# taz.de -- Berliner Stimmen aus der Quarantäne (6): Die Lebensfreude ist auf … | |
> Die Berliner Comic-Zeichnerin, Künstlerin und Autorin Katharina Greve | |
> über das Fehlen von Überschwang und Überraschungen in Zeiten von Covid | |
> 19. | |
Bild: Erschien 2016 im taz Plan – im September nun im avant-verlag: „Die le… | |
taz: Was würden Sie in einer Welt ohne Covid 19 gerade machen? | |
Katharina Greve: Ich wäre gerade vom [1][Internationalen Comic-Salon in | |
Erlangen] zurückgekommen, der wichtigsten Veranstaltung für die | |
deutschsprachige Comic-Szene. Vier Tage lang hätte ich alte Freund*innen | |
und feine Kolleg*innen getroffen, famose Ausstellungen gesehen und mir die | |
Nächte in meiner liebsten Erlanger Kneipe „Schwarzer Ritter“ um die Ohren | |
geschlagen. Natürlich hätte ich auch mal wieder zu viele Bücher gekauft. | |
Dieses schreckliche Schicksal ist mir nun erspart geblieben. | |
Was haben Sie zuletzt gestreamt, das Sie besonders gut oder schlecht | |
fanden? Und warum? | |
Ich höre beim Zeichnen sehr gern klassisches Radio, vor allem | |
Deutschlandfunk. Dort findet man live oder in der Mediathek immer | |
interessante Sendungen. Die „[2][Lange Nacht]“ über Wolfram Siebecks | |
Gourmetreisen – drei Stunden Tonbandaufnahmen seiner Restaurantkritiken – | |
habe ich nun schon zweimal gehört, da ich sie so hinreißend komisch finde. | |
Was halten Sie vom (oft kostenlosen) Streaming von Theateraufführungen, | |
Konzerten, DJ-Sets oder Lesungen? | |
Sie mögen ein wenig über die auftrittslose Zeit hinweghelfen, vielleicht | |
den Künstler*innen mehr als den Zuschauenden, um sichtbar zu bleiben, um | |
der Zeit eine Struktur zu geben. Eine echte Lösung sind sie aber nicht. Zum | |
einen sind sie nur ein matter Abglanz des echten Erlebnisses vor Ort. Und | |
zum anderen verwässern sie weiter das Wissen darum, dass Kultur Arbeit ist, | |
die bezahlt werden muss. | |
Welchen Ort in Berlin vermissen Sie gerade am meisten? | |
Es ist kein konkreter Ort, den ich vermisse. Mir fehlt das Überraschende, | |
das Unabsichtliche, der Überschwang. All das, was nur durch eine gewisse | |
Menge und Dichte an Menschen entstehen kann. | |
Womit vertreiben Sie sich aktuell am liebsten die Zeit? Welche Routinen | |
haben Sie seit dem Lockdown entwickelt? | |
Der Kern meines Arbeitslebens hat sich nicht gravierend verändert. Zwar | |
sind alle Messen, Ausstellungseröffnungen und Lesungen ausgefallen, die | |
Zeichnerei am heimischen Schreibtisch jedoch geht weiter. Gerade sitze ich | |
am nächsten Buch, das im September im [3][avant-verlag] erscheinen wird: | |
„Die letzten 23 Tage der Plüm“. Einigen Berliner taz-Leser*innen mag das | |
bekannt vorkommen. | |
Das Buch basiert auf einer Comic-Strip-Serie, die ich 2016 für den taz Plan | |
gezeichnet habe. Es geht um einen drohenden Weltuntergang auf dem kleinen | |
Planeten Plümos und die Unfähigkeit zum klugen Handeln angesichts der | |
Katastrophe. Ungeplant aktuell. | |
Ist die Pandemie nur Krise oder auch Chance? | |
Die Welt ist mit einem Sprung deutlich schlechter geworden. All das Leid, | |
das wir schon als normal betrachten, geht ja weiter, hier und überall. Dann | |
kommt noch Corona obendrauf. Und die Lebensfreude ist vorerst auf | |
Kurzarbeit. Es besteht vielleicht die winzige Chance, dass einige der | |
systemrelevanten Beschäftigen hierzulande ein paar Euro mehr und bessere | |
Arbeitsbedingungen bekommen – was mich natürlich freuen würde. Aber summa | |
summarum: eine schlechte Ausbeute. | |
19 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.comic-salon.de/de | |
[2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/lange-nacht-ueber-wolfram-siebecks-gou… | |
[3] http://www.avant-verlag.de | |
## AUTOREN | |
Antonia Herrscher | |
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