# taz.de -- Proteste in China: Mongolisch unter Druck | |
> In der Inneren Mongolei soll der Schulunterricht früher als bisher auf | |
> Mandarin stattfinden. Eltern, Lehrer und Schüler laufen dagegen Sturm. | |
Bild: Schülerinnen in Hohhot, Innere Mongolei, zu Beginn des neuen Schulhalbja… | |
PEKING taz | In der Inneren Mongolei, einer autonomen Region im Norden | |
Chinas, sind die Behörden alarmiert: Etliche Lokalregierungen haben | |
Fahndungsfotos von Demonstranten publiziert, grobkörnige Aufnahmen von | |
öffentlichen Überwachungskameras. Auf die mutmaßlichen „Unruhestifter“ h… | |
der Sicherheitsapparat Belohnungsprämien von umgerechnet 130 Euro | |
ausgesetzt. „Jeder, der sich auf öffentlichen Plätzen versammelt, wird von | |
der Polizei untersucht“, heißt es in einer offiziellen Notiz. | |
Tatsächlich kam es in den vergangenen Wochen zu den wohl heftigsten | |
Protesten unter der mongolischen Minderheit seit Jahren. Laut Angaben des | |
„Southern Mongolian Human Rights Information Center“ mit Sitz in New York | |
sind tausende Schüler, Lehrer und Eltern auf die Straße gezogen. Auf | |
Videos, die in sozialen Medien zirkulieren, protestieren wütende | |
Demonstranten vor Schulgebäuden. Etliche Eltern sollen ihre Kinder davon | |
abgehalten haben, zur Schule zu gehen. | |
Anstoß der – in China äußerst selten vorkommenden – Proteste ist eine | |
überraschend eingeführte Bildungspolitik der Zentralregierung. Demnach | |
solle der Unterricht in Grund- und Mittelschulen schon früher als bisher | |
auf Mandarin abgehalten werden, dem Hochchinesisch der | |
Mehrheitsbevölkerung. „Unsere Sprache wird langsam verschwinden – die | |
Eltern der Schüler sind daher besorgt“, zitiert das Wall Street Journal | |
eine Textilverkäuferin aus der Stadt Xilinhot. | |
Tatsächlich führt die chinesische Regierung unter Präsident Xi Jinping | |
einen zunehmend offensiveren Kurs gegen die Minderheiten des Landes, sich | |
in die Gesellschaft stärker einzugliedern. Dabei geht es sowohl darum, die | |
soziale Durchlässigkeit zu fördern als auch für mehr Patriotismus zu | |
sorgen. „Alle ethnischen Gruppen müssen sich eng umarmen wie die Samen | |
eines Granatapfels“, lautet ein vielzitierter Propaganda-Slogan von Xi. | |
## Versuch der Zwangsassimilierung | |
Als Außenstehender fällt es schwer, die Aufregung um das bilinguale | |
Schulprogramm nachzuvollziehen. Doch Kritiker sehen darin einen möglichen | |
Versuch der Zwangsassimilierung der ethnischen Mongolen innerhalb der | |
Volksrepublik. Die Anzahl an Schulen, die noch auf Mongolisch unterrichten, | |
ist in den letzten Jahren bereits deutlich gesunken. | |
Das Thema löst vor allem deshalb starke Emotionen aus, weil die | |
Zentralregierung auch in den Minderheitenregionen Tibet und Xinjiang | |
ähnliche Bildungsprogramme eingeführt hat, die zeitgleich von einer | |
repressiven Politik begleitet wurden. | |
In Xinjiang wurden nach NGO-Schätzungen hunderttausende [1][muslimische | |
Uiguren] in Internierungslager gesperrt, die Peking als | |
„Ausbildungszentren“ betrachtet. Von daher sind Ängste durchaus | |
verständlich, dass die Zentralregierung auch in der Inneren Mongolei | |
versuchen könnte, die tolerierten Grenzen für die Ausübung der mongolischen | |
Kultur immer enger zu ziehen. | |
Die Proteste haben sich vor allem im Internet abgespielt, wo Lehrer, Eltern | |
und Schüler Petitionen gegen das bilinguale Bildungsprogramm unterschrieben | |
haben. Die Behörden haben mit massiver Härte reagiert: Eltern, die ihre | |
Kindern von der Schule fern hielten, wurden Kündigungen angedroht. Viele | |
von ihnen mussten Schweigegelübde unterschreiben, sich nicht mehr gegen das | |
bilinguale Schulprogramm auszusprechen. | |
## Erhöhte Polizeipräsenz | |
Die Polizeipräsenz rund um Schulgebäude in der Inneren Mongolei ist dieser | |
Tage deutlich erhöht. Ausländische Journalisten, die sich dort zu | |
Recherchen aufhalten, werden auf Schritt und Tritt verfolgt. Eine | |
Reporterin der L.A. Times wurde auf eine Polizeiwache gebracht und der | |
Provinz verwiesen. Demonstranten drohen zudem mehrjährige Haftstrafen. | |
Die Innere Mongolei, ein dünn besiedeltes Steppengebiet, ist fast viermal | |
so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Dort leben knapp sechs | |
Millionen ethnische Mongolen, rund doppelt so viel wie in der Mongolei | |
selbst. Dennoch sind sie in der Inneren Mongolei selbst zur Minderheit | |
geworden, acht von zehn Einwohnern sind Han-Chinesen. | |
Relativ explizite Unterstützungsbekundungen kommen von der mongolischen | |
Politik: „Die Muttersprache zu lernen und zu benutzen, ist ein | |
unveräußerliches Recht für alle. Die Wahrung dieses Rechts ist eine | |
Möglichkeit für China, eine respektable und verantwortungsvolle Macht zu | |
sein“, hat etwa der ehemalige Präsident Tsachiagiin Elbegdordsch auf seiner | |
Facebook-Seite gepostet. | |
5 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Minderheiten-in-China/!5661414 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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