# taz.de -- Medienstaatsvertrag und Onlinemedien: Neue Medien, neue Räte? | |
> Journalistische Onlinemedien gelten nicht so recht als Presse. | |
> „Correctiv“-Gründer David Schraven wünscht sich eine ergänzende Instanz | |
> zum Presserat. | |
Bild: Zeit für was Neues | |
Im Oktober tritt [1][der neue Medienstaatsvertrag] in Kraft. Besonders ist | |
an ihm schon allein, dass der nicht mehr wie früher „Rundfunkstaatsvertrag“ | |
heißt, obwohl es natürlich weiterhin vor allem um ARD, ZDF, Privatsender | |
und Landesmedienanstalten geht. Es handelt sich also um einen großen Sprung | |
zurück in die Zukunft. Also die mediale Realität. | |
Noch wichtiger ist, dass dieser Medienstaatsvertrag erstmals auch konkrete | |
Spielregeln für Streamingdienste, Onlineplattformen und die allseits | |
beliebten [2][„Intermediären“] wie Google, Youtube oder Instagram enthält. | |
Das ist dann mal wirklich ein großer Wurf. | |
Zu Recht haben die „klassischen“ Sender und Medienunternehmen in den | |
vergangenen Jahren immer wieder kritisiert, dass sie extrem eng | |
beaufsichtigt und reguliert werden. Wer als neuer Player am Markt dagegen | |
in den gewundenen Paragrafen des Rundfunkstaatsvertrags nicht vorkam, war | |
fein raus. Nun soll das „Level Playing Field“, also gleiches Recht für | |
alle, Realität werden. Und bevor das Ganze jetzt wieder zerredet wird, | |
sollten wir besser mal abwarten, ob und wie sich diese Regelungen in der | |
Praxis bewähren. | |
An einer neuen Vorschrift scheiden sich allerdings schon jetzt die Geister. | |
Dabei geht es in der gar nicht um die großen Anbieter. Schon gar nicht um | |
die bislang kaum regulierten Gafa-Konzerne (Google, Apple, Facebook, | |
Amazon). Sondern um Angebote wie netzpolitik.org, Correctiv und alle | |
anderen journalistischen Spielarten im Netz, die keine reinen Ableger einer | |
Zeitung oder Zeitschrift sind. Denn die sind in der Sprache des | |
Medienstaatsvertrags „journalistisch-redaktionell gestaltete Telemedien, in | |
denen regelmäßig Nachrichten oder politische Informationen enthalten sind“. | |
Und diese müssen sich demnächst inhaltlich stärker einer Kontrolle ihrer | |
Sorgfaltspflichten unterwerfen. | |
Das kann zum einen über den Deutschen Presserat geschehen. Die von den | |
Journalistengewerkschaften und Verlagen getragene Selbstkontrolle der | |
deutschen Zeitungen und Zeitschriften wacht über die Einhaltung des | |
Pressekodex und kümmert sich seit einigen Jahren auch um | |
Online-only-Angebote. Daneben macht der neue Staatsvertrag noch einen | |
anderen Weg auf: „ Anbieter […], die nicht der Selbstregulierung durch den | |
Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates | |
unterliegen, können sich einer […] anerkannten Einrichtung der Freiwilligen | |
Selbstkontrolle anschließen“, heißt es im Medienstaatsvertrag. | |
## Verfahren kaum zu stemmen | |
Für Correctiv-Gründer und Publisher David Schraven liegt allerdings genau | |
hier die Krux: „Wir lehnen das Prinzip natürlich überhaupt nicht ab. Dass | |
man sich zu sauberer Arbeit verpflichtet und journalistische Standards | |
einhält, versteht sich von selbst.“ Schraven sieht aber Probleme in den | |
jetzt vorgesehenen Vorschriften zur Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten. | |
„Die Verfahren beim Presserat sind gerade für kleine Organisationen, | |
geschweige denn zum Beispiel für eine einzelne Blogger*in, kaum zu stemmen. | |
Das ist ein ungeheurer formaler Aufwand, der für große Redaktionen und | |
Verlagsjustiziariate geschaffen wurde.“ Kleinere Einheiten wären da nur | |
nicht mit dem Beschwerdeverfahren beschäftigt – „die brauchten dann auch | |
eine juristische Abteilung“, so Schraven. Außerdem sei der Presserat mit | |
netzspezifischen Verfahren wie Crowd-Recherchen nicht vertraut. „Die | |
konzentrieren sich, wie der Name Presserat schon sagt, auf ihre | |
Kernkompetenz. Und das passt auch.“ | |
Die bestehenden anderen Selbstkontrollorganisationen im Netz wie die | |
Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) sind laut | |
Schraven aber auch keine Alternative. „Das wäre ein recht grober Kamm, der | |
den einzelnen Angeboten nicht gerecht wird.“ Um der Vielfalt der im | |
weitesten Sinne journalistischen Spielarten im Netz gerecht zu werden, gibt | |
es für den Correctiv-Frontmann daher nur eine Lösung: „Wir müssen eine | |
eigene Selbstkontrolle gründen.“ Eine Liste mit Kriterien dafür steht | |
ebenfalls [3][im neuen Medienstaatsvertrag – Paragraf 19, Absatz 4]. | |
7 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Medienstaatsvertrag-beschlossen/!5644377 | |
[2] /Nachrichten-via-soziale-Netzwerke/!5624925 | |
[3] https://www.verkuendung-bayern.de/gvbl/2020-450/ | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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