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# taz.de -- Verfassungsbeschwerde abgelehnt: Containern bleibt strafbar
> Das Bundesverfassungsgericht hat keine Einwände gegen die strafrechtliche
> Verfolgung von Lebensmittelrettern. Die Urteile seien nicht willkürlich.
Bild: Da ist der Wurm drin: Altobst mitnehmen kann strafbar sein, sagt das Verf…
Karlsruhe taz | [1][Wer Lebensmittel aus dem Abfallcontainer eines
Supermarkts holt], kann auch künftig wegen Diebstahls bestraft werden. Das
hat jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden und die Klage von zwei
bayerischen Studentinnen abgelehnt.
Franziska Schmitt und Caroline Kuhn waren 2018 von der Polizei auf dem
Gelände eines Edeka-Markts in Olching (bei München) erwischt worden. Sie
waren gerade dabei, aus dem Abfallcontainer Joghurts, Obst und Schokolade
zu holen. Den verschlossenen Behälter hatten sie mit einem
Vierkantschlüssel geöffnet.
Das [2][Amtsgericht Fürstenfeldbruck sprach dafür eine Verwarnung aus.]
Geldstrafen in Höhe von je 225 Euro (15 Tagessätze) wurden zur Bewährung
ausgesetzt. Als Auflage mussten die beiden acht Stunden gemeinnützige
Arbeit leisten. In der Sprungrevision bestätigte das Bayerische Oberste
Landesgericht das Urteil.
Die beiden Studentinnen sehen das Containern als politische Aktion gegen
Lebensmittelverschwendung. Wenn in Deutschland die Hälfte der Lebensmittel
weggeworfen werde, führe dies zu einer unnötigen Belastung des Klimas. Mit
Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) erhoben sie
Verfassungsbeschwerde.
## Studentinnen wollten Freispruch mit Signalwirkung
Das Retten weggeworfener Nahrung sei nicht sozialschädlich. Die
Strafgesetze müssten im Sinne des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen
(Artikel 20a Grundgesetz) ausgelegt werden.
Eine Kammer mit drei VerfassungsrichterInnen lehnte nun jedoch die Klage
ab. Der Gesetzgeber könne auch wertloses Eigentum strafrechtlich gegen
Diebstahl schützen, zum Beispiel Lebensmittel jenseits des
Haltbarkeitsdatums. Das Interesse der Supermärkte, unverkäufliche und
möglicherweise verdorbene Lebensmittel zu vernichten, um Haftungsrisiken zu
vermeiden, sei zu akzeptieren, so die Richter.
Die Grundentscheidung, ob [3][Containern] strafbar sein soll, müsse der
Gesetzgeber treffen, betonten die Verfassungsrichter. Bisher habe der
Bundestag Initiativen zur Entkriminalisierung des Containerns ausdrücklich
abgelehnt. Eine andere Entscheidung sei, auch mit Blick auf den Schutz der
natürlichen Ressourcen, aber durchaus möglich.
Ob der Supermarkt noch Eigentümer der ausgesonderten Lebensmittel ist oder
ob diese „herrenlos“ sind, müssten die Strafgerichte im Einzelfall
entscheiden. Im Olchinger Fall, so die Verfassungsrichter, sei der
Container auf dem Firmengelände von Edeka gestanden (also nicht im
öffentlichen Raum) und abgeschlossen gewesen. Dies spreche gegen eine
Besitzaufgabe. Die bayerischen Strafurteile seien nicht willkürlich,
sondern beruhten auf „sachgemäßen und nachvollziehbaren Erwägungen“, so
Karlsruhe.
Die Strafgerichte könnten die geringe Schuld und die moralische Intention
der Aktivisten bei der Strafzumessung berücksichtigen, betonten die
Verfassungsrichter. Auch eine Einstellung des Verfahrens sei möglich. Die
beiden Studentinnen hatten eine Einstellung abgelehnt, weil sie einen
Freispruch mit Signalwirkung erreichen wollten.
„Der Ball liegt jetzt beim Deutschen Bundestag“, sagte der Abgeordnete
Niema Movassat (Linke). Im Bundestag haben Linke und Grüne bisher erfolglos
beantragt, das Containern zu entkriminalisieren.
Auch die Konferenz der Justizminister hatte sich 2019 gegen eine
Legalisierung des Containerns ausgesprochen und einen entsprechenden Antrag
von Till Steffen, des damaligen grünen Justizsenators von Hamburg,
abgelehnt. „Wir wollen nicht, dass sich Menschen in eine solche
menschenunwürdige und hygienisch problematische Situation begeben“, sagte
damals Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU).
(Az.: 2 BvR 1985/19)
18 Aug 2020
## LINKS
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[3] /Lebensmittelverschwendung/!5596642
## AUTOREN
Christian Rath
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