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# taz.de -- Berlins Bausenatorin tritt zurück: Abgang mit Akzent
> Katrin Lompscher stolpert über eine Verfehlung, über die andere Politiker
> nur höhnisch lachen dürften. Ihr Rücktritt hat Größe.
Bild: „Die fachliche und politische Auseinandersetzung habe ich nie gescheut�…
Mit einem nicht freiwilligen Rücktritt einen Akzent zu setzen, gelingt kaum
mehr einer PolitikerIn. [1][Katrin Lompscher, die am späten Sonntagabend
ihr Amt als Berliner Stadtentwicklungssenatorin niedergelegt hat], hat das
geschafft. Ihr Abgang kam trotz ihrer Verfehlung überraschend.
Die Stadtentwicklungssenatorin hatte mehrere [2][Aufsichtsratsposten in
landeseigenen Betrieben] inne und dafür 2017 und 2018 mehr Bezüge behalten
als erlaubt. Heraus kam das vergangene Woche durch eine kleine
parlamentarische Anfrage der AfD und Recherchen der Bild-Zeitung. Insgesamt
handelt es sich um eine Summe von rund 7.000 Euro. Ein Betrag, über den
seit Monaten und Jahren unter Druck stehende Politiker wie
CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer und CDU-Bundestagsmitglied Philipp
Amthor nur höhnisch lächeln dürften.
Die Fehler bei der Abrechnung seien ihr erst jetzt „bekannt und bewusst
geworden“, teilte Lompscher am Sonntagabend noch einmal mit; sie
versichere, nicht mit Vorsatz gehandelt zu haben. Lompscher hat den Betrag
vergangene Woche zurückbezahlt.
Für sie selbst war das dennoch Grund genug zurückzutreten, wie der
Senatorin am Sonntag offenbar klar geworden ist. „Für diese Versäumnisse
trage ich persönlich die Verantwortung“, schrieb sie. Und: „Richtigerweise
wird von politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern ein
besonderes Maß an Verantwortung erwartet. Dieser Verantwortung bin ich
nicht gerecht geworden und bitte die Bürgerinnen und Bürger Berlins dafür
um Entschuldigung.“
Sätze, die man schon lange nicht mehr von einer PolitikerIn gehört hat.
Auch die drei Aufsichtsratsmandate legte sie nieder. Es ist der erste
Rücktritt oder Abgang einer SenatorIn im [3][rot-rot-grünen Senat] seit
dessen Start im Dezember 2016.
Lompscher hat das Profil der rot-rot-grünen Koalition geprägt; vor allem
aber das Image der Linken in diesem Bündnis als einer Partei, die sich
etwas traut. Sie hatte im Dezember 2016 mit dem Stadtentwicklungsressort
jenes Amt übernommen, das die SPD jahrzehntelang als ihren Hinterhof
betrachtet und für allerhand Deals genutzt hatte.
## Ganz hohe Erwartungen
Von ihr wurde in dieser Legislatur am meisten erwartet: Die Verdrängung von
MieterInnen anfangs aus der Innen-, später aus der ganzen Stadt – Stichwort
Gentrifizierung – ist seit Jahren das ganz große Thema in Berlin,
inzwischen jenseits von Corona.
Den Bereich Stadtentwicklung zu übernehmen war auch ein Versprechen, Fehler
aus der Regierungsbeteiligung der Linken in Berlin von 2006 bis 2011
wiedergutzumachen. Lompscher wurde in der Folge argwöhnisch beäugt und
häufig harsch kritisiert von vielen SPDlern, die den Verlust des Ressorts
bis heute nicht verkraftet haben und eine „Bauen, bauen, bauen“-Doktrin
forderten.
Lompscher hingegen kümmerte sich auch intensiv um die MieterInnen, die
bereits eine Wohnung haben. Sie setzte letztlich den – eigentlich von der
SPD erfundenen – [4][Mietendeckel] um und in tagelangen Sitzung in der
Koalition durch. Ob dieser Bestand haben wird, hätte auch ohne ihren
Rücktritt nicht mehr in ihrer Hand gelegen: Das Urteil fällen die Gerichte
– wobei erst am Freitag Unterstützung vom Berliner Landgericht kam, das den
Deckel als verfassungskonform einstufte. Mit einer endgültigen,
verfassungsrechtlichen Entscheidung ist nicht vor 2021 zu rechnen.
Die Senatorin geht also – wenn auch unfreiwillig – zu einem eigentlich
günstigen Zeitpunkt. Ihr Abgang passt in den [5][Generationenwechsel, der
bei der Berliner Linkspartei] ansteht und der bereits durch den Rücktritt
der beiden lang amtierenden Fraktionsvorsitzenden Carola Bluhm und Udo Wolf
vor einigen Wochen eingeleitet wurde.
Für die Linkspartei geht es darum, sich für die nächste Wahl im Herbst 2021
weitgehend neu aufzustellen. Lange sah es danach aus, als könnte die Linke
sogar den Regierenden stellen. Aktuell machen in Umfragen Grüne und SPD die
Entscheidung untereinander aus, wer ins Rote Rathaus einzieht, sollte es zu
einer Wiederauflage der rot-rot-grünen Koalition kommen.
Die leidenschaftliche Streiterin und Raucherin wird dieser Koalition
dennoch fehlen. Noch ist offen, wer das Amt übernehmen soll. Sicher ist:
Die NachfolgerIn kann mit neuem Schwung gegen alte Kritik aus den Reihen
der Opposition und teilweise auch aus der eigenen Koalition ins letzte Jahr
Rot-Rot-Grün gehen.
3 Aug 2020
## LINKS
[1] /Berliner-Linke-Katrin-Lompscher/!5705250
[2] /Katrin-Lompscher-in-der-Kritik/!5699654
[3] /Schwerpunkt-Rot-Rot-Gruen-in-Berlin/!t5473160
[4] /Mietendeckel/!t5567229
[5] /Anne-Helm-ueber-NSU-20-und-Neukoelln/!5699652
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
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