# taz.de -- Unterbringung einer Familie: Mit Kindern in die Sammelunterkunft | |
> Eine alleinerziehende Mutter soll aus ihrer Wohnung in eine | |
> Flüchtlingsunterkunft umziehen, unter anderem, weil sie eigenmächtig | |
> renoviert hat. | |
Bild: Früher Truppenübungsplatz, heute Flüchtlingsunterkunft: Ehra-Lessien | |
HAMBURG taz | Eine alleinerziehende geflüchtete Mutter mit sieben Kindern | |
soll aus ihrer Wohnung in eine Sammelunterkunft umziehen. Diese Anordnung | |
begründete der Landkreis Gifhorn mit Beschwerden der Nachbarn, dem Wohl der | |
Kinder und damit, dass Dina N. eigenmächtig renoviert habe. Die Familie | |
klagt gegen den Bescheid. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert die | |
Umzugsaufforderung als „absurd und rechtswidrig“. | |
Die Familie aus der Republik Moldau wohnt seit zweieinhalb Jahren in Osloß | |
bei Wolfsburg und soll jetzt in eine Unterkunft auf einem ehemaligen | |
Truppenübungsplatz in Ehra-Lessien umziehen. Wie aus der Umzugsverfügung | |
hervorgeht, wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Ihre Duldung erlischt Ende | |
August. Der Fall der Familie liegt nach Angaben ihrer Anwältin bei der | |
niedersächsischen Härtefallkommission. | |
„Der Landkreis zwingt die Familie inmitten der Corona-Pandemie, in eine | |
Sammelunterkunft zu ziehen – und dies, obwohl es angesichts der Enge | |
bekanntermaßen unmöglich ist, Corona-Schutzmaßnahmen und Abstandsregeln | |
einzuhalten, kritisiert Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchlingsrat. Im Juni | |
standen nach einem Corona-Ausbruch alle 160 Bewohner der Unterkunft | |
Ehra-Lessien unter [1][Quarantäne]. | |
Laut der EU-Aufnahmerichtlinie dürfe die Familie nur dann verpflichtet | |
werden, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, wenn sie dort | |
ausschließlich mit Alleinerziehenden und ihren minderjährigen Kindern | |
untergebracht würde. „Solch eine spezifische Unterbringungsmöglichkeit | |
existiert in Ehra-Lessien jedoch nicht“, sagt Öztürkyilmaz. Der Kreis gibt | |
an, es handele sich bei dem Gebäude, in das die Familie ziehen soll, um ein | |
„Haus speziell für alleinerziehende Mütter und Familien“. | |
Aus Sicht des Flüchtlingsrats und der Anwältin der Familie reicht das | |
nicht. Angesichts der vielen alleinstehenden Männer in anderen Häusern der | |
Großunterkunft mache sich die Mutter Sorgen um ihre fünf Töchter. Das gelte | |
insbesondere für die älteste Tochter, die nach einem Vergewaltigungsversuch | |
in Moldau traumatisiert sei und eine Umgebung mit lauter alleinstehenden | |
Männern nicht ertragen könne. | |
Öztürkyilmaz wirft dem Landkreis vor, dass er gegenüber der Familie mit | |
unspezifizierten Vorwürfen hantiere. In der Verfügung ist von „Beschwerden | |
von Nachbarn, seitens der Dorfgemeinschaft und seitens des Vermieters | |
bezüglich des Verhaltens in der Dorfgemeinschaft“ sowie Klagen über die | |
Abfallentsorgung, Mülltrennung und Grundstückspflege die Rede. Außerdem | |
seien die minderjährigen Kinder zum Teil unbeaufsichtigt in der Wohnung | |
gewesen. | |
Am detailliertesten geht die Verfügung auf die eigenmächtige Renovierung | |
der Wohnung ein. Dina N. hatte auf eigene Rechnung den Teppichboden durch | |
Laminat ersetzt und einige Möbel ausgetauscht. N. behauptet, sie habe dafür | |
eine mündliche Zusage gehabt, der Landkreis behauptet das Gegenteil. | |
Der Teppich habe schlecht gerochen und sei so verschmutzt gewesen, dass sie | |
sich als Asthmatikerin Sorgen um ihre Gesundheit machte, sagt Dina N. Er | |
sei nicht mehr zu reinigen gewesen. Es sei ihr nichts anderes übrig | |
geblieben, als ihn zu ersetzen. In der Küche habe außer dem Herd nichts | |
mehr funktioniert. | |
„Der Landkreis hat die gesundheitlichen Beschwerden der Frau N. monatelang | |
ignoriert und bestraft die Familie nun dafür, ihre Wohnsituation | |
eigenständig verbessert zu haben“, kritisiert Öztürkyilmaz. Das sei nicht | |
nur absurd und gesundheitsgefährdend sondern auch juristisch fragwürdig. | |
„Es ist unverhältnismäßig, die Familie zum Auszug zu zwingen, weil sie die | |
Wohnung ohne Erlaubnis renoviert und damit im Ergebnis aufgewertet hat“, | |
findet der Referent des Flüchtlingsrates. | |
## Grund des Auszuges seien Beschwerden | |
Der Landkreis sieht das anders: Er habe die Wohnung vor dem Einzug von | |
Familie N. renovieren und den Teppich gründlich reinigen lassen. „Bei | |
Einzug in der Wohnung gab es seitens der Familie keine Beanstandungen“, | |
teilt der Landkreis mit. Für Hygiene und Sauberkeit seien die Bewohner | |
außerdem selbst verantwortlich. | |
Im übrigen sei der Grund des Auszuges „ausdrücklich nicht die eigenständig | |
durchgeführte Renovierung, sondern die zunehmenden Beschwerden von Nachbarn | |
und Schule bezüglich der Verhaltensweisen gegenüber dem sozialen Umfeld“. | |
Der Vermieter habe sich über das Verhalten in der Wohnung, die Wahrung des | |
Hausfriedens und die Sauberkeit beschwert. | |
All das hätten Vertreter des Landkreise mehrfach eingehend erörtert. Die | |
Familie habe aber keine Einsicht gezeigt und sei nicht bereit gewesen, ihr | |
Verhalten zu ändern. „Durch den Umzug in die Gemeinschaftsunterkunft ist | |
eine intensivere Betreuung in allen Lebenslagen der Familie gewährleistet“, | |
schreibt der Kreis. | |
Er wüsste gerne, wer sich wann worüber genau beschwert habe, sagt | |
Öztürkyilmaz. N. versichert, wenn sie ihre kleinen Kinder zu Hause gelassen | |
habe, dann immer unter Aufsicht ihrer 17-jährigen Tochter. Für Öztürkyilmaz | |
ist klar: Für die Familie werde das Leben durch einen Umzug bloß | |
schwieriger, die Wege würden weiter. Einige der Kinder müssten die Schule | |
wechseln. | |
30 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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