# taz.de -- Trans-Aktivistin aus Chile: Sichtbarkeit durch Körpereinsatz | |
> Carolina Espinoza Barrera kam nach Deutschland, um als trans Person und | |
> Oppositionelle nicht länger in Gefahr zu sein. Hier geht ihr Kampf | |
> weiter. | |
Bild: Carolina Espinoza Barrera | |
BERLIN taz | „Mein Körper“, so schreibt Carolina Espinoza Barrera in | |
spanischen Worten auf Instagram, „ist mein einziges Erbe und er ist meine | |
Form, trans Personen sichtbar zu machen.“ Das gelingt ihr mit Bravour – | |
gerade in der derzeitigen Pride-Saison. | |
„Schluss mit dem Genozid an trans Menschen in Lateinamerika und der | |
Karibik“, stand auf dem Schild der 32-Jährigen beim alternativen Berliner | |
CSD. Vergangenen Samstag demonstrierte sie für die [1][Belange von | |
Sexarbeiter*innen] in Hamburg. Und an den Demonstrationen von | |
Mapuche-Indigenen vor der chilenischen Botschaft ist sie auch beteiligt. | |
2019 kam Barrera als Asylsuchende nach Deutschland. Nicht länger wollte sie | |
– trans und oppositionell – in Chile gefährdet sein. „Das Bild, das Chile | |
nach außen vermittelt, um Arbeitskräfte aus anderen lateinamerikanischen | |
Ländern zu locken, ist nicht real“, erklärt Barrera am Telefon. Präsentiert | |
würden eine stabile Wirtschaft und Menschenrechte, neuerdings auch die | |
Möglichkeit, nach einer Transition den Vornamen zu ändern. | |
Doch das Leben von Migrant*innen, Queers und Indigenen sei im | |
langgestreckten Andenstaat nicht viel wert. „Das neoliberale System ist | |
kaputt. Das Land wird verkauft, selbst das Wasser ist privatisiert, und die | |
Einzigen, die profitieren, sind die Reichen und die Militärs“, sagt sie. | |
Sex- oder Zirkusarbeit als einzige Option | |
Barrera wuchs auf in San Bernardo, einer Vorstadt von Santiago. Dort hat | |
das Militär Tradition, Diktator Pinochet war hier Offiziersschüler. In | |
Barreras Jugend spöttelten die angehenden Offiziere bereits, wenn der | |
feminine Junge ängstlich aus dem Haus trat. Mit 17 Jahren verließ sie ihre | |
Familie, auch um die Mutter vor Anfeindungen zu schützen. Barrera ging ins | |
Zentrum von Santiago, verdiente sich auf dem Strich ihren Lebensunterhalt, | |
machte eine Ausbildung zur Kosmetikerin und geschlechtsangleichende | |
Operationen. | |
„Die einzige Arbeit, die man dort als trans Person ausüben kann, ist Sex- | |
oder Zirkusarbeit“, berichtet sie. „Ich bin intelligent und geschickt, | |
trotzdem wollte mich niemand anstellen.“ Untätig blieb Barrera jedoch | |
nicht. Im Verein Amanda Jofré setzt sie sich seitdem für die Akzeptanz von | |
trans Menschen ein, heute von Berlin aus. „Viele Freund*innen starben an | |
schlechten Silikon-Implantaten, an den Folgen von Aids oder sie wurden | |
schlicht mit einem Messer erstochen“, sagt Barrera. | |
Während der Pandemie gehe es bei dem Verein aus Santiago auch um die | |
Versorgung mit Essen und Kleidung für den chilenischen Winter. „Die | |
Staatshilfen, die es gibt, sind nicht erreichbar für trans Leute“, erklärt | |
die Neuberlinerin, die in Zukunft als Sozialarbeiterin arbeiten möchte. Sie | |
hofft, dass die Rechte von trans Menschen im [2][Verfassungsdiskurs] | |
gestärkt werden, den die Proteste im letzten Jahr erzwungen haben. „Ich | |
will kein besonders schönes Leben oder Privilegien“, sagt Barrera schlicht. | |
„Ich will einfach Respekt und die Achtung der Menschenrechte.“ | |
20 Jul 2020 | |
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[1] /Sexarbeit-und-Coronakrise/!5693491 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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