# taz.de -- Deutsch-chinesische Beziehungskrise: Im Konflikt mit Peking | |
> Deutschland setzt nun das Auslieferungsabkommen mit Hongkong aus. Peking | |
> reagiert darauf „mit Empörung und fester Opposition“. | |
Bild: Im Mai 2018 war Angela Merkel noch freundlich zu Chinas Xi. Jetzt ist die… | |
BERLIN taz | Nach langem Zögern hat die Bundesregierung doch noch das | |
Auslieferungsabkommen mit der bisher autonomen chinesischen | |
Sonderverwaltungsregion Hongkong ausgesetzt. „Die Entscheidung der | |
Hongkonger Regierung, [1][ein Dutzend Oppositionskandidatinnen und | |
-kandidaten für die Wahl zu disqualifizieren] und die Wahlen zum | |
Legislativrat zu verschieben, ist ein weiterer Einschnitt in die Rechte der | |
Bürgerinnen und Bürger Hongkongs. Sie folgt auf die Verhaftung von drei | |
Aktivisten und einer Aktivistin durch das neu geschaffene National Security | |
Department, die uns sehr besorgt“, erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD) | |
Freitagabend auf der Webseite seines Amtes. | |
Maas’ nüchterne Erklärung hat den Unterton eines enttäuschten Liebhabers. | |
An die Bundesregierung war die Forderung nach Aussetzen des Abkommens | |
erstmals von der Opposition im Bundestag und von Hongkonger Aktivisten | |
herangetragen worden, als China zum 1. Juli der früheren Kronkolonie | |
[2][sein nationales Sicherheitsgesetz übergestülpt hatte]. Es untergräbt | |
die von Peking zugesagte Autonomie nach dem Prinzip „ein Land, zwei | |
Systeme“ und bedroht pekingkritische Stimmen. | |
Die USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland haben ähnliche | |
Auslieferungsabkommen mit Hongkong bereits ausgesetzt. Dies soll | |
verhindern, dass sich in den jeweiligen Ländern aufhaltende Personen von | |
Hongkong aus an Chinas Justiz überstellt werden können. Diese hat mit | |
rechtsstaatlichen Verhältnissen, wie es sie bisher in Hongkong gab, nichts | |
gemein. | |
Am Freitag hatte Hongkongs Polizei sechs Aktivisten zur Fahndung | |
ausgeschrieben, die nach Europa geflüchtet sind. Darunter ist laut South | |
China Morning Post auch Ray Wong Toi-yeung. Er war 2014 in der | |
Regenschirmbewegung aktiv und floh im November 2018 nach Deutschland, wo er | |
im Mai 2019 politisches Asyl bekam. | |
## Peking-Kritiker sahen Wahlen als ihre Chance | |
Hongkongs ursprünglich für den 6. September angesetzte Wahlen galten bisher | |
als Chance der demokratischen Opposition, zu zeigen, dass ihre Ablehnung | |
der Politik der pekinghörigen Regierung mehrheitsfähig ist. Die am Freitag | |
durch die Regierungschefin Carrie Lam erfolgte Ankündigung der Verschiebung | |
der Wahl um ein Jahr wird mit der Coronapandemie begründet. Für die | |
Demokratiebewegung ist das aber nur ein Vorwand, um die Wahl von | |
Peking-Kritikern zu verhindern. Die hatten bei den Kommunalwahlen [3][im | |
November einen Erdrutschsieg] errungen. | |
Die chinesische Botschaft in Berlin reagierte auf die Erklärung von Maas | |
„mit Empörung und fester Opposition“. Die Verschiebung der Wahl diene der | |
Gesundheit der Bevölkerung, heißt es auf der Botschaftswebseite. Der | |
Ausschluss bestimmter Kandidaten entspräche den Gesetzen, da die | |
Ausgeschlossenen sich für die Unabhängigkeit Hongkongs, dessen | |
Selbstbestimmung oder die Einmischung des Auslands eingesetzt hätten. Dies | |
gefährde Wohlstand und Stabilität Hongkongs, das Chinas interne | |
Angelegenheit sei. | |
Die „irrigen Bemerkungen“ der deutschen Seite seien „eine ernste Verletzu… | |
des Völkerrechts“. Deshalb behalte sich China weitere Reaktionen vor. Dass | |
die Erklärung im Unterschied zu den meisten Statements auf der Webseite der | |
Botschaft in Englisch statt in Deutsch verfasst wurde, lässt darauf | |
schließen, dass sie direkt aus Peking stammt und eine Kopie der Reaktion | |
auf ähnliche Schritte anderer Staaten ist. | |
Nach Meinung der Hongkonger Opposition verletzt Chinas Regierung das | |
Völkerrecht. Mit dem neuen Sicherheitsgesetz hebele sie die Autonomie und | |
Selbstverwaltung Hongkongs aus, die der Stadt 1984 völkerrechtlich mit | |
einem Vertrag zugesagt worden waren. | |
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestags, die | |
FDP-Abgeordnete Gyde Jensen, bezeichnete Maas’ Aussetzung des | |
Auslieferungsabkommens als „längst überfälligen Schritt“. Der Außenmini… | |
dürfe es nicht dabei belassen. „Es müssen weitere Maßnahmen folgen, um den | |
Druck auf Peking weiter zu erhöhen.“ Sie fordert, personenbezogene | |
Sanktionen gegen chinesische KP-Funktionöre auf EU-Ebene zu prüfen und den | |
von Maas bislang lediglich verschobenen EU-China-Gipfel ganz abzusagen. | |
Auffällig ist, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in China großes | |
Ansehen genießt, bisher nicht geäußert hat. | |
2 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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