# taz.de -- Berliner Stimmen aus der Quarantäne (7): Wenn das Techno-Patriarch… | |
> Livestreams interessieren im Moment eh niemanden, so der Berliner | |
> Konzertveranstalter Ran Huber. Doch wer weiss, wie das in ein paar Jahren | |
> aussieht. | |
Bild: Ran Huber (ganz links) and friends | |
taz: Herr Huber, Was würden Sie in einer Welt ohne Covid 19 gerade machen? | |
Ran Huber: ich würde diverse Shows bewerben, organsieren und betreuen, die | |
von mir in Berlin gebucht waren. So ist den Berliner*innen zum Beispiel das | |
Sommeronzert der fantastische Italo Cover Band Adriano Celentano | |
Gebäckorchester durch die Lappen gegangen. Oder auch das 11. [1][Down by | |
the River Festival], das nun im Netz stattfindet (10.-21. 8.), allerdings | |
nicht als Konzert-Livestream, weil das momentan eh keinen interessiert. Im | |
August werden ausserdem zwei Shows im [2][Urban Spree Biergarten] | |
stattfnden. Noch sind die Leute eher der Realität verbunden und dem | |
Analogen verhaftet. Wer weiß, wie das in ein paar Jahren aussieht. | |
Ebenso hätte ich in den letzten Wochen Öffentlichkeitsarbeit für Konzerte | |
gemacht, beispielsweise für die von [3][Yvon] oder von [4][Die Sterne] | |
(beide [5][Festsaal Kreuzberg], beide abgesagt beziehungsweise verschoben). | |
Ich hätte vielleicht Artikel, Konzert-Tipps und Ankündigungen in Ticket und | |
[6][Zitty] oder dem [7][taz Plan]. Leider existieren diese Plattformen | |
nicht mehr oder pausieren auf unbestimmte Zeit. | |
Doch wenn die Berliner Konzert-, Club- und Kulturlandschaft nicht mehr | |
abgebildet wird, ist diese akut bedroht. Außerdem bedeutet der Wegfall von | |
lokalem Journalismus auch eine Bedrohung der Demokratie! Normalerweise | |
würde ich auch diverse Künstler*innen in Radio Eins unterbringen, aber die | |
beschäftigen sich seit Corona nur noch mit sich selbst. | |
Aber auch in einer Welt ohne Covid-19 würde mich die unsichere Zukunft | |
Berliner Clubs, Läden und Geschäfte beschäftigen, doch momentan rechne ich | |
vielen Orten nur noch sehr kleine Chancen aus. Wenn jetzt nicht | |
flächendeckender Mietenerlass, oder zumindest -nachlass kommt, dann Gute | |
Nacht, Berlin! | |
Allgemein gesagt: Ich hätte einen anderen Modus Operandi und wäre weniger | |
(selbst)reflektiert. | |
Was haben Sie zuletzt gestreamt, das Sie besonders gut oder schlecht | |
fanden? Und warum? | |
Was ich schlecht fand, sag ich natürlich nicht. Generell gilt: Konzert- | |
oder DJ Streams sind öd. Ausnahmen ([8][Pilocka Krach]) bestätigen die | |
Regel. Gut waren die vorproduzierten Streams der Grether Schwestern, für | |
ihre Formate „[9][Krawalle & Liebe]“ und „[10][Ich brauche eine Genie]“, | |
weil hier beispielweise tolle Gäste wie Alice Hasters oder Mark Terkessides | |
sehr Interessantes zu Themen wie etwa Rassismus sagen konnten (und das | |
schon lange vor der Hinrichtung George Floyds). | |
Gut war der erste Wohnzimmer Livestream von [11][Der Nino], weil er halt | |
Der Nino ist. Sehr informativ war der erste Stream des Journalisten Peter | |
Bierl zum Thema „Geschichte der Verschwörungstheorien“,weil er hier anhand | |
der Geschichte der letzten 2000 Jahre sehr schön die immer wiederkehrenden | |
Versatzstücke von VTs aufarbeitet, und dabei gut herausarbeitet, dass die | |
aktuelle „Bill Gates“-VT im Grunde auch nur eine verkappte Antisemitische | |
ist, wie ja 80% aller VTs (Die Legende von den Strippenziehern). | |
Was halten Sie vom (oft kostenlosen) Streaming von Theateraufführungen, | |
Konzerten, DJ-Sets oder Lesungen? | |
Das finde ich gut – als Zwischenlösung, bzw in seuchenfreien Zeiten: als | |
gelungenes Zusatzfeature, für die, die z.B. kein Ticket mehr ergattern | |
konnten, oder die, die es sich schlicht nicht leisten könnten, oder für | |
die, die zu weit weg wohnen, oder die, die nicht so kulturaffin sind. Auf | |
lange Sicht gilt aber: es muss Geld für die Kulturschaffenden generiert | |
werden, ob im Netz oder auf der Livebühne. In einer idealen Welt wäre | |
(Konzert-)Kultur, egal ob live, analog oder digital, kostenlos zu | |
geniessen. | |
Welchen Ort in Berlin vermissen Sie gerade am meisten? | |
[12][about:blank], [13][Acker Stadt Palast], [14][Acud], [15][arkaoda], | |
[16][Alter Roter Löwe Rein], [17][ausland]... Und noch 300-400 andere tolle | |
Läden mit den Anfangsbuchstaben B-Z. | |
Womit vertreiben Sie sich aktuell am liebsten die Zeit? Welche Routinen | |
haben Sie seit dem Lockdown entwickelt? | |
Reden, schwimmen, frühstücken, entdecken, nachdenken, lachen, weinen. | |
Routinen: abgeschafft. | |
Ist die Pandemie nur Krise oder auch Chance? | |
Beides zugleich. Wir stehen gerade auf der Kippe, vor einem | |
Paradigmenwechsel. Entweder gewinnt das Techno-Patriarchat (was die fast | |
gesamte Auslöschung der Menschheit zur Folge hätte) oder die Anderen. | |
Kinder und Narren zum Beispiel (siehe auch das Vorwort von Virginies | |
Despentes zu ein „[18][Apartment auf dem Uranus]“, dem neuen Buch von Paul | |
Preciado). | |
26 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/downbytheriverberlin/ | |
[2] https://www.urbanspree.com/event/urban-spree-biergarten/ | |
[3] https://www.facebook.com/events/938057169927016/permalink/1106567263076005/ | |
[4] https://www.facebook.com/events/253972582662262/ | |
[5] https://festsaal-kreuzberg.de/ | |
[6] /Aus-fuer-Stadtmagazin/!5691298&s=zitty/ | |
[7] /!t5614025/ | |
[8] https://soundcloud.com/pilocka | |
[9] https://lfbrecht.de/events/kategorie/reihe/?reihe=Grether-Salon&y= | |
[10] https://www.ichbraucheeinegenie.de/ | |
[11] https://www.facebook.com/DerNinoAusWien | |
[12] http://aboutparty.net/ | |
[13] http://www.ackerstadtpalast.de/ | |
[14] https://acudmachtneu.de/ | |
[15] http://berlin.arkaoda.com/ | |
[16] https://www.facebook.com/Loewerein/ | |
[17] https://ausland-berlin.de/ | |
[18] http://buzzaldrins.de/2020/06/04/ein-apartment-auf-dem-uranus-paul-b-preci… | |
## AUTOREN | |
Antonia Herrscher | |
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