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# taz.de -- Umweltaktivistin über ihre Selbstanzeige: „Wir fordern ein Essen…
> Umweltaktivistin Melanie Guttmann geht containern und hat sich deswegen
> selbst angezeigt. Am Samstag wollen es ihr andere nachtun.
Bild: Zu viele Lebensmittel bleiben übrig und werden weggeschmissen
taz: Frau Guttmann, Sie haben sich am 8. Januar bei der Polizei selbst
angezeigt, weil Sie Essen aus einem Müllcontainer entnommen haben. Das ist
strafbar. Es gibt auch ein Video von Ihrer Selbstanzeige. Warum haben Sie
das gemacht?
Melanie Guttmann: Lebensmittel werden in Deutschland immer teurer, die
Menschen durch Pandemie und Inflation immer ärmer. 1,6 Millionen Menschen
sind darauf angewiesen, sich Essen bei der Tafel abzuholen. Auf der anderen
Seite werden [1][in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich
weggeworfen], vieles davon noch genießbar. Das Wegwerfen all dieser
Lebensmittel ist legal. Das Ziel der Aktion war, auf diese Absurdität
hinzuweisen: Es werden sehr viele Lebensmittel weggeworfen, die dringend
benötigt werden.
Und warum das Mittel der Selbstanzeige?
Es gibt auch viele andere Möglichkeiten, auf das Thema aufmerksam zu
machen. Doch die Selbstanzeige zeigt auf, wie absurd es ist, dass [2][das
Retten von Lebensmitteln aus dem Müll illegal] ist. Es verursacht keinen
Schaden. Das wollte ich durch das bewusste Brechen des Gesetzes und die
Selbstanzeige aufzeigen.
Wie hat die Polizei reagiert?
Zunächst verwundert und belustigt. Es kommt anscheinend nicht häufig vor,
dass sich Menschen selbst anzeigen, vor allem wegen so einer Sache. Die
Polizist*innen vor Ort haben klargestellt, dass egal was sie moralisch
davon halten, sie verpflichtet sind, diese Anzeige aufzunehmen.
Und dann?
Ich habe einen Brief bekommen, dass ich wegen Diebstahls angezeigt bin. Das
ist in Deutschland eine Straftat. In dem Brief steht auch, dass die
Schadenshöhe 0 Euro beträgt. Trotzdem wurde das Verfahren eröffnet und ich
wurde gebeten, mich dazu zu äußern.
Wie wollen Sie reagieren?
Ich werde sagen, dass ich es absurd finde, dass das Retten von
Lebensmitteln verboten ist. Doch werde ich mich dem Verfahren stellen und
abwarten, was für eine Strafe mich erwartet.
Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie?
Ich rechne mit Sozialstunden oder einer Geldstrafe. Es ist schon ein
mulmiges Gefühl, dass mir eine Straftat vorgeworfen wird. Ich bin aber
überzeugt, dass das, was ich tue, moralisch richtig ist. Die Angst vor den
Repressionen ist kleiner als die Angst davor, dass wir nicht lernen, mit
Lebensmitteln ordentlich umzugehen und dementsprechende Gesetze haben.
Warum ist Containern überhaupt verboten?
Der Inhalt der Mülltonnen, solange diese bei den Supermärkten stehen, gilt
als deren Besitz. Selbst wenn offensichtlich ist, dass sie sich des Inhalts
entledigen wollten. Es gab mehrere Versuche, Containern zu legalisieren.
Diese sind aber gescheitert. In Frankreich gibt es ein Gesetz, das
Supermärkte verpflichtet, solche Lebensmittel zu spenden oder den Menschen
umsonst zur Verfügung zu stellen. Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen
müssen.
Das Gesetz in Frankreich beantwortet also die Frage, wie man es besser
machen kann?
Genau. Als Gruppe „Letzte Generation“ fordern wir, ein Essen-retten-Gesetz
einzuführen. Es gibt bereits einen Gesetzentwurf von „GermanZero“. Die
Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag geschrieben, dass sie etwas gegen
Lebensmittelverschwendung tun möchte. Wir fordern, dass das zeitnah und
konsequent geschieht.
Auch dieses Wochenende soll es wieder Selbstanzeigen geben. Dafür
mobilisiert die Gruppe „Letzte Generation“. Weitere Menschen folgten dem
Aufruf bereits, auch der [3][Jesuitenpater Jörg Alt hat sich selbst
angezeigt]. Wollt ihr die Selbstanzeige zum Massenphänomen machen?
Die Selbstanzeige beim Containern ist ein Vorspiel. Es erzeugt
Aufmerksamkeit. Die Gruppe will Ende des Monats in den Aufstand der letzten
Generation starten. Dafür sind Autobahnblockaden in ganz Deutschland
angekündigt. Das geschieht, weil das Mittel der Selbstanzeige bisher nicht
ausreicht, um genügend politischen Druck für Veränderung zu erzeugen.
Was planen Sie konkret?
Ungefähr 30 bis 50 Menschen werden immer wieder Autobahnen blockieren. Wir
fordern von der Bundesregierung, dass ein Essen-retten-Gesetz umgesetzt
wird. Sobald die Regierung das Versprechen gibt, dass es dieses Gesetz
geben wird, hören die Aktionen auf.
22 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ernaehrung-konsum/lebensm…
[2] /Minister-Oezdemir-zu-Lebensmittel-Spenden/!5825486
[3] /Jesuitenpater-ueber-Essensverschwendung/!5825609
## AUTOREN
Enno Schöningh
## TAGS
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