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# taz.de -- Annalena Baerbocks Autopläne: Das grüne Dilemma
> Ausgerechnet die Grünen wollen die Zulieferer der Autoindustrie retten.
> Das hat wenig mit ihren Grundsätzen zu tun, ist aber trotzdem richtig.
Bild: Eine Hälfte dieses Traumpaars will die Autoindustrie retten
Die Grünen hatten bisher wenig übrig für die klassische Automobilindustrie.
Im neuen Grundsatzprogramm wird eine „Verkehrswende“ gefordert, die eine
„individuelle Mobilität“ ermöglicht, „ohne ein eigenes Auto besitzen zu
müssen“.
Doch nun überrascht die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock mit der
Forderung, [1][dass Autozuliefererbetriebe staatliches Kapital erhalten
sollen], falls sie durch die Coronakrise existenziell gefährdet sind. Eine
Abkehr vom Auto sieht anders aus. Trotzdem ist Baerbocks Vorschlag richtig.
Wie immer man zum Auto steht: Momentan sind 800.000 Menschen direkt in der
Autoindustrie beschäftigt. Es würde eine schwere Krise auslösen, wenn diese
Arbeitsplätze wegfielen. Zudem wäre es ein gutes Geschäft für den Staat,
bei bedrängten Firmen einzusteigen. Dies zeigt das Beispiel des
US-Autobauers General Motors, der in der Finanzkrise ab 2007 ins Schlingern
geriet. Die GM-Rettung kostete den Staat zwar 12 Milliarden Dollar – aber
damit wurden in den USA direkt und indirekt 1,2 Millionen Arbeitsplätze und
knapp 35 Milliarden Dollar an jährlichen Steuereinnahmen gesichert.
Die Grünen machen also alles richtig; dennoch ist die Spannung zwischen
ihrer Realpolitik und dem Grundsatzprogramm nicht zu übersehen. Wenn es
künftig weniger Autos geben soll, um das Klima zu schonen, dann ist es
eigentlich Quatsch, jetzt noch alle Zulieferer zu retten.
## Alte Strukturen retten
Doch die Grünen befinden sich in einem Dilemma, für das noch niemand eine
Lösung hat: Sobald einzelne Branchen zusammenbrechen, droht ein Abschwung,
der sich durch die gesamte Wirtschaft frisst. Also muss man die bisherigen
Strukturen retten, obwohl sie sich nicht klimaneutral umbauen lassen.
Wie die Grünen künftig mit diesem Dilemma umgehen, wird noch spannend –
zumal einige Aktivisten von Fridays for Future angekündigt haben, [2][dass
sie für den Bundestag kandidieren wollen]. Die streikenden Schüler fremdeln
bisher mit der Realpolitik, weil sie viel zu langsam ist, um eine
gefährliche Erderwärmung zu verhindern. Diese Enttäuschung spiegelt sich in
dem zentralen Slogan von Greta Thunberg wider: „Hört endlich auf die
Wissenschaftler!“
Doch so einfach ist es leider nicht, wie sich nun daran zeigt, dass
ausgerechnet die Grünen für die Zukunft der Automobilindustrie kämpfen. Vor
40 Jahren haben sie als radikale Umweltschützer angefangen. Nun sind sie
Realpolitiker. Genau diesen Weg dürften auch die
Fridays-for-Future-Aktivisten gehen. Dazwischen liegt zwar mehr als eine
Generation, aber die Zwänge sind die gleichen.
7 Sep 2020
## LINKS
[1] /Vor-Autogipfel-in-Berlin/!5712530
[2] /Kampf-gegen-den-Klimawandel/!5706459
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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Bündnis 90/Die Grünen
Annalena Baerbock
Klima
Schwerpunkt Fridays For Future
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Robert Habeck
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