# taz.de -- Fahndung nach Ex-Manager Marsalek: Aktenzeichen Wirecard ungelöst | |
> BKA und Interpol suchen den flüchtigen Vorstand des insolventen | |
> Dax-Konzerns. Die Unwissenheit muss groß sein. Sogar das ZDF schaltet | |
> sich ein. | |
Bild: Der gesuchte vermutliche Milliardenbetrüger Jan Marsalek (Ausschnitt Fah… | |
BERLIN taz | Es klingt nach Showdown – und wahrlich nicht nach der | |
Bundesliga deutscher Großkonzerne: Mit einem Aufruf im Wild-West-Style | |
fahndet nun das Bundeskriminalamt nach dem flüchtigen Ex-Wirecard-Manager | |
Jan Marsalek. „Aufgrund der derzeitigen Ermittlungsergebnisse wird ein | |
Aufenthaltsort des Gesuchten im Ausland für sehr wahrscheinlich gehalten“, | |
[1][erklärte das BKA am Mittwochabend]. Auch [2][Interpol fahndet weltweit] | |
mit. | |
Die Unwissenheit scheint groß zu sein, andernfalls würden die sonst | |
klammheimlich agierenden Fahnder kaum derart großflächig die Öffentlichkeit | |
suchen. Marsalek sei „männlich, 40 Jahre alt, ca. 180 cm groß“ und spreche | |
„östereichisch, französisch und englisch“. Die äußere Erscheinung des | |
gebürtigen Wieners sei „europäisch“, er habe braune Augen und eine schlan… | |
Statur. Sogar in der [3][ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ wurden | |
die Zuschauer am Mittwochabend] um Hinweise zum Aufenthaltsort Marsaleks | |
gebeten. | |
Zwei Fahndungsfotos, eins mit Rauschebart, eins mit Schlips, fügte das BKA | |
bei. Mit im Boot, den wohl größten Bilanzskandal in der Geschichte der | |
Bundesrepublik aufzuklären: die Staatsanwaltschaft München I, deren | |
Korruptionsjäger bereits wegen Ermittlungen gegen diverse Großschummler | |
(Siemens, HRE, MAN, Bernie Ecclestone) von sich reden machten. | |
Nicht ganz unwichtiges Detail im Wirecard-Thriller: die Frage, ob [4][der | |
Finanzminister] und frisch designierte Kanzlerkandidat der SPD, Olaf | |
Scholz, die Vorwürfe wegen nachlässiger Kontrolle oder gar Protegierung des | |
Zahlungsdienstleisters aus Aschheim bei München durch ihm unterstellte | |
Behörden übersteht. Die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss | |
im Bundestag. Am Montag machten neue Vorwürfe gegen die Scholz unterstellte | |
Geldwäscheeinheit FIU die Runde, die jahrelang 1.000 Hinweise gegen | |
Wirecard nicht weitergegeben haben soll. | |
## 3,2 Milliarden Euro futsch | |
Es gehe um den „Verdacht des gewerbsmäßigenBandenbetrugs, des besonders | |
schweren Falls der Untreue sowie weiterer Vermögens- und | |
Wirtschaftsdelikte“, heißt es beim BKA. Der „Beschuldigte M.“ solle | |
„Bilanzsumme und das Umsatzvolumen der Wirecard AG durch Aufnahme von | |
vorgetäuschten Einnahmen aus Zahlungsabwicklungen im Zusammenhang mit | |
Geschäftenmit sogenannten Third-Party-Acquirern (TPA) aufgebläht haben, um | |
so das Unternehmen finanzkräftiger und für Investoren und Kunden | |
attraktiver darzustellen“. Deshalb hätten Banken und andere Investoren | |
insgesamt 3,2 Milliarden Euro bereitgestellt – die sind wahrscheinlich | |
allesamt futsch. | |
Verschwunden wie Marsalek, der angeblich Kontakte zum russischen | |
Geheimdienst hat – und Pläne über den Aufbau einer 15.000 Mann starken | |
Söldnertruppe in Libyen, um die Migration aus dem Süden zu stoppen. | |
Am Donnerstag ging die Wirecard-Saga fast wie bei Leo DiCaprio und „Catch | |
me if you can“ weiter: Ermittler aus den Philippinen empfahlen, Anzeige | |
gegen zwei weitere Verdächtige zu erstatten, die dem offenkundigen | |
Hochstapler offenbar bei seiner Flucht aus Deutschland geholfen haben. Die | |
Beamten hätten falsche Informationen in die Datenbank des Immigrationsbüros | |
eingetragen. | |
Demnach wäre Marsalek am 23. Juni in der Hauptstadt Manila eingetroffen und | |
hätte die Philippinen am folgenden Tag von der Provinz Cebu aus – die auf | |
einer anderen Insel liegt – wieder verlassen, so die nationale | |
Ermittlungsbehörde. Allerdings habe es am 24. Juni gar keinen Flug von Cebu | |
nach China gegeben, wohin Marsalek angeblich gereist sein sollte. Zudem | |
seien den Angaben nicht – wie bei solchen Einträgen üblich – die | |
Reisepassdaten des Österreichers beigefügt worden. | |
Am 22. Juni hatte die Jagd auf „M.“ begonnen. Das Amtsgericht München | |
erließ einen Haftbefehl. Kurz zuvor war herausgekommen, dass sich wegen | |
Luftgeschäften in Südostasien und im Mittleren Osten eine Summe von 1,9 | |
Milliarden Dollar nicht auf philippinischen Treuhandkonten von Wirecard | |
befanden. Wenige Tage später musste der Konzern mit 5.000 Mitarbeitern | |
Insolvenz anmelden, tausende Anleger verloren viel Geld. | |
Wo ist Marsalek? Medien berichteten Mitte Juli, er könne sich in Belarus | |
oder Russland aufhalten, Wladimir Putin habe ihn höchstpersönlich | |
versteckt. Der ehemalige Vorstandschef Markus Braun und der frühere | |
Finanzvorstand Burkhard Ley sowie andere Manager sitzen dagegen schon seit | |
Ende Juli in Untersuchungshaft. | |
13 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bka.de/DE/IhreSicherheit/Fahndungen/Personen/BekanntePersonen/J… | |
[2] https://www.interpol.int/How-we-work/Notices/View-Red-Notices#2020-45128 | |
[3] https://www.zdf.de/gesellschaft/aktenzeichen-xy-ungeloest/aktenzeichen-xy-u… | |
[4] /Der-Finanzminister-im-Wirecard-Skandal/!5699715 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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