| # taz.de -- Starbucks in Berlin: „Die Betriebsräte sollen fallen“ | |
| > Cafés als gewerkschaftlich prekäre Zone. Gekündigt wurde | |
| > Starbucks-Betriebsrat Michael Gläser unter anderem wegen „permanentem | |
| > Siezen“. | |
| Bild: Nicht der beste Platz für gut gewerkschaftliches Kaffeetrinken | |
| taz: Herr Gläser, Sie haben in den vergangenen Wochen zwölf fristlose | |
| Kündigungen von Starbucks bekommen und inzwischen dort Hausverbot. Wie kam | |
| es dazu? | |
| Michael Gläser: Zu jeder der Kündigungen, die ich seit dem 19. Mai erhalten | |
| habe, gab es einen anderen Grund. Mal hieß es, ich hätte wegen eines | |
| Streiks meinen Arbeitsplatz verlassen oder Starbucks auf sozialen | |
| Netzwerken schlecht bewertet. Einmal war es der Vorwurf, das am 20. Juni | |
| gegen mich verhängte Hausverbot für alle Starbucks-Filialen öffentlich | |
| gemacht zu haben. Mein persönlicher Favorit unter den Kündigungsgründen ist | |
| permanentes Siezen. Man wollte mich zwingen, die Vorgesetzten per Du | |
| anzusprechen, doch ich duze nur Leute, die ich leiden kann, das war daher | |
| ausgeschlossen. | |
| Sind Sie als Einziger von dieser Kündigungsserie betroffen? | |
| Nein, auch meine Stellvertreterin hat sechs fristlose Kündigungen erhalten. | |
| Wieso haben Sie Ihr Betriebsratsmandat verloren? | |
| Bei Starbucks wird nicht auf Filialebene, sondern auf Distriktebene ein | |
| Betriebsrat gewählt. Der Distrikt ist ein von der Firma definierter Betrieb | |
| aus mehreren Filialen und kann nach Belieben von den Gastronomiekonzernen | |
| AmRest und Starbucks zerschlagen werden. So wurde der von mir vertretene | |
| Distrikt Berlin 2 aufgelöst. Damit war dort der Betriebsrat abgeschafft. | |
| Was hat Sie an den Arbeitsbedingungen bei Starbucks gestört? | |
| Vieles. Ein Kritikpunkt waren die ständigen Dienstplanänderungen, teilweise | |
| noch am selben Tag der Schicht. Zudem hat sich die Geschäftsleitung in | |
| Coronazeiten geweigert, mit uns als Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung | |
| zum Maskenschutz abzuschließen. Auch Überstunden werden ohne Genehmigung | |
| von Betriebsräten angeordnet. | |
| Wie ist der Lohn? | |
| Zunächst hatten wir einen Einstiegslohn von 8,18 Euro plus jährlichem | |
| Aktienpaket. Mit Beitritt zum Tarifvertrag der Systemgastronomie (BdS) sank | |
| dieser vor Einführung des Mindestlohns auf 7,50 Euro für alle | |
| Neueingestellten. Wir haben also einen Tarifvertrag, doch leider ist dieser | |
| nur knapp über dem Mindestlohn und ermöglicht niemanden ohne zweiten oder | |
| dritten Job eine normale Teilhabe am Leben. | |
| Hatten Sie als Betriebsrat Erfolge? | |
| Einige. Ich hatte im April 2011 den ersten offiziellen Arbeitstag als | |
| Barista. Davor musste ich aber knapp vier oder sechs Stunden kostenlos zu | |
| Probe arbeiten. Das haben wir in meiner Zeit als Betriebsrat im Distrikt | |
| Berlin 2 abgeschafft, da das gerade nach der Einführung des Mindestlohns | |
| Betrug am Beschäftigten ist und auch Sozialversicherungsbetrug. | |
| Hat die Auseinandersetzung auch über Berlin hinaus für Starbucks Bedeutung? | |
| Starbucks-Betriebsräte werden auch in anderen Städten in ihrer Arbeit | |
| behindert. In Berlin gab es die ersten, und jetzt sollen wohl auch hier die | |
| letzten aktiven Betriebsräte fallen. | |
| Kundgebung gegen Union Busting am Freitag, 31. Juli, 18 Uhr vor Starbucks | |
| am Pariser Platz | |
| 22 Jul 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Nowak | |
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