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# taz.de -- Lieferdienst wird Dax-Konzern: Firmen ohne Betriebsrat lohnen sich
> Der Lieferdienst Delivery Hero löst den Betrugskonzern Wirecard im Dax
> ab. Das ist fatal: Betriebsratfeinde gehören da nicht hin.
Bild: Die pinken Foodora-LieferantInnen sind schon wieder von den Straßen vers…
Am kommenden Montag wird [1][der Betrugskonzern Wirecard] aus dem deutschen
Aktienleitindex Dax entfernt. Es wurde auch Zeit. Doch es ist gut möglich,
dass sich die Deutsche Börse mit der neu anstehenden Dax-Ernennung des
Lieferdienstes Delivery Hero den nächsten Problemfall einhandelt. Der neue
Aufsteiger in den Olymp der deutschen Wirtschaft ist ein Unternehmen, das
Betriebsräte bekämpft und ein fragwürdiges Geschäftsmodell verfolgt.
Das 2011 gegründete Start-up macht Umsatz mit Provisionen, die Restaurants
dafür zahlen, dass FahrerInnen Speisen und Getränke liefern. Nach eigenen
Angaben beschäftigt Delivery weltweit 25.000 Leute. Die Aktiengesellschaft
ist in 40 Ländern aktiv. Schwarze Zahlen schreibt sie bislang nicht. An zu
hohen Löhnen liegt das nicht.
KritikerInnen werfen Delivery Ausbeutung vor. So werden die FahrerInnen,
für deren Lieferungen das Unternehmen Provisionen kassiert, in der Regel
schlecht bezahlt und tragen das Risiko, wenn keine Aufträge kommen, weil es
für Wartezeiten kein Geld gibt. Oft werden sie nicht angestellt oder
erhalten nur einen Zeitvertrag – das macht sie gefügig.
Delivery hat sich vor anderthalb Jahren vom deutschen Markt zurückgezogen
und seine Töchter Pizza.de, Lieferheld und Foodora an die [2][Betreiberin
von Lieferando] verkauft, die niederländische Firma Takeaway. Vorangegangen
war ein Kampf mit den Beschäftigten um deren Rechte.
MitarbeiterInnen berichteten, dass das Management die Wahl von
Betriebsräten zu verhindern versuchte. Als das nicht gelang, wurden die
Betriebsräte schikaniert, Zeitverträge wurden nicht verlängert.
Doch in Deutschland ist die Behinderung von Betriebsratsarbeit eine
Straftat: Und der Betriebsrat konnte sich wehren. Delivery wollte auch
keine MitarbeiterInnen in den Aufsichtsrat lassen. Erst nachdem das
Landgericht Berlin festgestellt hatte, dass es ein Verstoß gegen die
Mitbestimmungsrechte ist, gab das Unternehmen nach. Doch kurze Zeit später
verkaufte Delivery Hero das Deutschlandgeschäft mit den aufmüpfigen
MitarbeiterInnen.
## Eine Millarde Euro Verkaufserlös
Es ist offenbar eine Konzernstrategie im Umgang mit Beschäftigten, die auf
ihre Rechte pochen. So wollten sich auch in Kanada MitarbeiterInnen eines
Tochterunternehmens organisieren. Die Firma versuchte das zu verhindern.
Wie einst in Deutschland zogen die Beschäftigten vor Gericht – und
gewannen. Auch hier zog sich Delivery zurück.
Rund eine Milliarde Euro hat der Verkauf des Deutschlandgeschäfts dem
Unternehmen gebracht. Mit dem Geld hat es andere Firmen gekauft. Das treibt
den Börsenkurs nach oben. Wie bei Wirecard belohnt die Deutsche Börse das
auch in diesem Fall.
Delivery Hero expandiert rasant, produziert bislang aber nur Verluste. In
einem Geschäftsfeld, in dem hoher Wettbewerb herrscht, überleben nur die,
die möglichst große Marktanteile gewinnen. Aber: Unternehmen, die
übertreiben, zerplatzen wie eine Seifenblase und der Aktienkurs stürzt ab.
Bedingung für die Aufnahme in den Dax ist, dass Unternehmen ihren Hauptsitz
oder den Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit in Deutschland haben.
Delivery hat seinen Hauptsitz in Berlin. Es gibt eine Reihe weiterer
Bedingungen [3][für eine Dax-Mitgliedschaft], etwa dass eine Mindestanzahl
von Aktien im Streubesitz ist. Kein Kriterium ist, dass Dax-Gelistete
Betriebsräte und damit auch ArbeitnehmervertreterInnen im Aufsichtsrat
haben.
Das ist fatal, denn es bedeutet den Verzicht auf eine wichtige
Kontrollinstanz. Aufsichtsräte haben einige Kontrollrechte – und
Beschäftigte und ihre VertreterInnen haben ein großes Interesse daran,
Betrug und andere Unregelmäßigkeiten aufzudecken oder eine falsche
Geschäftsstrategie zu korrigieren.
AktionärInnen verlieren im schlimmsten Fall einen Teil ihres Vermögens,
Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz und damit ihre Existenzgrundlage.
Übrigens: Auch Wirecard hatte keinen Betriebsrat.
20 Aug 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Anja Krüger
## TAGS
DAX
Betriebsrat
Arbeitnehmerrechte
Lieferdienst
Wirecard
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Wirecard
Konjunktur
Kündigung
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