# taz.de -- Pop-Kultur digital: Schöne neue Festivalwelt | |
> Das Berliner Festival Pop-Kultur fand komplett im digitalen Raum statt. | |
> Ging das Konzept auf? Und was wird davon in Zukunft bleiben? | |
Bild: Aus King Khans »Rat-Tribution Now« | |
Drei Tage [1][Pop-Kultur sind vorüber]. Die eigens für das Berliner | |
Festival geschaffenen Videoarbeiten werden jedoch nachwirken, sind sie doch | |
mindestens für ein Jahr, größtenteils aber länger [2][kostenlos abrufbar]. | |
Auch wenn das Programm auf ein Drittel eingedampft wurde, ging es so divers | |
zu, wie man es von dem Festival gewohnt ist. Was das Atmosphärische | |
betrifft, war es sogar vielschichtiger. Schließlich entstanden die Clips in | |
unterschiedlichen Settings, artifizielle artiness stand neben intimem | |
Wohnzimmermomenten: Letztere gab es etwa, als die Kanadierin Jessy Lanza, | |
sonst in elektronisch glitzernden R&B-Gefilden unterwegs, [3][zu Hause am | |
Keyboard demonstrierte], welche Akkordwechsel ihre persönlichen | |
Lieblingssongs besonders machen. | |
Gelungen auch die Umsetzung der Live Sessions, bei denen so | |
unterschiedliche Künstler wie [4][Mavi Phoenix mit seiner Fusion aus | |
Lo-Fi-Pop und Trap] oder die [5][Düsseldorfer Düsterboys mit windschiefem | |
Wehmutsfolk] gar nicht erst versuchten, ein „echtes“ Konzert zu simulieren. | |
Perspektivisch sollen die Arbeiten in Kinos und Kunstforen gezeigt werden. | |
Schon jetzt schafften einige der Clips den Sprung auf die große Leinwand: | |
Am Samstag wurden sie in der Société des arts technologiques in Montreal | |
präsentiert. | |
Ebenfalls aus Montreal stammt der seit 2005 in Berlin ansässige King Khan. | |
Mit seinem gospel-souligen Garage Rock gibt er für gewöhnlich den | |
vielleicht mitreißendsten Performer der Stadt. Für das Festival steuert er, | |
inspiriert von einem Märchen, das ihm einst sein nordindischer Vater | |
erzählte, [6][eine mythendurchdrungene, abgründige Geschichte] bei. | |
Zusammen mit seiner Tochter Saba Lou – sie ist ebenfalls Musikerin, tritt | |
hier aber vor allem als Illustratorin in Erscheinung – und dem Maler und | |
Performancekünstler Joe Coleman realisierte er den soghaft verstörenden | |
20-Minuten-Film „Rat-Tribution Now“; der erzählt von der am alleruntersten | |
Ende der Kastenhierarchie stehenden Community der Musahar („Rattenesser“) �… | |
und ist eindeutig für die große Leinwand gemacht. | |
Nichtlokalität als Vorteil | |
Wird die Erfahrung dieses speziellen Jahres das mit öffentlichen Geldern | |
geförderte Festival mittelfristig verändern, auch wenn wieder normale | |
Konzerte möglich sind? [7][Im Interview mit der taz vor Festivalauftakt | |
bezeichnet Christian Morin], einer der drei Kuratoren, die Nichtlokalität | |
der diesjährigen Ausgabe als Vorteil: „Menschen überall auf der Welt können | |
die von uns produzierten oder in Auftrag gegebenen Werke sehen. Dass führte | |
etwa dazu, dass Evija Vēbere, eine lettische Künstlerin, im Interview im | |
nationalen Fernsehen ihr Pop-Kultur-Werk bewirbt. Diese Effekte werden wir | |
uns genau angucken. Vielleicht bleibt davon etwas – etwa indem wir | |
Commissioned Works künftig auch filmisch dokumentieren.“ | |
Das Feedback während der Festival jedenfalls unterstützt einen | |
längerfristigen Ansatz. Welche Dynamik die Werke entwickeln, ist natürlich | |
nicht abzusehen. Während die Viewingzahlen zum Auftakt eher verhalten | |
schienen, gab es bis zum Samstag 24.000 Zuschauer*innen auf Facebook und | |
Youtube. Tendenz vermutlich steigend, denn auch die Künstler können so | |
entstandenes Material anders zirkulieren lassen als nach einer Liveshow. | |
Also alles super in der zwangsdigitalisieren Festivalwelt? Katja Lucker, | |
ebenfalls Festivalkuratorin, bremst: „Das ist natürlich alles wahr. Aber es | |
wäre falsch, so zu tun, als wäre alles megatoll. Es ist ja nicht | |
erstrebenswert, in Zukunft nur noch alles online zu machen. Das ist zum | |
einen für die Künstlerinnen uncool, weil es da diese | |
Nicht-bezahl-Mentalität gibt. Zurzeit machen sie ja sowieso fast alles für | |
umsonst – zwar nicht bei uns, aber bei den meisten Sachen, die im Netz | |
gerade sonst noch so passieren. Abgesehen davon ist natürlich zu hoffen, | |
dass wir alle bald wieder Live-Erlebnisse haben können.“ Etwas mitnehmen zu | |
können hofft sie indes von anderen Aspekten: Das Festival war dieses Jahr | |
klimafreundlicher, barrierearmer und niedrigschwelliger denn je. | |
30 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Festival-Pop-Kultur-in-Berlin/!5704602 | |
[2] https://www.pop-kultur.berlin/programm/ | |
[3] https://www.pop-kultur.berlin/artists/jessy-lanza/ | |
[4] https://www.pop-kultur.berlin/artists/mavi-phoenix/ | |
[5] https://www.pop-kultur.berlin/artists/the-duesseldorf-duesterboys/ | |
[6] https://www.pop-kultur.berlin/artists/king-khan-rat-tribution-now/ | |
[7] /Start-des-Festivals-Pop-Kultur-Berlin/!5704224 | |
## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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