| # taz.de -- Forderungen an Antifa-Kabinett: Schluss mit Sonntagsreden | |
| > Der Antifa-Ausschuss der Regierung sorgt sich wegen der Coronaproteste | |
| > und hört Verbände an. Die Forderung: endlich klares Handeln. | |
| Bild: Abstand halten auch bei Protest dagegen: CoronaskeptikerInnen am Samstag,… | |
| BERLIN taz | Schwarz-weiß-rote Fahnen auf der Coronademonstration in | |
| Berlin, ein rechtsextremer Sturm auf die Bundestagstreppe. Am Mittwoch | |
| tagte der Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus – und stand noch unter | |
| dem Eindruck [1][der von rechts gekaperten Coronaproteste am Wochenende]. | |
| Das Antifa-Kabinett war nach dem Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen | |
| mit Migrationshintergrund erschossen wurden, [2][im Februar gebildet | |
| worden]. Kanzlerin Merkel und mehrere MinisterInnen sitzen darin, am | |
| Mittwoch tagte es zum zweiten Mal. „Niemand darf Freiheitsrechte | |
| missbrauchen, um unsere Demokratie zu attackieren“, erklärte | |
| Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) mit Blick auf die | |
| Coronaproteste. Es brauche „eine ganz klare Abgrenzung von Menschen- und | |
| Demokratiefeinden“. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betonte | |
| die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen: „Wir müssen verhindern, dass | |
| Menschen in dieser zugegebenermaßen schwierigen Zeit verführbar werden für | |
| Verschwörungsmythen oder extremistisches Gedankengut.“ | |
| Angehört wurden in der Sitzung diesmal zivilgesellschaftliche Vertreter, | |
| darunter Migranten- und Opferverbände. Und die stellten klare Forderungen. | |
| So plädierte die Amadeu Antonio Stiftung angesichts der Coronaproteste für | |
| ein Sofortprogramm gegen Verschwörungsmythen und Antisemitismus von 10 | |
| Millionen Euro. Antisemitismus sei der „ideologische Kitt“, der die Milieus | |
| verbinde. Dagegen brauche es Beratungsstellen für Opfer von digitalem Hass | |
| und besser finanzierte Bildungsarbeit. | |
| Die Coronaprotestierenden radikalisierten sich „mit immenser | |
| Geschwindigkeit“, warnte Judith Rahner von der Stiftung. Eine Abgrenzung zu | |
| Rechtsextremen finde nicht statt. Es sei zu befürchten, dass der nächste | |
| rechtsterroristische Anschlag aus „dieser explosiven Mischung“ erfolge. | |
| ## Anhörung mit Anschlags-Opfern? | |
| Der Verband der Opferberatungsstellen forderte, die Hinterbliebenen der | |
| Attentate von Hanau und Halle anzuhören, genauso wie die Angehörigen von | |
| Walter Lübcke und anderer Opfer rechter Gewalt. Die Perspektive der | |
| Angegriffenen müsse im Mittelpunkt stehen, erklärte Verbandssprecher Robert | |
| Kusche. Außerdem bräuchten die Opfer eine neu zu schaffende, | |
| unbürokratische Grundrente, um langfristig abgesichert zu sein. Für | |
| Gewaltopfer ohne Aufenthaltstitel forderte der Verband ein humanitäres | |
| Bleiberecht. | |
| Lambrecht ging auf die Initiativen zu. Sie verwies auf die kürzlich | |
| beschlossene Ausweitung für Entschädigungen bei wirtschaftlichen Schäden | |
| durch Anschläge, rückwirkend für die vergangenen zwei Jahre. „Der Staat | |
| muss stärker für die Betroffenen von Rassismus und Menschenhass da sein“, | |
| erklärte die SPD-Ministerin. In Kürze wolle man zudem Vorschläge für einen | |
| besseren Schutz von Adressen bei Zeugen in Strafverfahren vorlegen, um auch | |
| dort rechtsextreme Bedrohungen zu verhindern. | |
| Bei anderen Projekten dagegen hakt es. So forderten mehrere Verbände erneut | |
| [3][ein Demokratiefördergesetz, das Projekte gegen rechts langfristig | |
| absichert]. Dieses sei „längst überfällig“, erklärte die Amadeu Antonio | |
| Stiftung. Ein Gesetzentwurf liegt jedoch bis heute nicht vor, obwohl Giffey | |
| diesen nach dem Anschlag in Hanau „in Kürze“ versprochen hatte. Die Union | |
| aber sträubt sich gegen das Gesetz, zuletzt ging Bundesinnenminister Horst | |
| Seehofer (CSU) aber auf Giffey zu. Die plädierte im Ausschuss erneut für | |
| das Gesetz: „Die Verteidiger unserer Demokratie haben es unnötig schwer, | |
| solange diese stabile und verlässliche Basis fehlt.“ | |
| ## Weiter Streit um Studie zu Racial Profiling | |
| Auch beim Streit über [4][eine Studie zu Racial Profiling in der Polizei], | |
| die mehrere Verbände ebenfalls einforderten, kommt der Ausschuss indes | |
| nicht voran. Obwohl auch der Europarat die Untersuchung einfordert, lehnt | |
| Seehofer diese als überflüssig ab, Lambrecht dagegen pocht darauf. Auch am | |
| Mittwoch blieb es beim Patt. Robert Kusche von den Opferverbänden nannte | |
| die Studie dagegen einen wichtigen Schritt, um das Ausmaß des Problems | |
| festzustellen – und Vertrauen bei Geschädigten wiederherzustellen. | |
| Das Kabinett will nun bis zur nächsten Sitzung im Oktober einen | |
| Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus vorlegen. Deniz Nergiz vom | |
| Bundesintegrationsrat warnte bereits vor „Schönwetter-Botschaften“: Sowohl | |
| Alltagsrassismen als auch strukturellen Rassismus müsse man endlich | |
| „nachhaltig bekämpfen“. | |
| ## Corona-SkeptikerInnen verlegen Protest | |
| Die Organisatoren des Corona-Protests vom Wochenende reagierten derweil auf | |
| die rechtsextremen Vereinnahmungsversuche. Anmelder Michael Ballweg von der | |
| Stuttgarter Initiative Querdenken 711 erklärte, den nächsten Großaufzug am | |
| 3. Oktober von Berlin nach Konstanz zu verlegen. Auch für dieses Datum | |
| hatten sich Neonazis in Berlin angekündigt. Man wolle eine räumliche | |
| Trennung und künftig mehr auf Rechtsextreme bei den Protesten achten, sagte | |
| Ballweg. Eine Vereinnahmung aber bestritt er. Für die Demo in Konstanz soll | |
| nun auch in der Schweiz, Österreich und Frankreich mobilisiert werden. | |
| 2 Sep 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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