# taz.de -- Gedenkstättenstiftung Sachsen: Reiprich muss gehen | |
> Siegfried Reiprich darf die sächsische Gedenkstättenstiftung nicht mehr | |
> leiten. Er hatte Krawalle in Stuttgart mit der Reichspogromnacht | |
> verglichen. | |
Bild: Freigestellt wegen seines Tweets: der bisherige Stiftungsgeschäftsführe… | |
Dresden taz | Gelöst und entspannt verließen die Mitglieder des | |
Stiftungsrats der Stiftung Sächsische Gedenkstätten am Dienstagnachmittag | |
das Kulturministerium in Dresden. In der Sondersitzung hatten sie nicht nur | |
einstimmig [1][einen Tweet] vom bisherigen Stiftungsgeschäftsführer | |
Siegfried Reiprich missbilligt, in dem dieser die Stuttgarter | |
Straßenkrawalle mit der [2][„Reichspogromnacht“ von 1938] vergleicht. Mit | |
der sofortigen Freistellung Reiprichs bis zum von ihm selbst gewünschten | |
Ausscheiden zum 30. November werden auch jahrelange Blockaden in der | |
Stiftung gelöst. | |
Denn seit ihrer Gründung im Jahr 2003 wird die Arbeit der sächsischen | |
Gedenkstättenstiftung von Turbulenzen begleitet. NS-Opferverbände und der | |
Zentralrat der Juden verließen schon bald die Stiftung, weil sie nicht mit | |
SED-Opfern auf eine Stufe gestellt werden wollten. Erst eine | |
Gesetzesnovelle 2012 ermöglichte ihre Rückkehr. Wegen der Heterogenität der | |
Interessenvertreter sehen Stiftungsgesetz und Satzung eine starke, | |
praktisch unangreifbare Stellung des Geschäftsführers vor. Siegfried | |
Reiprichs 2010 begonnene fünfjährige Amtszeit wurde 2014 sogar auf sieben | |
Jahre bis 2022 verlängert. | |
Der von der DDR ausgebürgerte ehemalige Widerständler stammte aus dem | |
Literaturkreis um den heutigen Stasi-Bundesbeauftragten Roland Jahn und den | |
Schriftsteller und heutigen sächsischen Stasi-Landesbeauftragten Lutz | |
Rathenow. | |
Doch Reiprich sorgte für jede Menge Probleme. Er zeigte selbstherrliche | |
Züge, sein Verhältnis zu nahezu allen Mitarbeitern und Gedenkstättenleitern | |
gilt als zerrüttet. Unter ihm blieb die sächsische Gedenkstättenarbeit im | |
wissenschaftlichen Austausch isoliert. Eine Entwicklungskonzeption und die | |
Evaluation der Stiftung wurden jahrelang verschleppt. Umstritten war auch | |
die Gewichtung zwischen Nazi- und SED-Erinnerungskultur in der Stiftung | |
während seiner Amtszeit. | |
## Nähe zu rechts | |
Insofern bedeutete Reiprichs Stuttgart-Tweet nur den Gipfel einer langen | |
Kette von Problemen und Fehltritten. „War das nun eine Bundeskristallnacht | |
oder nur ein südwestdeutsches Scherbennächtle“, hatte er Ende Juni mit | |
Blick auf die Krawalle dort geschrieben. Bei dieser Gelegenheit gelangten | |
aber auch weitere Tweets ins Blickfeld der Öffentlichkeit, die Reiprich | |
zumindest in die Nähe von Rechtsextremen rücken. | |
Von den Tweets hatte sich Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU), zugleich | |
Stiftungsratsvorsitzende, umgehend distanziert. Der Stiftungsrat, alles | |
andere als links-grün dominiert, stellte am Dienstag gleichfalls einstimmig | |
fest, dass solche Äußerungen „klar dem Sinn der Gedenkstättenarbeit | |
widersprechen“. Und Reiprich ist seinen Job los. Bis zur Berufung eines | |
neuen Geschäftsführers soll jetzt Stellvertreter Sven Riesel die Stiftung | |
leiten, ein vom Bautzen-Forum und dem Stasi-Gefängnis in Bautzen erfahrener | |
konzilianter Mann. Der Stiftungsrat gab einer zehnköpfigen | |
Findungskommission zur Berufung eines neuen Geschäftsführers zugleich | |
Kriterien für die Stellenausschreibung mit. | |
Formal kann der Stiftungsrat einen Geschäftsführer gar nicht abberufen, | |
sondern nur nach seinen jährlichen Berichten „entlasten“, wie es im Gesetz | |
heißt. Insofern kam es dem Stiftungsrat entgegen, dass der gesundheitlich | |
schwer angeschlagene 65-jährige Reiprich ohnehin sein vorzeitiges | |
Ausscheiden zum 30. November angekündigt hatte. Dass er zur | |
Stiftungsratssitzung persönlich nicht erschien, wurde von Teilnehmern mit | |
Erleichterung aufgenommen. | |
22 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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