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# taz.de -- Neue Empfehlungen für die taz: Besser übers Klima schreiben
> Als erstes Medienhaus in Deutschland gibt sich die taz eine klimagerechte
> Sprache. Denn das Sein bestimmt auch das Klimabewusstsein.
Bild: Dürre in Kenia: Ist das Wandel oder Krise?
Die taz ist nicht nur für Klimagerechtigkeit – die taz gibt sich als erstes
Medienhaus in Deutschland ab sofort auch eine klimagerechte Sprache.
RedakteurInnen der taz werden dabei keine Vorschriften gemacht, was sie wie
zu schreiben haben. Vielmehr bekommen sie Empfehlungen an die Hand, um
Texte rund ums Klima noch prägnanter, noch besser zu gestalten.
Sprache verändert sich. Deshalb gibt es [1][das Binnen-I oder das
Gendersternchen] – und nun die klimagerechte Sprache. Denn: Das Sein
bestimmt auch das Klimabewusstsein. Die taz geht in diesem Punkt nach
vorne, damit sich mehr Menschen darüber Gedanken machen, wie man mit
präziseren Begriffen über die menschengemachte Klimaveränderung diesem
Megathema noch besser gerecht werden kann.
Zum Beispiel: Warum schreiben wir eigentlich Erderwärmung und nicht
Erderhitzung? Ist die Idee eines sich kuschelig erwärmenden Planeten nicht
viel zu beschönigend, wenn man daran denkt, dass sich Wüsten bilden und
Menschen und Tiere wegen der Hitze keine Lebensgrundlagen mehr finden? Wer
genauer über die Sprache in der Klimaberichterstattung nachdenkt, kann
genauer formulieren.
„Der bisherige journalistische Umgang mit dem Klima war in vielen Medien zu
monoton, ungenau, verharmlosend, vielleicht sogar unzutreffend und sicher
nicht ausreichend publikumswirksam und verständlich“, sagt Torsten Schäfer,
Professor für Journalismus an der Hochschule Darmstadt. Er hat selber fast
20 Jahre Erfahrung im Umweltjournalismus, lehrt und forscht zum Thema
Klimakommunikation. Nun hat Schäfer, angelehnt an Vorbilder aus dem
angelsächsischen Raum, für die taz [2][ein Konzept für eine klimagerechte
Sprache] erstellt. Seine Botschaften: Viel ist beim Schreiben und Reden
übers Klima möglich, nur wenig wirklich kritisch. (Kai Schöneberg)
## Klimawandel
Medien [3][wie der britische Guardian] oder auch AktivistInnen verweisen
darauf, dass der Terminus „Klimawandel“ zu schwach und zu passiv
daherkommt. Für Kritiker steht sein „Framing“ für den natürlichen
Klimawandel und nicht den menschengemachten, für eine sanfte Veränderung
(Wandel) statt schlimmerer Entwicklungen (Krise, Chaos). Klimawandel
suggeriere zudem einen linearen Verlauf des Geschehens. Diese Argumentation
übersieht jedoch einen entscheidenden Punkt, der für die
Kommunikationswissenschaft einer der wichtigsten Nachrichtenfaktoren ist:
die Etablierung.
„Klimawandel“ ist als Wort weithin bekannt, gelernt, genutzt, für die
Kommunikation ein großer Vorteil. Mit seiner Etablierung fand im Laufe der
Zeit eine Deutung statt im Hinblick auf eine riskante, gefährliche und –
mittlerweile valide erforscht und mehrheitlich debattiert – vor allem
menschengetriebene Entwicklung. Die Contra-Argumente verkennen diese
Etablierung und behandeln das Wort, als sei es gerade neu auf die Agenda
gekommen.
Es gilt auch, über das Herstellen von Zusammenhängen zu sprechen. Denn
hinter dem Begriff „Klimawandel“ folgen meist Zahlen, Informationen und
Beispiele, die jeweils klarmachen, wie ernst die Lage ist. Es geht also
neben dem Klartext, den JournalistInnen im Kampf gegen Fachsprache,
Behördendeutsch und Start-up-Geschwurbel führen, um den Kontext. Und um den
Subtext, den das Framing einschließt.
## Klimanotstand
Viele Kommunen und sogar Länder haben weltweit den „Klimanotstand“
ausgerufen, der Begriff hat eine enge Anbindung an realen Widerstand vor
Ort. Er lässt aber auch an die deutschen Notstandsgesetze denken, was in
die Irre führt. Der Begriff des Notstands suggeriert auch, dass es um ein
zeitlich begrenztes und mit nur den richtigen politischen Mitteln (siehe
Notstandsgesetze der 1930er) schnell zu lösendes Problem geht. Allerdings:
Für sich und im individuellen Kontext gesehen kommt das Wort klar und stark
daher („Da gibt es einen großen Notstand“).
## Klimakrise
Häufiger im Gebrauch ist die „Klimakrise“. Der Klimawandel ist von seiner
Struktur her aber keine klassische Krise, die wir immer mit einem Ende,
einem Ausgang im Sinne einer absehbaren Lösung verbinden, die wieder in die
Normalität führt. Diese ist kaum mehr zu erreichen – der menschenbedingte
Klimawandel lässt sich samt seiner Auswirkungen nicht mehr zurückdrehen,
nur noch bremsen. Zeitlich geht es um Jahrzehnte und Jahrhunderte. Und es
gibt kein einheitliches, zu definierendes Ziel, das überall zum gleichen
Zeitpunkt erreicht wird. All dies widerspricht dem Terminus der „Krise“.
Sicher: Ein zeitliches Ziel könnte das 2-Grad-Ziel sein, das bis zum Ende
des 21. Jahrhunderts erreicht sein muss, mag man argumentieren. Und der
Beginn könnte die um 1750 einsetzende Industrialisierung sein, denn ab
diesem Zeitpunkt zeigen die Ablagerungen in Eisbohrkernen mehr
Treibhausgase in der Atmosphäre. Doch dann ergibt sich eine Strecke von 350
Jahren und somit eine Zeitspanne, die das landläufige Verständnis vom
Verlauf und der Dauer einer politischen oder wirtschaftlichen Krise bei
Weitem übersteigt. Dennoch: Der Begriff „Krise“ kann eine sinnvolle
Ergänzung sein, wenn er in den langfristigen, zeitlichen Kontext gesetzt
wird oder konkretere Bezüge hat, zum Beispiel bei einer „politischen
Klimakrise“.
## Klimakatastrophe, Klimachaos, Klimazusammenbruch:
Diese Begriffe haben eine weniger eindeutige Zeitlichkeit in sich als
„Krise“ oder „Notstand“. Einhergehend damit senden sie ebenfalls in ihr…
Subtext nicht die Botschaft einer sicheren Reparaturmöglichkeit oder
Lösungsperspektive aus. Daher scheinen sie unkomplizierter in der
Verwendung.
Weitere mögliche Begriffe – jeweils mit möglichen problematischen Subtexten
der Begriffe: Klimaproblem / Klimamissstand (Gegenargument: siehe
„Notstand“, „Krise“; schwache Wirkung), Klimabedrohung (Gegenargument: …
Bedrohung ist längst Realität; besser zu benutzen im Kontext kommender,
auch lokaler Klimafolgen), Klimasorge oder Klimaangst, Klimaversagen.
## Erderwärmung vs. Erderhitzung:
Die Erhitzung trifft das reale Geschehen in vielen Weltgegenden mit ihren
drastischen Folgen besser als die bloße Erwärmung. Daher ist hier die
Wortablösung unproblematisch, in der Botschaft klarer und angemessener.
Dennoch sollte man generell vorsichtig sein bei dem Willen, den Begriffen
eine größere Warnwirkung zu verleihen: [4][Katastrophenbotschaften gibt es
im Umwelt- und Klimajournalismus häufig]. Er wurde dafür vielfach
kritisiert. Dieser „Risikoframe“ scheint bisher nicht dazu beizutragen,
dass das Publikum den so verfassten Beiträgen hinterherrennt.
Vielleicht könnte eine Mischung zum Erfolg führen: Katastrophe und
Konstruktivität, Warnung und Zukunft, was in Beiträgen die Frage nach
vorhandenen, einsatzbereiten Lösungen, erst zu entwickelnden Ideen, Plänen
und Absichten sowie schon funktionierenden Erfolgen einschließt –
Elementen, die der Konstruktive Journalismus einschließt und mit der
W-Frage nach dem „Wohin“, dem klassischen Journalismus mit seinem Wer, Wo,
Wann, Was, Wie und Warum hinzufügen will.
## Klimaskeptiker
Hier ist eindeutig, dass eine Wortersetzung sinnvoll ist, auch wenn der
Begriff etabliert ist. Dies allerdings in weit geringerem Maße als
„Klimawandel“, dessen Verwendung auch nicht zu derart großen Problemen
führt wie bei den „Skeptikern“. Diese kommen im Tarnkleid einer
philosophischen Tugend daher, die positiv gedeutet wird im Hinblick auf die
Vernunft, Eigenständigkeit im Urteil, das Nachdenken und das ruhige
Überlegen, das der Skepsis innewohnt. So jemanden ruft man im Zweifel als
Journalist auch gern an, im Glauben an eine Ausgewogenheit der
Berichterstattung.
Gerade für die USA ist diese Tradition des „balanced reporting“, die auch
stark durch Zeit- und Personalmangel gefördert wird, untersucht. Sie hat
neben anderen Faktoren mit dazu geführt, dass Klima(wandel)leugner (der
bessere Begriff) oder Wissenschaftsleugner (etwas sperrig und genereller,
bedarf eigentlich einer breiteren Recherche hinsichtlich des gesamten
Wissenschaftsverständnisses einer Person und damit einer näheren
Beschäftigung mir ihr) in der US-Debatte über das Klima eine starke Rolle
haben. Es ist ja auch so, dass JournalistInnnen in ihrer
Politikberichterstattung nicht immer die Demokratiefeinde anrufen, um alle
Seiten abzudecken. (Torsten Schäfer)
6 Sep 2020
## LINKS
[1] /Inklusive-Sprache-in-Medien/!5688436
[2] /pdf/klimagerechtesprache.pdf
[3] https://www.theguardian.com/environment/2019/oct/16/guardian-language-chang…
[4] https://www.klimafakten.de/meldung/alarmismus-freund-oder-feind-der-klimako…
## AUTOREN
Kai Schöneberg
Torsten Schäfer
## TAGS
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