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# taz.de -- Folgen der Pandemie in Indien: Corona macht Inder depressiver
> Wegen der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen steigt in Indien die
> Suizidgefährdung. Doch es mangelt an Bewusstsein für psychische Probleme.
Bild: Mumbai: Der Gesundheitsdienst misst Fieber, kümmert sich aber nicht um p…
Mumbai taz | In der indischen Wirtschaftsmetropole Mumbai (Bombay) verkehrt
die notorisch überfüllte S-Bahn coronbabedingt weiterhin nur eingeschränkt.
Dennoch [1][registrierte die Bahngesellschaft dort jeden 10. Todesfall auf
den Schienen zwischen Januar und Juli als Suizid]. Im Vorjahreszeitraum
galt nur jeder 25. Fall als Suizid.
Meldungen aus [2][anderen Regionen Indiens] sowie die [3][Studie „Covid-19
Blues“] bestätigen, dass die Pandemie zu starken psychischen Belastungen
und einem Anstieg der Suizidgefährdung führt.
Kein Wunder: Im April haben laut dem Centre for Monitoring Indian Economy
122 Millionen InderInnen ihre Arbeit verloren. Erst etwas mehr als die
Hälfte von ihnen konnte seitdem wieder eine Beschäftigung aufnehmen.
Der Wunsch und Druck, aufzusteigen und gesellschaftlich akzeptiert zu
werden, ist in Indien groß. Schon vor der Coronakrise litt jedeR siebte
InderIn an einer psychischen Erkrankung.
## Mit der Pandemie wächst der Druck
„Durch die Pandemie sind die Menschen jetzt zusätzlichen großen Belastungen
ausgesetzt“, sagt der Mumbaier Psychiater Harish Shetty der taz.
Wirtschaftliche und soziale Ängste würden zunehmen, auch Stress oder Sorgen
um erkrankte Angehörige. Hinzu kommt Trauer um Covid-19-Opfer.
Die Medien berichten auch von Polizisten, Ärzten oder Politikern, die sich
nach einem positiven Coronatest das Leben genommen hätten. Shetty sieht
darin Ähnlichkeiten mit dem Ausbruch von HIV in Indien Ende der 1980er
Jahre. „Aus einem Schock heraus haben Menschen ihr Leben beendet“, erklärt
der 62-jährige Psychiater.
Deshalb sei Aufklärung so wichtig. Die Diagnose schwerer Krankheiten sollte
mit Beratung vermittelt werden. Besonders unter Stress stünden Menschen,
die seit dem Lockdown Ende März ihre Häuser kaum verlassen hätten und sich
stark isoliert fühlten. Soziale Aktivitäten wurden stark eingeschränkt,
viele Geschäfte und Industrien blieben Monate geschlossen.
## Einer der härtesten Lockdowns
Indien hatte einen der längsten und härtesten Lockdowns der Welt, um die
Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. [4][Letztlich stiegen die
Infektionen jedoch an.] Seit Juli wurden das öffentliche Leben und die
Wirtschaft schrittweise wieder geöffnet.
Inzwischen gibt es mehr als 4,3 Millionen registrierte Coronafälle, die
weltweit zweithöchste Zahl. [5][Derzeit gelten knapp 900.000 als aktiv.
Fast 74.000 Menschen sind in Indien im Zusammenhang mit dem Virus
gestorben.]
Gleichzeitig macht sich eine Coronamüdigkeit breit. Masken hängen unter dem
Kinn, Abstandsregeln geraten in Vergessenheit. Über Monate dominierte die
Lungenkrankheit die Medien. Doch über die Auswirkungen der Pandemie jetzt
nicht mehr zu berichten, helfe nicht, sagt Shetty.
„Medien sind wichtige Verbündete in der Aufklärungsarbeit über psychische
Gesundheit. Die ist in Indien aber immer noch ein Tabu.“ Doch sollte
angesprochen werden, wie Menschen bei Depressionen geholfen werden kann.
Oppositionspolitiker Rahul Gandhi kritisiert Premierminister Narendra Modi
scharf, die Folgen der Krise zu vernachlässigen. „Der Premier ist sehr
optimistisch“, sagt Shetty, er verkörpere eine Vaterfigur, doch seine zur
Schau gestellte Zuversicht habe sich kaum auf die Bevölkerung übertragen.
## Psychische Gesundheit vernachlässigt
„Die Regierung hat viel [6][Nahrungsmittelhilfe] bereitgestellt, doch muss
auch die Grundstimmung der Menschen verbessert werden.“ Das Thema
psychische Gesundheit werde von der Politik vernachlässigt.
„Wir haben kein Suizid-Präventionsprogramm“, beklagt Shetty. „Wenn
staatlich geschulte Gesundheitshelferinnen Malaria oder Dengue erkennen und
bei leichten Fällen behandeln können, warum können sie nicht auch nach
psychischer Gesundheit fragen?“
Shetty selbst bildet seit zehn Jahren sogenannte Mental Health Soldiers
aus, eine Art BarfußpsychiaterInnen. Diese meist weiblichen Personen können
Anzeichen von Depressionen feststellen und Fachleute vermitteln. Oft reiche
es, dass Betroffene jemanden haben, der ihnen mal zuhört, was auch per
Handy oder online möglich sei.
Mit dem bisherigen Wirtschaftsrückgang um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr
macht die Bevölkerung harte Zeiten durch. Doch Shetty bleibt optimistisch
und hofft, dass Indien im Zuge der Pandemie sein psychisches Problem
anerkennt.
11 Sep 2020
## LINKS
[1] https://mumbaimirror.indiatimes.com/coronavirus/news/1-in-10-track-deaths-f…
[2] https://www.tribuneindia.com/news/himachal/covid-stress-leads-to-spike-in-s…
[3] https://timesofindia.indiatimes.com/india/spike-in-self-harm-suicide-ideati…
[4] /In-Indien-erreicht-Corona-das-Hinterland/!5701410
[5] https://www.mohfw.gov.in/
[6] /Brot-fuer-die-Welt-warnt/!5710397
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
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