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# taz.de -- Die Wahrheit: Im Durchzug
> Die Wuppertaler Initiative Open Doors gilt hierzulande vielen als das
> neue soziale Großexperiment. Was verbirgt sich hinter ihm?
Bild: Wenigstens Treppengeländer gibt es noch im Wuppertaler Open-Doors-Projek…
Thekla Winter begrüßt uns mit Hand aufs Herz. Sie ist die ehrenamtliche
Public-Relations-Koordinatorin des vom nordrhein-westfälischen
Wohnungsministerium geförderten Modellprojekts Open Doors, das gerade
bundesweit haushohe Wellen schlägt.
„Aber unsere drei nebeneinanderliegenden Mietshäuser hier Am Bilten in
Wuppertal-Oberbarmen stehen noch, Sie verstehen?“, lacht die humorige
47-jährige Ergotherapeutin sich einen so dicken Ast, dass dieser nicht
kleinzukriegen ist.
Um was geht es bei diesem spannendsten Experiment seit der deutschlandweit
flächendeckenden Aufstellung von Windrädern? Winter lockt uns in die
Hausnummer 17B. Ein mit Schlagstock und Kaugummi Bewaffneter sichert den
Hauseingang. Als er uns erblickt, salutiert der Bulle grinsend.
„Wir brauchen hier Am Bilten einen sicheren Schutz der Objekte, in denen
derzeit 29 Mietparteien leben. Warum?“ Thekla Winter zieht uns am Ärmel den
ersten Treppenabsatz hoch. „Gucken Sie genau hin, hier erster Stock rechts
bei Milzstein. Fällt Ihnen etwas auf?“
## Alles wie immer
Aufmerksam studieren wir das vor uns liegende Tableau. Frau Milzstein
lackiert sich ihre Fußnägel feuerrot, Herr Milzstein drischt auf einen
Computer aus der Steinzeit ein, der wohl nicht so will, wie er wohl will.
Alles wirkt recht unsortiert, leicht muffig in dieser Etagenwohnung. Was
soll da anders sein, als in Millionen anderen deutschen Haushalten?
Erst als wir nach dem Klingelknopf suchen, fällt es uns wie verhornte
Schuppen von den Augen: Milzsteins haben überhaupt gar keine Wohnungstür!
Niente! Vom Treppenabsatz lässt sich die ganze menschliche Misere hautnah
miterleben. Unser geschulter Rechercheblick wandert jetzt hinüber zum
ersten Stock links.
„Da lebt Herr Berls, er bittet Sie sicher gern hinein. Herr Berls?“, flötet
PR-Frau Winter. Tatsache, ein schmächtiger Mann mit Hornbrille und
Aktentasche im Anschlag winkt an einer düsteren Küchenzeile. „Brauchen Sie
Zucker oder Mehl?“, ruft er uns erstaunlich freundlich zu. Wir verneinen,
fragen stattdessen nach dem sozial- und raumpsychologischen Sinn des
Experiments.
„Keine Ahnung, da müssen Sie die im Ministerium fragen. Aber wir zahlen
weniger Miete.“ Herr Berls wirkt zufrieden, wir verabschieden uns. Nächste
Woche rufen wir dann bei der zuständigen Behörde an. Und Thekla Winter
drückt uns beim Adieu noch einen 36-seitigen Infoflyer in die Hand.
28 Aug 2020
## AUTOREN
Harriet Wolff
## TAGS
sozialforschung
Einrichtung
Miete
US-Wahl 2024
Kolumne Die Wahrheit
Olaf Scholz
Mobilität
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