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# taz.de -- Anthologie-Serie „Solos“: Viel Lärm um das Nichts
> „Solos“ will über das Menschsein reflektieren. Die Serie scheitert
> allerdings daran, eine Verbindung zu den Zuschauenden aufzubauen.
Bild: Leah (Anne Hathaway) will mithilfe des Cauchy-Horizonts durch die Zeit re…
„Stell dir vor, du triffst dich selbst. Wen siehst du?“ „Wie weit würdest
du reisen, um dich selbst wieder zu finden?“ „Wünschst du dir, den
schlimmsten Tag deines Lebens ungeschehen zu machen?“ Mit
bedeutungsschwangeren Fragen wie diesen eröffnet jede der sieben Folgen der
neuen Anthologie-Serie „Solos“ auf Prime Video. Angesiedelt in der nahen
Zukunft, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Bedeutung des Menschseins
zu ergründen.
Dass sie gerade jetzt erscheint, ist kein Zufall. Sie ist ein Kind der
Pandemie, durch und durch: Die jeweils in sich abgeschlossenen Geschichten
erzählen allesamt vom Gefühl der Isolation, der Einsamkeit und des
Verlorenseins. Diese Gefühle, die während der Lockdowns eine traurige
Hochkonjunktur erfuhren, sollen wiederum von nahezu vollständig isolierten
Schauspieler*innen in etwa halbstündigen Monologen transportiert
werden.
Das Konzept klingt verlockend, es geht nur leider selten auf. Das liegt vor
allem daran, dass die von David Weil („Hunters“) konzipierte und
größtenteils geschriebene Serie ihre Zugehörigkeit zum dystopischen
Sci-Fi-Genre allzu ernst nimmt.
Ähnlich wie die ebenfalls kürzlich bei Amazon Prime erschienenen Serie
[1][„Soulmates“] – die eine Zukunft entwirft, in der Menschen über ihre …
die*den perfekten Lebenspartner*in finden können – sind Stimmung und
Set steril gehalten. Die Einrichtungen mögen hell gestaltet, die Möbel auf
Hochglanz poliert und weiß sein, für die Lebensqualität im Morgen sehen die
Drehbücher ausschließlich schwarz.
Der Versuch, so die Verzweiflung, die viele Menschen während der Pandemie
empfanden, einzufangen, wirkt forciert, überbordend und führt letztlich zu
vorhersehbaren Geschichten: Tom (Anthony Mackie) etwa sitzt einem nach
seinem Ebenbild geschaffenen Roboter gegenüber. Er erzählt, dass er seiner
Adoptivtochter abends vorlesen soll und sinniert darüber, dass er selbst
die Blähungen seiner Frau vermissen werde.
## Eine uninspirierte Produktion mit Stars am Set
Zum Zeitpunkt, als eröffnet wird, dass er an einer tödlichen Krankheit
leidet und bald sterben wird, ist das bereits längst klar. Davon, eine
emotionale Bindung zu den Zuschauenden aufzubauen, ist man hingegen noch
weit entfernt.
Nach diesem leicht zu durchschauenden Schema funktionieren alle Episoden:
Die Protagonist*innen finden sich in einer konkreten Situation wieder,
erst nach und nach wird ein vermeintliches Geheimnis entwirrt und die
tatsächlichen Motive der Vortragenden werden sichtbar – der erhoffte
Überraschungseffekt bleibt meist aus, kann man sich doch sicher sein, dass
die Wendung denkbar negativ ausfällt. „Solos“ gibt sich große Mühe,
möglichst viel Lärm um das Nichts zu machen.
Die mit Abstand intensivste Begegnung ist jene mit Leah ([2][Anne
Hathaway]) sowie ihrem Vergangenheits- und Zukunfts-Ich. Im Keller ihres
Elternhauses arbeitet sie an einer Möglichkeit, in die Zukunft zu reisen.
Als sie es schafft, tatsächlich mit einer weiteren Version ihrer selbst
Kontakt aufzunehmen und dorthin aufbrechen will, offenbart ihr die
vermeintliche Vergangenheits-Leah, dass sie eigentlich ihre ältere Version
ist und um ihre Motivation weiß: Ziel ihrer Ambitionen ist es nicht etwa,
wie behauptet, ein Mittel gegen ALS zu finden, um ihre täglich körperlich
abbauende Mutter zu heilen – sondern vor ihr, der Tristesse und
Ausweglosigkeit zu fliehen.
Dass es tatsächlich gelingt, eine Verbindung zu den ansonsten so weit
entfernten Figuren aufzubauen, liegt vor allem am herausragenden Spiel
Hathaways, das über Schwächen im Skript hinwegzutrösten vermag.
Am Ende fragt man sich, wie es der uninspirierten Produktion gelingen
konnte, derart viele erstklassige Schauspieler*innen zu akquirieren –
auch Morgan Freeman, [3][Uzo Aduba] und Helen Mirren versuchen, den holprig
geschriebenen Monologen tatsächlich einen Funken Menschlichkeit
einzuhauchen. Und schließlich fragt man sich, warum die zentrale Erkenntnis
einer Serie, die sich zu Coronazeiten mit der Conditio humana beschäftigt,
einen so fatalistischen Schluss ziehen möchte: Wir sind alle verloren in
Zeit und Raum.
25 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/Streaming-Kritik-zu-Soulmates-a…
[2] /Roald-Dahls-Hexen-hexen-neu-verfilmt/!5727544
[3] /4-Staffel-von-Orange-Is-the-New-Black/!5310699
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Miniserie
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