# taz.de -- Virtueller EU-China-Gipfel: Neuer Wind weht nach Peking | |
> Von Europas Gipfel mit China sind keine substanziellen Ergebnisse zu | |
> erwarten. Doch das virtuelle Treffen bietet die Chance zu geeinter | |
> China-Politik. | |
Bild: Vor dem Gipfel versuchte Chinas Außenminister in Europa gut Wetter zu ma… | |
PEKING taz | Es hätte ein Höhepunkt der deutschen Ratspräsidentschaft | |
werden sollen: Beim EU-China-Gipfel sollten alle 27 Staatschefs [1][Chinas | |
Präsident Xi Jinping] persönlich treffen, eingefädelt von Angela Merkel. | |
Doch nun heißt es in Pekinger diplomatischen Kreisen salopp: Wenn man in | |
Zeiten von Corona schon ein großes Messehotel anmietet, sollte wenigstens | |
auch „was bei rumkommen“. Doch da nennenswerte Resultate derzeit nicht zu | |
erwarten sind, findet der Gipfel an diesem Montag nur online statt. | |
Im bestmöglichen Szenario einigen sich beide Seiten zumindest auf jenes | |
Investitionsabkommen, auf das Peking und Brüssel seit über sechs Jahren | |
hinarbeiten. Die weltpolitische Gemengelage spielt der EU in die Hände, | |
schließlich kann sich die Volksrepublik angesichts Donald Trumps schriller | |
Anti-China-Politik nicht leisten, auch noch seinen wichtigsten | |
Handelspartner Europa zu verlieren. Doch bisher gibt es kein Anzeichen für | |
Zugeständnisse Pekings. | |
Spätestens mit Ausbruch der Coronapandemie wurde ein deutlicher | |
Paradigmenwechsel der europäischen China-Politik sichtbar. Zum einen hat | |
man in Brüssel Pekings [2][präpotente „Maskendiplomatie“] bis heute nicht | |
vergessen: Chinas diplomatische „Wolfskrieger“ inszenierten sich mit pompös | |
inszenierten Hilfslieferungen als weltweite Retter, blockierten jedoch jede | |
Frage zum Ursprung des Virusausbruchs wie zur anfänglichen Vertuschung | |
seitens der Behörden in Wuhan. | |
Schwer wiegt auch Chinas Machtdemonstration in Hongkong: Mit dem | |
aufgezwungenen [3][Gesetz für nationale Sicherheit] lähmte Peking dort | |
nicht nur die Oppositionsbewegung, sondern brach auch internationale | |
Verträge. | |
## EU-Kritik wegen Wirtschaft, Hongkong, Uiguren und Corona | |
Auch die [4][systematische Unterdrückung der muslimischen Minderheit der | |
Uiguren in Xinjiang] sorgt zunehmend für Kritik – mittlerweile nicht nur | |
bei Politikern, sondern auch in Unternehmensvorständen. | |
Auch auf wirtschaftlicher Ebene herrscht längst Ernüchterung: Pekings | |
Rhetorik, seine Märkte für ausländische Investoren zu öffnen und die | |
heimische Wirtschaft zu reformieren, steht im Kontrast zu seinen Taten. | |
Denn unter Xi setzt China wieder verstärkt auf aufgeblähte | |
Staatsunternehmen. Der Trend hat sich seit Corona noch verschärft. Private | |
Firmen – chinesische wie ausländische – haben dabei das Nachsehen. | |
Dass aus Brüssel mittlerweile ein neuer Wind weht, bekam gerade erst Chinas | |
Außenminister Wang Yi bei seiner Europa-Reise zu spüren. Von Chinas | |
Propaganda wurde die Tour als Charmeoffensive gepriesen, doch letztlich | |
war sie ein Fiasko. | |
## Trotz Trump gewinnt auch China keine Sympathien | |
[5][Von Oslo bis nach Rom hielt die europäische Seite nicht mit Kritik an | |
Peking hinterm Berg.] Vor allem provozierte die gleichzeitige Reise des | |
tschechischen Senatspräsidenten Miloš Vystrčil nach Taiwan, der aus Chinas | |
Sicht „abtrünnigen Provinz“. Außenminister Wang ließ sich darauf zu offe… | |
Drohungen hinreißen – und stellte damit zur Schau, warum es Chinas | |
Regierung trotz eines US-Präsidenten namens Trump nicht gelingt, | |
internationale Sympathien zu gewinnen. | |
Die EU scheint sich inzwischen im Klaren zu sein, wie wichtig eine geeinte | |
China-Politik ist – schließlich ist Europa Pekings wichtigster Absatzmarkt. | |
Und Chinas Regierung braucht die EU als politischen Partner für ihren | |
Aufstieg zur Weltmacht. | |
Doch wäre es nicht im europäischen Interesse, sich von Washington | |
einspannen zu lassen und einen erneuten Kalten Krieg herbeizubeschwören. | |
Zugleich sind auch die Zeiten vorbei, in denen ausschließlich | |
wirtschaftliche Interessen die europäische China-Politik bestimmen. | |
Zu beachten ist jedoch, dass sich in die Psyche von Chinas Kadern das | |
Trauma der Kolonialzeit tief eingebrannt hat. Wer seine China-Kritik | |
oberlehrerhaft formuliert, erreicht unter Xi nur sturen Trotz. | |
14 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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