| # taz.de -- Neue dystopische Serie bei Netflix: Was machen die da eigentlich? | |
| > In „Biohackers“ soll alles ganz schnell gehen und Spannung erzeugt | |
| > werden. Schade, denn mehr zu verstehen wäre beim Thema Gentechnik nicht | |
| > verkehrt. | |
| Bild: Schauspielerin Jessica Schwarz mimt die böse Star-Biologin Tanja Lorenz | |
| „Mach sie gesund, versprich es!“, fleht ein kleines Mädchen, deren Mutter | |
| im überfüllten ICE soeben bewusstlos geworden ist. Eine junge Frau versucht | |
| zu helfen, doch kurz darauf fallen auch die anderen Reisenden nacheinander | |
| zu Boden, bis niemand mehr zu leben scheint. | |
| Dystopische Szenen wie diese haben dazu geführt, dass der geplante | |
| Sendestart der neuen Netflix Serie „Biohackers“ von Regisseur Christian | |
| Ditter („Türkisch für Anfänger“) von April dieses Jahres auf vergangenen | |
| Donnerstag verlegt wurde. Zu groß war die Sorge, dass Parallelen zur | |
| Coronapandemie gezogen und die Zuschauer*innen verstört werden könnten. | |
| Hauptperson ist Mia Akerlund (Luna Wendler, „Das schönste Mädchen der | |
| Welt“, „Dem Horizont so nah“), Erstsemester der Medizin, die zu Beginn der | |
| Serie in eine quirlige Freiburger WG zieht. Kurz darauf sehen wir sie in | |
| ihrer ersten Vorlesung bei Star-Professorin Tanja Lorenz (Jessica Schwarz, | |
| „Das Lied in mir“), einer Koryphäe auf dem Gebiet der synthetischen | |
| Biologie, die den unbedarften Studierenden sogleich zuruft: „Wir machen | |
| Gott obsolet.“ | |
| ## Spiel mit dem Feuer | |
| Schnell stellt sich heraus, dass Lorenz zu den Bösen gehört und illegalen | |
| Gen-Experimenten in ihrem privaten Labor nachgeht. Dennoch will Mia | |
| unbedingt für sie arbeiten, denn sie möchte den mysteriösen Tod ihres | |
| Bruders aufklären, hinter dem sie Lorenz vermutet. | |
| Getrieben von ihrem Wunsch nach Rache, wird Mia innerhalb kürzester Zeit | |
| studentische Hilfskraft der Dozentin und bandelt zusätzlich mit Lorenz’ | |
| Mitarbeiter Jasper (Adrian Julius Tillmann) an. So bekommt sie Einblick in | |
| die illegale Welt der Gen-Manipulationen und des Bio-Hacking. Doch schnell | |
| stellt sich heraus, dass es ein Spiel mit dem Feuer ist, und Mia muss sich | |
| entscheiden, wenn sie eigentlich retten will. | |
| Der wissenschaftliche Ansatz und das Thema der dunklen Seiten der | |
| Genforschung sind interessant und wichtig, doch verspielt die Serie ihr | |
| Potenzial. Angekündigt als Sci-Fi-Thriller, wirken die sechs Folgen eher | |
| wie eine Teen- oder Coming-of-Age Serie. Die Story ist vorhersehbar, die | |
| Charaktere bleiben facettenarm. | |
| ## Über Leichen gehen | |
| Mias Mitbewohner*innen überbieten sich an Klischeehaftigkeit: Sie sollen | |
| die Spannung durch ihre klamaukigen Gags entzerren – blöd nur, wenn es kaum | |
| Spannung gibt. Da ist die überdrehte und stets halbnackte Lotta (Caro | |
| Cult), der Nerd Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer), der an sich selbst | |
| sogenanntes Bodyhacking betreibt, und die Biologin Chen-Lu (Jing Xiang), | |
| die extraschnell redet und Experimente an Pflanzen durchführt. | |
| Und dann ist da ja noch die Professorin – Typ: eiskalte, aber eigentlich | |
| sehr einsame Karrierefrau, die über Leichen geht. Ihr Charakter ist so | |
| eindimensional aufgezogen, dass selbst Jessica Schwarz, obwohl sie ihr | |
| Bestes gibt, im Stereotyp bleibt. | |
| Zusätzlich ist es so, dass die Zuschauer*innen, was das Inhaltliche angeht, | |
| etwas alleingelassen werden. [1][Begriffe wie Biohacking,] | |
| Gen-Manipulationen und synthetische Biologie fliegen einem nur so um die | |
| Ohren, aber wirklich erklärt und voneinander abgegrenzt werden sie nicht. | |
| So dass man sich zur Hälfte der Serie etwas ratlos fragt: Was machen die da | |
| eigentlich genau? | |
| ## Mehr Tiefe, bitte | |
| Eine der großen Schwächen der Serie ist die Hektik, mit der von Szene zu | |
| Szene gehetzt und versucht wird, viel Material in sechs kurze Folgen zu | |
| pressen. Auch deshalb bleiben die einzelnen Figuren so flach, Dialoge und | |
| Spiel so hölzern. | |
| Trotzdem schaut man den „Biohackers“ bis zum bitteren Ende zu. Denn gerade | |
| durch die konventionelle Erzählweise kann man die Serie einfach so | |
| „wegsnacken“, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Ob es eine zweite | |
| Staffel geben wird, wurde noch nicht offiziell bestätigt, wäre aber | |
| wünschenswert, um Handlung und Personen etwas mehr Tiefe zu geben. | |
| Die sechs Episoden von „Biohackers“ laufen seit 20. August [2][auf | |
| Netflix]. | |
| 21 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Biohacking-als-internationale-Bewegung/!5202105 | |
| [2] /Nominierungen-fuer-Fernsehpreis-Emmy/!5699432 | |
| ## AUTOREN | |
| Maleen Harten | |
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