# taz.de -- Die Wahrheit: Quo vadis, Schlauchbootgeher? | |
> Bye-bye, Segway! Das Elektromobil ist in die Hölle der Geräte | |
> eingefahren. Drei weitere todgeweihte Fortbewegungsmittel der Zukunft. | |
Vorigen Mittwoch hat es uns bekanntlich verlassen, wir weinen dem | |
merkwürdigen Mobil keine Träne nach. Das elektrisch angetriebene | |
Einpersonenfahrzeug hieß bei seiner Erfindung um die Jahrtausendwende noch | |
schlicht Human Transporter. Doch mit der Umbenennung in Segway ging’s | |
bergab. Denn mit zwei auf derselben geometrischen Achse liegenden Rädern, | |
zwischen denen eine, meist touristisch treudoof aus der Wäsche schauende | |
Person mehr schlecht als recht und wackelig durch die Stadt balancierte, | |
war und ist einfach kein Staat geschweige denn Geld zu machen. Was aber | |
wird in nächster und übernächster Zeit noch schiefgehen auf dem windigen | |
Markt der Mobilität? Hier eine kleine, doch vollständige Liste. | |
## Einräder für Hunde | |
Gelauncht als „Doggy Wheel“ im März 2027, entpuppt sich der Hochsitz to go | |
für kleine, mittlere und größere Köter nach einem fulminanten ersten | |
Abverkauf als mittelfristiger Flop. Im Juni 2033 rollt das letzte Einrad | |
für Hunde in Frankfurt an der Oder vom Band. Weltweit waren zuvor über 43 | |
Tiere auf tragische Weise ums Leben gekommen. Nicht alle Vierbeiner hatten | |
das Prinzip des kontinuierlichen Tretens hoch zu Rad verstanden und waren | |
elendig verhungert. Futter der Sponsorenfima Frolic wurde nämlich nur | |
während real erfolgter Ausfahrt und eben ständigem Treten abgegeben. Warum | |
das Doggy Wheel und seine heikle Belohnungsstrategie anfangs überhaupt | |
Abnehmer fanden? Bianca Steiger vom Deutschen Einradverband hat am Telefon | |
vorab schon mal die Antwort: „Viele werden einfach froh sein, ihren Hund | |
eine Zeit lang nicht betreuen zu müssen. Gassi gehen soll der mit dem Doggy | |
Wheel und nicht mehr mit seinem Herrchen.“ Ein tragisches Missverständnis, | |
das, so viel wissen wir jetzt schon, im Jahr 2033 wieder aufgelöst werden | |
wird. | |
## Schlauchboot to go | |
In einem unter Wasser gesetzten Partykeller der Hipsterhochburg | |
Berlin-Neukölln wird, großzügig finanziert von der Daimler Mobility Group, | |
im Sommer 2021 das „Schlauchboot to go“ vom Stapel gelassen. Auch hier | |
fällt die Premiere finanztechnisch nicht gleich ins Wasser – im Gegenteil, | |
auf den diversen Hipsterfreizeitkanälen dieser Welt, seien es die | |
Amsterdamer Grachten, der Londoner Regents Canal oder die Paderborner | |
Plömme, ploppt das Schlauchboot to go bis in den Sommer 2022 hoch wie gar | |
nichts Gutes. | |
Und es ist ja auch eine selten bescheuerte Idee: Jeder Hipster trägt sein | |
eigenes kleines und aufblasbares Gummiboot stets wie einen schmalen | |
Schwimmreifen zu Lande und zu Wasser mit sich. Kommt es, auf welchem | |
Sozialenmedienkanal auch immer, zu einem Hipsterevent, wird das | |
Schlauchboot to go über eine App aufgeblasen und ist, laut Verkaufsprospekt | |
in Sütterlinschrift, „sofort für jeden Fun zu haben“. | |
Das Dumme dabei nur: Im Winter stört das Ding, auch wenn es nicht dicker | |
als eine Schaumwaffel ist, um die eigene Plauze herum. Lässt sich aber | |
nicht ändern, weil die Daimler Mobility Group nur Jahresverträge macht, die | |
irgendwo in einer Cloud lagern und erst Anfang Januar des Folgejahres | |
lokalisier- und kündbar sind. Ein einziges Desaster also, dem erst im Juno | |
2023 die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein Süd global den Stecker | |
ziehen wird. | |
## Füße ade | |
Lange unbemerkt, weil sowieso nur noch alle zu Hause in Liegeposition | |
zoomen, skypen, daddeln, essen oder schlafen, verschwindet das letzte paar | |
Füße zum Zufußgehen im für die Jahreszeit zu warmen März 2078 vom | |
menschlichen Radar. | |
Es sind die perfekt manikürierten, elfenartigen Käsemauken von Sieglinde | |
Müller-Mill aus Amarillo im US-Bundesstaat Texas. Die 97-Jährige, 1981 im | |
niederrheinischen Krefeld geborene Katzenhypnotiseurin, wollte nur mal kurz | |
raus, „Zigaretten holen“, als ihr am Rande des Highways 66, die Füße übe… | |
Boden final zusammenkrachten. Glück für Sieglinde Müller-Mill: Sie hatte | |
noch ein paar Kippen aus dem 20. Jahrhundert in ihrem Bademantel. | |
Insgesamt betrachtet lässt sich sagen: Hals- und Beinbruch für die | |
Mobilität der Zukunft! | |
21 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Harriet Wolff | |
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