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# taz.de -- Corona-Maßnahmen in NRW und Berlin: Tönnies legt Gütersloh lahm
> Im Kreis Gütersloh, Sitz der Tönnies-Fleischfabrik, gelten wieder
> Beschränkungen. Berlin erlaubt trotz hoher Corona-Zahlen beliebige
> Kontakte.
Bild: Szene außerhalb des Wohnheims für Tönnies-Werksangestellte
Berlin taz | Tagelang hatte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident
Armin Laschet (CDU) nach dem massiven Corona-Ausbruch bei Beschäftigten des
Großschlachthofs Tönnies mit generellen [1][Einschränkungen für den Kreis
Gütersloh] gehadert, am Dienstagvormittag dann aber verhängte er ihn doch:
Für die mehr als 370.000 Einwohnerinnen und Einwohner des Kreises gelten ab
sofort wieder die strengen Kontaktbeschränkungen und Versammlungsverbote,
wie sie im März bundesweit verfügt worden waren.
Es ist das erste Mal, dass Lockerungen für eine ganze Region wieder
zurückgenommen werden. Die Auflagen, so Laschet, seien zunächst bis zum 30.
Juni verbindlich; je nach Infektionsgeschehen würden sie dann entweder
aufgehoben oder verlängert.
Ab sofort dürfen im Kreis Gütersloh und in mehreren Gemeinden des
angrenzenden Kreises Warendorf im Freien gemeinsam nur noch „Gruppen“ von
maximal zwei Menschen unterwegs sein sowie die Mitglieder eines Haushalts.
Sport in geschlossenen Räumen ist wieder verboten, Kinos und Bars müssen
dicht machen, ebenso Hallenschwimmbäder, Fitnessstudios, Museen und
Galerien. Reisebusfahrten sind untersagt. Die Schulen und Kitas des Kreises
waren bereits vor einer Woche und bis zu den Sommerferien kreisweit
geschlossen worden; betroffen von dieser Maßnahme sind rund 50.000 Kinder.
Restaurants bleiben zwar geöffnet, dürfen aber nur von den Mitgliedern
eines Haushalts gemeinsam besucht werden. Auch ein „Ausreiseverbot“ für die
Bürgerinnen und Bürger des Kreises gebe es nicht, erklärte Laschet mit
Blick auf die nahenden Sommerferien. Er appelliere jedoch „dringend, jetzt
nicht aus dem Kreis rauszufahren“.
## Kostenlose Tests für alle
Von den 7.000 Beschäftigten des [2][Fleischkonzerns Tönnies] aus
Rheda-Wiedenbrück waren bis Sonntagabend 1.553 positiv auf das Coronavirus
getestet worden; die meisten von ihnen waren in der Fleischzerlegung tätig,
wo die Arbeitsbedingungen seit jeher besonders prekär sind. Der Betrieb ist
inzwischen geschlossen, alle Beschäftigten, auch die Nichtinfizierten,
stehen unter Quarantäne.
Neue Fälle, so Laschet, könne es aber auch in den Familien geben. Daher sei
die Zahl der Infizierten insgesamt vermutlich höher. Außerhalb des Umfelds
des Schlachtbetriebs gebe es derzeit allerdings nur 24 Infizierte im Kreis.
Der Lockdown erfolge insofern „aus Vorsicht“. SPD-NRW-Fraktionschef Thomas
Kutschaty kritisierte, die nun ergriffenen Maßnahmen kämen „zu spät“.
Die Testungen auf das Virus sollen unterdessen stark ausgeweitet werden.
„Alle Bürger im Kreis haben die Möglichkeit, sich freiwillig kostenlos
testen zu lassen“, sagte Laschet. Getestet werden sollten auch die Menschen
„in allen Alten- und Pflegeheimen“ sowie „alle Mitarbeiter der
Fleischindustrie in Nordrhein-Westfalen“.
Auch in zentralen Werksunterkünften anderer fleischverarbeitender Betriebe,
in denen viele der oft aus Osteuropa stammenden Arbeiter unter teils
erbärmlichen Bedingungen leben, wie der katholische Pfarrer Peter Kossen
aus Lengerich am Dienstag im Deutschlandfunk beklagte, müsse ebenfalls
präventiv getestet werden, um Infektionen frühzeitig zu erkennen und
weitere Ausbrüche zu vermeiden.
## Berlin beschließt Ende der Kontaktbeschränkungen
Ganz anders ist die Lage in Berlin: Obwohl es in der Hauptstadt in den
letzten Wochen pro Kopf mehr Neuinfektionen als in jedem anderen Bundesland
gab – und dreimal so viele wie im Bundesdurchschnitt – hat der Senat am
Dienstag beschlossen, dass sämtliche Kontaktbeschränkungen in der
Öffentlichkeit vom Wochenende an aufzuheben. Bisher durften sich maximal 5
Personen oder Angehörige aus 2 Haushalten treffen. Auch dürfen sich mit
einer Person je 10 Quadratmeter in Geschäften künftig doppelt so viele
Menschen aufhalten wie bisher. Verschärft wurde hingegen die Maskenpflicht
im ÖPNV: Hier soll es bei Verstößen künftig ein Bußgeld geben.
Die Gesamtzahl der neuen Corona-Infektionen ist durch die Ausbrüche bei
Tönnies und – in geringerem Ausmaß – in Berlin und anderen Städten
bundesweit wieder deutlich angestiegen. Während vor einer Woche im
7-Tage-Schnitt rund 330 neue Infektionen pro Tag gemeldet wurden, sind es
aktuell mit 575 rund 75 Prozent mehr. Auch ohne die Fälle aus dem
Tönnies-Werk wäre der leicht abnehmende Trend der letzten Wochen in dieser
Woche gestoppt worden.
Der Präsident des staatlichen Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, mahnte
am Dienstag darum auch zur Vorsicht: „Wir müssen weiterhin achtsam sein“,
sagte er. Denn das Virus sei nicht verschwunden. „Wenn wir ihm die Chance
geben, sich auszubreiten, nimmt es sich diese Chance“, so Wieler. Zu den
örtlichen Gesundheitsbehörden, die über Maßnahmen entscheiden, hat der
Behördenchef aber großes Vertrauen. „Sie gucken sehr genau und sind sehr
wachsam“, sagte Wieler.
Weitere regionale Ausbrüche hält er für wahrscheinlich. „Ich denke nicht,
dass die Lockerungen völlig folgenlos bleiben werden“, sagte Wieler. Das
bedeute aber nicht, dass es zu einer bundesweiten zweiten Welle kommen
müsse. Diese könne mit den „erprobten Instrumenten“ verhindert werden: �…
haben es in der Hand.“
23 Jun 2020
## LINKS
[1] /Nach-Corona-Ausbruch-bei-Toennies/!5696795
[2] /Nach-Corona-Ausbruch-in-Schlachthof/!5691069
## AUTOREN
Heike Haarhoff
Malte Kreutzfeldt
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