Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Arzt über seine Klimasprechstunde: „Klimaschutz ist Prävention�…
> Der Klimawandel kann krank machen. Der Arzt Ralph Krolewski aus dem
> nordrhein-westfälischen Gummersbach bietet deshalb eine Klimasprechstunde
> an.
Bild: Wenn die Temperaturen steigen, steigt auch die Gefahr zu dehydrieren
taz: Herr Krolewski, solche heißen Tage, wie wir sie aktuell in Deutschland
erleben, werden mit dem Klimawandel häufiger. Was macht die Hitze mit dem
Körper?
Ralph Krolewski: Sie bringt unsere [1][Temperaturregulierung an die
Grenze]. Hitzeerschöpfung und Kreislaufschwäche ist da häufig. Bei
Überhitzung mit Hitzschlag, Nierenversagen bei Flüssigkeitsverlust und
vorbestehender Herzschwäche kann Hitze sogar tödlich sein.
An Tagen mit Temperaturen über 30 Grad steigt die Sterbequote in
Deutschland um etwa 10 Prozent. Wer ist betroffen?
Risikogruppen sind Kleinkinder, alte Menschen und chronisch Kranke. Hinzu
kommen Menschen, die der Hitze besonders stark ausgesetzt sind, weil sie
etwa in einer Dachgeschosswohnung leben, obdachlos sind oder draußen
arbeiten. Das gilt vor allem, wenn die gefühlte Temperatur an mehr als zwei
Tagen nacheinander über 32 Grad klettert. Extreme Gefahren drohen ab 38
Grad. Solche Hitzewellen sind hierzulande jetzt schon häufiger und stärker
geworden, besonders seit Anfang des Jahrtausends.
Sie haben für ihre Patient:innen eine Klimasprechstunde entwickelt. Wie
kann man sich das vorstellen?
Alle Versicherten haben alle drei Jahre einen Anspruch auf eine
Gesundheitsuntersuchung. Die sollte sich nicht darin erschöpfen, dass
einmal der Blutdruck, Laborwerte und körperlicher Status ermittelt werden,
sondern auch die Auseinandersetzung mit Risikofaktoren beinhalten. Da
gehört der Klimawandel dazu, denn er ist ja mit unserer Lebensweise
verknüpft. Die müssen wir auch durch individuelles Engagement ändern, neben
staatlichen Maßnahmen natürlich, sonst lassen sich die Ziele des
Paris-Abkommens nicht erreichen.
Es kann in der Sprechstunde um die Anpassung an die Folgen des Klimawandels
gehen wie bei der Hitze, aber auch um Klimaschutz. Prävention bedeutet in
diesem Zusammenhang, dass man Vorteile für den Klimaschutz auch als Teil
einer gesunden Lebensweise betrachtet.
Wie läuft so ein Gespräch ab?
Es passiert in diesen Untersuchungen zum Beispiel, dass jemand über häufige
Rückenschmerzen klagt. Ich gucke mir dann das Bewegungsprofil an. Übt die
Person eine sitzende Tätigkeit aus? Wie legt sie Alltagswege zurück?
Deutschland bewegt sich kaum. Das ist einer der Gründe dafür, dass der
allgemeine Gesundheitszustand schlecht ist für ein Land mit einem so
hochfunktionalen Gesundheitssystem.
Wenn sich also herausstellt, dass der von Rückenschmerzen geplagte Patient
auch für kurze Strecken ins Auto steigt, empfehle ich, stattdessen zu
laufen oder mit dem Rad zu fahren. Ich spreche an, dass das die Gesundheit
verbessern und gleichzeitig den Planeten schonen würde. Das ist natürlich
nur ein Beispiel von vielen.
Das heißt, man bucht Ihre Klimasprechstunde nicht – man landet unverhofft
darin.
Die Klimasprechstunde ist eine Grundhaltung in meiner Arbeitsroutine:
Gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten. Das ist dem Titel eines
großen [2][Berichts des Umweltprogramms der Vereinten Nationen] entlehnt,
der im März 2019 herausgekommen ist. Nach diesem Bericht habe ich überlegt,
wie ich das in meiner Sprechstunde umsetzen kann.
Wie kommt es bei Ihren Patient:innen an, dass es bei einer ärztlichen
Untersuchung plötzlich um die Klimakrise geht?
Ich habe noch keine Kritik gehört. Ganz im Gegenteil: Ich stelle immer
wieder fest, dass viele Menschen innerlich schon auf dem Weg sind. Die
Leute machen sich Gedanken über den Klimawandel. Sie interessieren sich
dafür, wenn Fridays for Future mal wieder in den Medien waren. Wir haben
hier im oberbergischen Land in Gummersbach auch direkt die Landwirtschaft
vor Augen, die unter der Dürre leidet. Der Klimawandel ist in unserer
Region, die auch große Waldgebiete hat, deutlich spürbar und wird
wahrgenommen.
Hören denn die Leute auf Ihre Ratschläge?
Ich erteile nicht einfach Ratschläge. Dass das nicht funktioniert, wissen
wir zum Beispiel aus der Rauchentwöhnung. Nur weil Ihr Arzt einmal sagt,
dass eine Verhaltensänderung besser wäre, setzen Sie das nicht sofort um.
Ich interessiere mich dafür, wie die Leute leben und was sie für
Erfahrungen gemacht haben. Dann öffnet sich das Gespräch. Ich gucke, was
sie selbst an ihrem Leben ändern wollen, gebe ihnen dazu evidenzbasierte
Informationen und bestärke sie. Mein Ziel ist es, eine Reflexion anzuregen.
Das ist eine schöne Arbeit.
Es hilft wahrscheinlich, dass zwischen Ärzt:innen und Patient:innen im
Idealfall ein besonderes Vertrauensverhältnis herrscht.
Natürlich! Das durchschnittliche Hausarzt-Patientenverhältnis dauert länger
als die durchschnittliche Ehe. Das ist eine wachsende Beziehung, ich
behandele manche meiner Patienten seit Jahrzehnten. Das hat einen
Stellenwert.
Sollte das Gesundheitswesen sich stärker in die Klimapolitik einmischen?
Ich arbeite mit einigen Kollegen darauf hin, dass vom Deutschen Ärztetag im
nächsten Mai ein starkes Signal für Klimaschutz ausgeht. Das Thema wurde
inzwischen auch von der Bundesärztekammer als Schwerpunkt aufgegriffen.
Gesundheit und nachhaltige sowie soziale Politik gehören zusammen. Der
Emissionslückenbericht des UN-Umweltprogramms vom vergangenen Herbst hat
gezeigt, dass die Klimaziele vieler Staaten weltweit bisher absolut
unzureichend sind. Die Anstrengungen müssen dringend verfünffacht werden,
wenn wir die Erderhitzung bei 1,5 Grad stoppen wollen. Dabei kommt es vor
allem auf die nächsten zehn Jahre an.
19 Aug 2020
## LINKS
[1] /Studie-zu-Folgen-von-Klimawandel/!5638367
[2] https://www.unenvironment.org/resources/report/our-planet-healthy-planet-he…
## AUTOREN
Susanne Schwarz
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Gesundheit
Hitze
Schwerpunkt Klimawandel
Apokalypse der Woche
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Apokalypse der Woche
Wassermangel
Spitzbergen
Schwerpunkt Klimawandel
Hitzewelle
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pharmazeutin über die Klimakrise: „Medikation aktiv ansprechen“
Wer Medikamente einnimmt, sollte sich über die Wirkung bei hohen
Temperaturen informieren. Sonst drohen Gesundheitsgefahren.
Folgen der Erderhitzung: Hitzetod durch Klimawandel
Mehr als ein Drittel der Hitzetoten aus den letzten drei Jahrzehnten ist
durch den Klimawandel gestorben. Das sagt eine aktuelle Studie.
Positive Nebeneffekte der CO2-Einsparung: Klimaschutz für die Gesundheit
Millionen von vorzeitigen Todesfällen können einer Studie zufolge quasi
nebenbei verhindert werden. Wenn die Welt das Pariser Klimaabkommen
einhält.
Anpassung an den Klimawandel: Sonnensegel und Bäume gegen Hitze
Weil sich der Klimawandel nicht mehr aufhalten lässt, sind Anpassungen
nötig. Dazu hat die Bundesregierung einen Bericht verfasst.
Klimakrise lässt Wirtschaftskraft sinken: Die Hitze macht uns ärmer
Wenn es heiß ist, laufen viele Arbeiten schleppend, die Produktivität
sinkt. Das wurde bisher unterschätzt.
Wasser in Zeiten wachsender Trockenheit: Nass mit Nebenwirkungen
Geklärtes Abwasser könnte auch in Deutschland bald auf trockenen Äckern
eingesetzt werden. Umweltministerin kündigt eine Wasserstrategie an.
Klimawandel in der Arktis: Hitzewelle auf Spitzbergen
Vier Tage hintereinander über 20 Grad – das hat es auf Spitzbergen noch nie
gegeben. Der Rückzug des Permafrosts bringt die Infrastruktur ins Wanken.
Entwicklung des Weltklimas: Lebensfeindliche Hitze
Die Klimakrise führt dazu, dass viele Regionen zu heiß für Menschen werden.
Ein Drittel der Weltbevölkerung könnte 2070 unter großer Hitze leiden.
Studie zu Folgen von Klimawandel: Klimakrise, bis der Arzt kommt
100 Medizinexperten warnen: Klimawandel ist schlecht für die Gesundheit.
Vor allem Kinder sind betroffen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.