# taz.de -- Wasser in Zeiten wachsender Trockenheit: Nass mit Nebenwirkungen | |
> Geklärtes Abwasser könnte auch in Deutschland bald auf trockenen Äckern | |
> eingesetzt werden. Umweltministerin kündigt eine Wasserstrategie an. | |
Bild: Kläranlage bei Offenburg | |
Berlin taz | Mit einer „nationalen Wasserstrategie“ will Umweltministerin | |
Svenja Schulze (SPD) den Behörden dabei helfen, über Konkurrenzen in der | |
Wassernutzung zu entscheiden. In einem [1][Interview mit der Rheinischen | |
Post] kündigte sie das bundesweite Konzept zur Wasserversorgung für | |
nächstes Jahr an. Die immer häufiger auftretenden Fälle von Wasserknappheit | |
zeigten die Notwendigkeit klarer Regeln für die Nutzung von Wasser, so | |
Schulze. | |
Diese Regeln könnten auch einen neuen Umgang mit gebrauchtem Wasser | |
umfassen. Abwasser aus privaten Haushalten oder Unternehmen wird bislang in | |
Deutschland überwiegend in Kläranlagen gereinigt und danach in Flüsse | |
eingeleitet. Aus Südeuropa kommt die Idee, das Wasser stattdessen direkt | |
wiederzuverwenden, es also zu recyceln. | |
In der Industrie – etwa in der Stahl- oder Chemiebranche – ist das schon | |
lange üblich, in der Landwirtschaft bisher nicht. Seit dem Frühjahr ist | |
diese Wasserwiederverwendung EU-weit auch für solche neuen Anwendungen | |
geregelt. Es gilt eine drei Jahre lange Übergangsfrist, dann kann die | |
Verordnung in Deutschland angewendet werden. | |
Seitdem hätten „weder das Umweltbundesamt (UBA) noch ein anderes | |
Ministerium des Bundes ihr geplantes Vorgehen dazu publik gemacht“, | |
kritisiert Wido Waelput, Manager bei Kemira, einem finnischen | |
Chemieunternehmen, das unter anderem Technik und Chemikalien zur | |
Wasseraufbereitung herstellt. In Deutschland sieht er offenbar einen | |
interessanten Markt, den es zu erschließen gilt. | |
## Bei Niedrigwasser problematisch | |
In der Verordnung werden die Industrie oder etwa Golfplätze als Abnehmer | |
von Brauchwasser genannt, Hauptzielgruppe sind aber Landwirte. Bei ihnen | |
wie beim UBA gibt man sich jedoch zurückhaltend. „Es stellen sich jede | |
Menge Fragen, die wir in den kommenden drei Jahren beantworten müssen“, | |
sagt UBA-Wasserexpertin Manuela Helmecke. Lokal könnte etwa das Ausbleiben | |
des Zuflusses aus Kläranlagen für Flüsse problematisch werden, die sowieso | |
von Niedrigwasser betroffen sind. | |
So hat das UBA in einer Studie 2018 festgestellt, dass der Anteil von | |
behandeltem Abwasser bei Niedrigwasser zum Teil bei 30 bis 50 Prozent | |
liegt, beispielsweise in Abschnitten des Mains, der Ems, der Weser und der | |
Havel. Teilweise können diese Anteile auf über 50 Prozent steigen, wie in | |
Teileinzugsgebieten des Neckars und des Nieder- und Mittelrheins. | |
Knackpunkt einer Wiedernutzung sei aber, wie sauber das Wasser nach der | |
Reinigung in der Klär- und Wiederaufbereitungsanlage sei. „Häufig sind | |
Rückstände aus Arnzeimitteln, perfluorierten Chemikalien (PFCs) oder | |
anderen Industriechemikalien im Abwasser enthalten“, sagt Helmecke. Die | |
Mengen seien gering, sodass sie in der Vermischung mit dem Flusswasser im | |
Durchschnitt eine untergeordnete Rolle spielten. „Bei der Bewässerung in | |
der Landwirtschaft sieht das aber schon anders aus.“ Hier müsse genau | |
untersucht werden, ob sich die Stoffe in den Pflanzen, in Böden oder im | |
Grundwasser anreichern. | |
Dem Deutschen Bauernverband gehen die Regelungen in der entsprechenden | |
EU-Verordnung deswegen auch nicht weit genug. Es sei zwar eine | |
Risikoprüfung für das Recyclingwasser vorgesehen. „Es fehlen aber | |
Grenzwerte, beispielsweise für Schwermetalle wie Arsen oder Blei, sowie für | |
bestimmte Keime“, sagt Gerolf Bücheler vom Deutschen Bauernverband. | |
## Zunehmende Trockenheit | |
Eine Rolle spielt künstliche Bewässerung vor allem im Gemüse- und | |
Obstanbau. Hier könne die zunehmende Trockenheit in einigen Regionen neue | |
Konzepte für die Wassernutzung notwendig machen. Es stelle sich aber eher | |
die Frage, ob Landwirte weiterhin die Genehmigung zur Entnahme von | |
Oberflächen- und Grundwasser erhielten. | |
Hier hakt der Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) ein und fordert, | |
dass sich Landwirte Entwässerungsanlagen wie Drainagen künftig genehmigen | |
lassen müssten. Die neue EU-Richtlinie begrüßt der Verband, er hält es aber | |
für „richtig, dass die Wiederverwendung von aufbereitetem Abwasser nicht | |
generell erlaubt ist“. Die Zulassung sei an Auflagen zu Risikobewertung und | |
Qualitätsstandards geknüpft, die nun im Rahmen der nationalen Umsetzung | |
weiter ergänzt werden sollten. Letztlich komme es auf die praktische | |
Umsetzung der Verordnung an. | |
18 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://rp-online.de/politik/deutschland/umweltministerin-svenja-schulze-hi… | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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