# taz.de -- Berliner Stimmen aus der Quarantäne (9): „Ich will tanzen“ | |
> Die Schriftstellerin Sarah Schmidt hat mit dem Stricken angefangen und | |
> freut sich darauf, wenn die Berliner Clubs irgendwann wieder aufmachen. | |
Bild: Wann wird es wieder DJ-Sets mit Publikum geben? | |
taz: Frau Schmidt, was würden Sie in einer Welt ohne Covid 19 gerade | |
machen? | |
Sarah Schmidt: Vermutlich genau das, was ich auch jetzt tue. Am | |
Schreibtisch sitzen, ein Manuskript überarbeiten, ein anderes beginnen. | |
Obwohl, mir ist eine spezielle Recherche nicht möglich. Es geht um Berliner | |
Clubs, die in meinem neuen Roman vorkommen. Da müsste ich noch etwas | |
nachprüfen, das geht aber aus den bekannten Gründen nicht. Ich hoffe auf | |
den Herbst. | |
Was haben Sie zuletzt gestreamt, das Sie besonders gut oder schlecht | |
fanden? Und warum? | |
Ich habe den Bachmannpreis fast vollständig gestreamt. Fand ich ziemlich | |
gelungen, bis auf die fehlende Zeit für die GewinnerInnen. Es war unwürdig, | |
ihnen aus Zeitgründen jede Reaktion zu verbieten. Auch den Podcast vom | |
[1][Literaturcafé] habe ich dabei täglich mitverfolgt. Ganz toll aus der | |
letzten Zeit sind auch die alten Tonbandaufnahmen von [2][Wolfgang | |
Siebeck]. Ein riesiges Vergnügen! Da lebt das alte Westberlin mit seiner | |
grausam schlechten Küche wieder auf. Auch sehr schön, wie er sich langsam | |
betrinkt. Das höre ich und tue es ihm nach. | |
Was halten Sie vom (oft kostenlosen) Streaming von Theateraufführungen, | |
Konzerten, DJ-Sets oder Lesungen? | |
Tja. Mich erreicht das alles eher nicht. Ich verbringe schon ohne Corona | |
viel Zeit am Computer, in meiner Freizeit zieht es mich nach draußen und | |
unter Menschen. Ich verstehe die Künstler total, aber mich deprimiert ein | |
DJ-Set ohne Publikum mehr, als dass es mich zum Tanzen bringt. | |
Welchen Ort in Berlin vermissen Sie gerade am meisten? | |
Ich will tanzen! Reicht das als Antwort? | |
Womit vertreiben Sie sich aktuell am liebsten die Zeit? Welche Routinen | |
haben Sie seit dem Lockdown entwickelt? | |
Am letzten Tag vor dem Lockdown habe ich mir ein 10.000-Teile Puzzle | |
gekauft. Für ein paar Tage hat das prima als Ablenkung für den Kopf | |
funktioniert, genau bis zu dem Tag, an dem der Kater es entdeckt hat... | |
Dann habe ich angefangen zu stricken. Wolle interessiert den Kater zum | |
Glück nicht. Ansonsten hat sich nicht so viel verändert. Nur dass ich | |
manchmal in Panik gerate, meine Maske vergessen zu haben. Heute Nacht habe | |
ich das sogar geträumt. | |
Ist die Pandemie nur Krise oder auch Chance? | |
Nur Krise. So viele Tote. So viele auf diversen Ebenen dauerhaft | |
Geschädigte. So viele, die alleine sind, ohne es zu wollen. Nein, ich kann | |
daran nichts Positives finden. Ich empfinde es als wohlfeil, wenn Menschen | |
jetzt zum Beispiel die Vorteile vom Homeoffice oder die Zeit loben, die sie | |
mit ihren Kindern verbringen dürfen, oder darüber sprechen, wie toll es | |
ohne Flugzeuglärm ist. Ich befürchte, es wird weder für die Krankenhäuser | |
noch für alle anderen sozialen Tätigkeiten spürbare Verbesserungen geben. | |
9 Jul 2020 | |
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[2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/lange-nacht-ueber-wolfram-siebecks-gou… | |
## AUTOREN | |
Ole Schulz | |
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