# taz.de -- Nach Rücktritt von Senatorin Lompscher: Baut drauf, Genossen! | |
> Nach dem Rücktritt der linken Bausenatorin Katrin Lompscher stellt sich | |
> die Frage: Was wird von ihrer Politik für die Mieter*innen bleiben? | |
Bild: Das Fundament hat sie gelegt: Katrin Lompscher | |
BERLIN taz | Man wird sich in Berlin noch lange an [1][Katrin Lompscher] | |
erinnern. Im besten Fall wird ihr Name verbunden sein mit der Umkehr der | |
Entwicklung, die ab Mitte der Nullerjahre unter dem Schlagwort | |
Mietenwahnsinn gefasst werden kann. Die Stadtentwicklungssenatorin Katrin | |
Lompscher stünde für den Beginn der Wende auf dem Wohnungsmarkt: weg von | |
der durch die politisch Verantwortlichen nicht nur hingenommenen, sondern | |
sogar geförderten Privatisierung und Verwertung des Wohnungsmarktes hin zu | |
einer Politik, die die Interessen der Mieter*innen in den Fokus gerückt | |
hat. | |
Nach dreieinhalb Jahren an der Spitze des Stadtentwicklungsressorts ist | |
dieser Paradigmenwechsel eingeleitet. Ob er sich zu einer dauerhaften | |
Politik verfestigt, wird sich an der Frage ihrer Nachfolge, wie auch der | |
Entscheidung des Verfassungsgerichts über den [2][Mietendeckel] | |
entscheiden. | |
Gelingt es der Linken nicht, jemanden zu finden, der sich dem den | |
Mieter*innen gemachten Versprechen „Wir geben euch die Stadt zurück“ | |
verpflichtet fühlt, oder kippen die Verfassungsrichter*innen Lompschers | |
zentrales Projekt, bliebe nur die Erinnerung an die Senatorin, die es – | |
zumindest – versucht hat. | |
## Einkünfte nicht versteuert | |
Vergangene Woche war im Zuge einer AfD-Anfrage bekanntgeworden, dass | |
Lompscher – nach eigener Aussage unbeabsichtigt – Bezüge für ihre Tätigk… | |
in Verwaltungs- und Aufsichtsräten landeseigener Betriebe nicht an die | |
Landeskasse zurückgezahlt hatte. Am Wochenende stellte sich nun heraus, | |
dass sie die Einkünfte in Höhe von 15.000 Euro auch nicht versteuert hatte. | |
Am späten Sonntagabend [3][erklärte Lompscher deshalb ihren Rücktritt.] | |
Er löste innerhalb der Linken Ernüchterung aus: „Das ist ein totaler Schlag | |
ins Kontor, der uns kalt erwischt“, sagt die Landesvorsitzende Katina | |
Schubert im Gespräch mit der taz, stellvertretend für die Partei. Für die | |
Linke steht viel auf dem Spiel: Ein Jahr vor der nächsten | |
Abgeordnetenhauswahl sind ihre Erfolgsaussichten eng an eine erfolgreiche | |
Bilanz beim Kampf gegen die Gentrifizierung geknüpft. | |
Bis zuletzt musste Lompscher ihre Politik gegen den massivem Druck der | |
Vermieterlobby, der mit ihr eng verbandelten Sozialdemokratie und der | |
konservativen Opposition durchsetzen. Auch in ihrer eigenen Verwaltung und | |
bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ist sie selten offene Türen | |
eingerannt. Seit Monaten rang sie mit letzteren um eine neue, nochmals | |
verschärfte Kooperationsvereinbarung, die die kommunalen Vermieter noch | |
deutlicher auf Sozialkurs trimmt. | |
Die Aufgaben, vor denen sie darüber hinaus stand, waren nahezu endlos: die | |
weitere Auseinandersetzung mit den privaten Vermietern, auch während eines | |
Enteignungs-Volksbegehrens, die Vorbereitung auf die Zeit nach dem | |
Mietendeckel und der verbesserte Schutz für Gewerbemieter*innen stellten | |
dabei wohl die größten Herausforderungen dar. | |
## Keine Lust auf Schlammschlachten | |
Für ihre politischen Überzeugungen stritt Lompscher mit Beharrlichkeit und | |
Sachverstand. Sie tat dies möglichst im Stillen und ohne sich in die | |
aufgeregten, öffentlichen Debatten zu werfen. Um sie wäre die Senatorin | |
angesichts der jüngsten Affäre aber kaum herumgekommen. Wer nach dem Grund | |
für ihren Rücktritt sucht, wird fündig bei ihrem Unwillen, | |
Schlammschlachten zu führen. In ihrer Rücktrittserklärung erklärt | |
Lompscher, dass ihr „schwerer persönlicher Fehler“ ihr „weiteres Handeln | |
als Senatorin dauerhaft überschatten würde“. | |
Die Linke hätte Lompscher nicht fallengelassen. „Es ist sehr traurig, dass | |
eine so ehrliche und in eigener Sache unambitionierte Person nun dieses | |
wichtige Ressort abgibt“, sagt die für den Mietendeckel zuständige | |
Abgeordnete Gaby Gottwald. Für die stadtentwicklungspolitische Sprecherin | |
Katalin Gennburg ist der Rücktritt „ein herber Verlust für Berlin“. So | |
sieht es auch der Berliner Mieterverein. Nachvollziehbar ist der Schritt | |
dennoch, wie etwa Katina Schubert sagt: „Ihre Integrität wäre immer infrage | |
gestellt worden.“ | |
Das Vorschlagsrecht, wer auf Lompscher folgen soll, obliegt dem | |
Linken-Landesvorstand. Dessen nächste Sitzung findet am Mittwoch statt. | |
Laut Schubert müsse man die „unterschiedlichen Varianten, die auf dem Tisch | |
liegen, in Ruhe besprechen.“ Eine vorschnelle Entscheidung werde es nicht | |
geben, das wäre „vermessen und der Angelegenheit nicht angemessen“. | |
Spätestens nächste Woche solle aber eine Entscheidung stehen. Ein möglicher | |
Termin für die Vereidigung einer neuen Senatorin wäre die Sitzung des | |
Abgeordnetenhauses am 20. August. | |
## Viele Männer im Gespräch | |
Als möglicher Nachfolger für den wenig attraktiven Einjahresjob wird | |
Lompschers [4][Staatssekretär für Wohnen, Sebastian Scheel], gehandelt; | |
Schubert bezeichnet ihn als eine „von mehreren Optionen“. Gegen ihn steht | |
die Anforderungen an eine „klare „Quotierungsregelung“ der Partei, die ih… | |
drei Senatsposten nicht mit mehr Männern als Frauen besetzen will. | |
Dazu kommt, dass Scheel, der erst nach dem gescheiterten Versuch, den | |
Stadtsoziologen Andrej Holm zum Staatssekretär zu machen, nach Berlin zog, | |
innerhalb der Berliner Linken und auch in der für die Partei wichtigen | |
außerparlamentarischen Bewegung kaum verankert ist. Holm selbst wäre durch | |
die ihm anhängende Stasi-Debatte den Koalitionspartner*innen nicht zu | |
vermitteln. Weitere gehandelte, aber nicht kommentierte Personen sind | |
Pankows Bürgermeister Sören Benn, die Bundestagsabgeordnete Caren Lay und | |
Harald Wolf, der sich erst kürzlich in den Ruhestand verabschiedet hatte. | |
Bei den Koalitionspartner*innen gibt man sich bedeckt. Der | |
Grünen-Vorsitzende Werner Graf sagte auf taz-Anfrage: „Ich habe Achtung vor | |
der Entscheidung. Sie war richtig.“ Die Suche nach einer Nachfolge sei | |
alleinige Aufgabe der Linken; die Situation „keine Belastungsprobe für die | |
Koalition“. | |
3 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Ruecktritt-von-Bausenatorin-Lompscher/!5700003 | |
[2] /Mietendeckel/!t5567229 | |
[3] /Berlins-Bausenatorin-tritt-zurueck/!5705252 | |
[4] /Berlins-Staatssekretaer-fuer-Wohnen/!5394581 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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