kompanie und das | |
Maßnahmenpaket die Mauer des Schweigens bricht und wir auch Hinweise auf | |
andere Vorfälle in der Vergangenheit bekommen. Das deutet sich bereits an, | |
insbesondere in der Arbeit des MAD. Gerade erkennen wir zunehmend, dass es | |
unterschiedliche Szenen von Rechtsextremen gibt. Die sind offenbar enger im | |
Kontakt, als wir das bisher wahrgenommen haben. Es ist eine | |
Herausforderung, aus diesen Puzzleteilen ein Gesamtbild zu formen. | |
Jetzt haben Sie entschieden, [2][MAD-Chef Christof Gramm in den Ruhestand | |
zu versetzen]. Ist das Ihr Eingeständnis, dass er das | |
Rechtsextremismusproblem unterschätzt hat? | |
Herr Gramm hat im MAD viel geleistet, gerade auch im Kampf gegen | |
Rechtsextremismus. Jetzt kommen wir in eine neue Phase der Modernisierung | |
dieser Behörde, die wir auch personell sichtbar machen wollen. | |
Gramm sagte noch Ende 2018, dass keine Vernetzung gewaltbereiter | |
Rechtsextremisten in der Bundeswehr stattfinde. Aber all die Probleme, über | |
die wir heute reden, gab es damals schon. Wie wollen Sie sicherstellen, | |
dass Sie nicht immer entscheidende Schritte hintendran sind? | |
Wir haben in Bezug auf Rechtsextremismus in der Bundeswehr klare | |
Entscheidungen getroffen und stellen den MAD weiter so auf, dass er | |
schlagkräftig ist. Ermittlungsergebnisse zeigen, dass gerade diese Arbeit | |
zu Aufklärung schwerwiegender Fälle und zu Zugriffen geführt hat. | |
Gleichzeitig streite ich gerade dafür, dass wir die gesetzlichen Grundlagen | |
bekommen, um den MAD an den Informationsaustausch mit dem Verfassungsschutz | |
auch technisch enger anzubinden und vor allem um auch Chats | |
Extremismusverdächtiger analysieren zu können. Gerade dort spielt sich | |
leider vieles ab. | |
Was muss Gramms Nachfolger:in verändern? | |
Der eingeschlagene Weg der Neuaufstellung des MAD muss konsequent | |
fortgesetzt werden. Die Erneuerung von Organisation, Arbeitsweisen und | |
Personal im MAD muss dynamisch vorangehen. Und der Blick muss über | |
Einzelfallbetrachtungen hinaus auch auf Netzwerke und | |
Ermöglichungsstrukturen gerichtet werden – in enger Zusammenarbeit mit | |
anderen Sicherheitsbehörden. | |
Ein anderes Thema. Die Bundesregierung will 1.500 anerkannte Geflüchtete | |
aus Griechenland aufnehmen. In der CDU warnten sofort manche, dass sich | |
„2015 wiederholt“. Was fürchten diese Parteifreund:innen? | |
Wir hatten 2015 eine große Welle der Hilfsbereitschaft, standen aber auch | |
vor großen Herausforderungen. Später haben wir gesehen, dass Deutschland in | |
Europa ein Stück weit alleine war. Was wir 2020 in Moria erreichen müssen, | |
ist, dass Europa vor Ort Aufnahmeeinrichtungen betreibt und bei den | |
Verfahren hilft. Das ist auch der neue Ansatz der Kanzlerin und des | |
griechischen Regierungschefs. | |
Noch einmal: Was befürchten sie? | |
Sie befürchten, dass es wieder eine solche Debatte in Europa gibt. Auch | |
Griechenland will ja nicht, dass das gesamte Lager geräumt wird und alle | |
Geflüchteten in Europa verteilt werden. Und gerade sehen wir ja, wie | |
kontrovers die Vorschläge von Ursula von der Leyen zu einer Reform des | |
Asylsystems in Europa diskutiert werden. | |
Also macht man es so schlimm wie möglich, damit keiner mehr kommt. | |
Nein, das darf es gerade nicht sein. Denn wir sehen, dass leider eine Reihe | |
europäischer Staaten nach dem Motto zu handeln scheint, wer behandelt die | |
Geflüchteten am schlechtesten, damit die Menschen weiterziehen. Deutschland | |
nimmt nun Geflüchtete aus Griechenland auf, die bereits ein Asylverfahren | |
durchlaufen haben. Es geht darum, die Regeln einzuhalten und durchzusetzen, | |
um Migration zu steuern, zu ordnen und zu begrenzen. Diese Familien haben | |
eine Perspektive zu bleiben. Da werden wir gegebenenfalls auch allein | |
unterstützen. | |
Der Reflex aus der CDU, abzuschotten, ist deutlich. Wie verträgt sich das | |
mit dem C in ihrem Namen? | |
Deutschland nimmt täglich im Schnitt 300 bis 400 Geflüchtete auf, versorgt | |
sie und kümmert sich um vernünftige Unterkünfte. Unser Land leistet einen | |
großen Beitrag. Ich kenne viele CDU-Mitglieder, die sich in der | |
Flüchtlingshilfe engagieren und die bereit sind, aufzunehmen. Und ich kenne | |
in der CDU auch Menschen, die auf Probleme hinweisen. Das ist eine Debatte, | |
die wir als Volkspartei führen müssen. Die ganz große Mehrheit der CDU aber | |
sagt, dass es richtig ist, was die Bundesregierung macht. Unser | |
Wertekompass stimmt. | |
Im Dezember wählt die CDU einen neuen Vorsitzenden. Sie haben nach der | |
Thüringenwahl [3][Ihren Abschied angekündigt]. Wie geht es Ihnen damit | |
heute? | |
Mir geht es gut. Ich bin sicher, dass es die richtige Entscheidung war – | |
für die Partei und für mich. Zurzeit bin ich sehr damit beschäftigt, dass | |
unserer Parteitag unter den gegebenen Hygiene-Vorschriften stattfinden | |
kann. | |
Für den kommenden Montag haben Sie alle drei Bewerber um Ihr Amt zum | |
Gespräch geladen. Unter anderem, „damit aus diesem offenen, demokratischen | |
Wettrennen kein ruinöser Wettbewerb wird“. Das klingt nicht gut. | |
Es spricht für die Partei, dass es mehrere Bewerber gibt. Trotz Corona | |
sollen alle Mitglieder die Möglichkeit haben, sich ein objektives Bild der | |
Kandidaten zu machen. Wir überlegen, ob wir dazu ein Diskussionsformat | |
starten. Ich möchte vermeiden, dass es nach dem Windhundprinzip zugeht – | |
also welcher Landesverband lädt die drei als Erstes ein, welcher nicht? | |
Alle sollen die gleichen Chancen bekommen. | |
Mit Ihnen und Angela Merkel verlassen gleich zwei Frauen die Führungsebene. | |
Auf Sie folgt ein Mann und damit ein Kanzlerkandidat. Haben Sie Ihren | |
Anspruch, die CDU attraktiv für Frauen zu machen, nicht eingelöst? | |
Nein! | |
Warum lachen Sie? | |
Wegen Ihrer Frage. Ich kann mich noch gut an die Debatten erinnern, als | |
Angela Merkel Vorsitzende wurde. Da hatten alle das Gefühl, jetzt geht die | |
CDU unter. Dann hatten wir die Debatte erneut, als auf eine Frau wieder | |
eine Frau gefolgt ist. Wenn jetzt angenommen wird, dass die CDU zugrunde | |
geht, wenn ein Mann sie führt, zeigt das, wie viel sich in meiner Partei | |
verändert hat. Ich habe immer gesagt, dass unsere personelle Aufstellung | |
eine Momentaufnahme ist. Das Ziel der Frauenquote muss sein, damit wir als | |
CDU eine Normalität schaffen, in der Frauen am Ende paritätisch | |
Führungspositionen besetzen. | |
Aber wie kann es sein, dass die Riesenpartei CDU keine einzige Frau hat, | |
die sich um den Vorsitz bewirbt? | |
Das müssen Sie die Frauen fragen, die dafür infrage kämen. Es gibt viel | |
sehr talentierte Politikerinnen in der CDU, die noch nicht im Rampenlicht | |
stehen. Da bin ich sehr optimistisch. | |
Haben Sie keine Netzwerke? | |
Dass ich beim letzten Parteitag zur Vorsitzenden gewählt worden bin, hatte | |
durchaus etwas mit dem „Networking“ der Frauen in der CDU zu tun. Trotzdem, | |
der Stand jetzt ist nun mal, dass keine Frau für den CDU-Vorsitz | |
kandidiert. Das wird kein Dauerzustand bleiben. | |
Frau Kramp-Karrenbauer, wenn Sie Anfang Dezember die Messe in Stuttgart | |
verlassen – gehen Sie dann feiern oder weinen? | |
Das wird wohl eine Mischung sein. Das Konrad-Adenauer-Haus zu verlassen | |
wird schwer. Das ist ein toller Laden mit tollen Kolleginnen und Kollegen. | |
Aber ich werde vermutlich auch froh sein, das zu tun, was ich mir | |
vorgenommen habe: den Staffelstab weitergereicht zu haben. Durchschnaufen | |
wird mir guttun. Ich bleibe Bundesverteidigungsministerin und ich möchte | |
weiter mitgestalten. Das große Ziel bleibt, dass meine Partei CDU die | |
nächste Bundestagswahl gewinnt. | |
25 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
Anja Maier | |
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