# taz.de -- Extra-Eiweiß in der Nahrung: Mit Quark zu Muskeln | |
> Ein Plus an Eiweiß kann beim Abnehmen und Muskelaufbau helfen. Notwendig | |
> sind mit Proteinen angereicherte Lebensmittel nicht. | |
Bild: Proteinhaltige Nahrung nach dem Training fördert den Muskelaufbau | |
MÜNCHEN taz | Proteinriegel, Eiweißshakes, Eiweißbrot, Nudeln aus | |
Hülsenfrüchten oder Proteinkäse – bei vielen Produkten im Supermarkt wird | |
seit einiger Zeit suggeriert, dass ein Plus an Eiweiß nottut, um gesund zu | |
bleiben. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erzielten mit | |
Proteinen angereicherte Lebensmittel in den vergangenen vier Jahren | |
durchschnittlich ein Umsatzplus von mehr als 60 Prozent. | |
Brote sowie Riegel werden etwa mit Sojaschrot, Weizeneiweiß oder | |
verschiedenen Samen versetzt. In Proteinshakes findet man vor allem | |
Molkepulver. Die Hersteller sprechen damit die breite Masse an. Denn: | |
Proteinreiches soll eine Art Wunderwaffe sein beim Muskelauf- und beim | |
Speckabbau, ideal zum allseits beliebten „Bodyshaping“. Darüber hinaus | |
verbessere ein Plus an Proteinen allgemein die Gesundheit und verlängere | |
das Leben, so die mittlerweile bei vielen Laien verbreitete Meinung. Doch | |
was ist von diesem Trend zu halten? | |
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten [1][mindestens | |
0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht täglich auf dem Speiseplan | |
stehen], das sind 56 Gramm bei einem 70-Kilo-Mann und entspricht etwa 15 | |
Prozent der täglichen Energieaufnahme. Denn der Körper braucht Eiweiß als | |
Bausubstanz für Zellen, Hormone oder Enzyme. Diese Menge reicht laut DGE | |
allerdings auch für den Muskelaufbau eines Hobbysportlers, er braucht keine | |
Extraproteine. Nur Kraftsportler sollten 1,2 g/kg Körpergewicht aufnehmen | |
und Ausdauersportler 1,6 g/kg Körpergewicht. Für gezielten Muskelaufbau | |
sollten kurz nach dem Training 20 Gramm Eiweiß verzehrt werden, das steckt | |
etwa in 200 Gramm Quark. Wer seine gewünschte Muskelmasse erreicht hat, | |
kann dann allerdings diese höheren Proteinrationen absetzen. | |
Tatsächlich verzehren die Deutschen mit 1,5 g/kg Körpergewicht und 20 | |
Prozent der täglichen Energieaufnahme weit mehr, vor allem Fleisch, Eier, | |
Milch und Käse als empfohlen. Laut der Verbraucherzentrale Hessen ist damit | |
selbst für Kraft- sowie Ausdauersportler im Leistungsbereich ein Plus an | |
eiweißangereicherter Nahrung schlichtweg unnötig. Der Körper scheidet ein | |
Zuviel auch einfach aus. In den USA, von wo der Proteinhype zu uns herüber | |
schwappte, erreichen dagegen mehr als 40 Prozent der Menschen die | |
empfohlenen Eiweißmengen nicht. | |
Veganer bekommen wertvolles Eiweiß durch eine gute Mischung verschiedener | |
Lebensmittel wie Getreide und Hülsenfrüchte. Und auch Nüsse enthalten hohe | |
Mengen an Eiweiß. Die Pflanzenproteine stehen in Sachen [2][Muskelaufbau] | |
auch den tierischen Proteinen in nichts nach, wenn sie in ausreichend hohen | |
Mengen gegessen werden. Nicht vergessen darf man: „Ohne trainieren wird | |
nichts passieren.“ | |
## Abnehmen durch Eiweißdiäten | |
Vorteile hat ein Eiweißanteil von mehr als 20 Prozent der Energiemenge für | |
Abnehmwillige, in Studien verloren Probanden bei [3][Eiweißdiäten] mehr | |
Pfunde als bei proteinarmen Diäten. Denn Eiweiße haben einerseits eine | |
sättigende Wirkung vermittelt über verschiedene, regulatorische | |
Hormonsysteme. Andererseits entstehen beim Abbau von Proteinen mehr Wärme | |
als bei anderen Nährstoffen (im Fachjargon: nahrungsinduzierte | |
Thermogenese). | |
Es verpuffen also mehr Kalorien wenn Proteine verstoffwechselt werden als | |
dies bei Fetten und Kohlenhydraten der Fall ist. Darum ist eine | |
proteinreiche Diät für viele Übergewichtige schlichtweg besser | |
durchzuhalten. | |
Jedoch: Eine Gewichtsabnahme setzt immer eine negative Energiebilanz | |
voraus. Ein handelsübliches Proteinbrot hat oft mehr Kalorien als ein | |
normales Roggenbrot. Auch Riegel werden gerne mal „on the top“ verzehrt. | |
Zum Abnehmen kann man jedoch auf ganz normale eiweißreiche Lebensmittel wie | |
Quark oder Tofu zurückgreifen. Zudem verschwinden die Vorteile einer | |
proteinreichen Ernährung langfristig. Und nur wer es schafft, seine | |
Ernährung umzustellen, wird sein Gewicht auf Dauer halten können. | |
In Sachen Diabetes ist die Studienlage kontrovers weil Diabetespatienten | |
zwar von einer Gewichtsreduktion profitieren, jedoch immer wieder Bedenken | |
geäußert wurden, das viele Eiweiß könne die Nieren schädigen. Eine aktuelle | |
Bewertung der Studienlage durch die europäischen Diabetes Nutrition Study | |
Group legt nun nahe, dass nur Patienten mit bereits vorhandenen | |
Nierenproblemen nicht mehr als 15 Prozent Eiweiß essen sollten. | |
Andere frühere Studien hatten teils herausgefunden, dass sich die | |
Insulinwirkung bei extrem hohem Proteinanteil der Nahrung verschlechtern | |
kann, was wiederum einen Diabetes verschlechtert. | |
Doch was passiert, wenn man sein Leben lang einer eiweißreichen Ernährung | |
zuspricht, also nicht nur zum Muskelaufbau oder im Rahmen einer | |
Frühjahrsdiät? Dazu gibt es bislang wenige Fakten. Zwar haben Tiermodelle | |
wiederholt gezeigt, dass eiweißreiche Kost das Leben verkürzt. Und auch | |
eine Auswertung der US-Studie NHANES III im Jahr 2014 offenbarte, dass bei | |
mehr als 20 Prozent Eiweiß der täglichen Kalorienaufnahme das Krebsrisiko | |
und ebenso die Sterblichkeitsrate erhöht sei. | |
Allerdings müssen diese Ergebnisse erst in Interventionsstudien, die eine | |
echte Ursache-Wirkungsbeziehung offenlegen, untermauert werden. Denn ein | |
hoher Eiweißkonsum ist meist auch sehr fleischlastig, Und dies ist ein | |
Risikofaktor etwa für Darmkrebs sowie Diabetes. Zudem könnte sich auch die | |
Herzgesundheit verschlechtern und ein früher Tod drohen, wie eine aktuelle | |
Metastudie der Cornell University belegt. | |
Umgekehrt zeigten Studien, dass viel pflanzliches Protein, das sich durch | |
eine andere Zusammensetzung der Aminosäuren von tierischem Eiweiß | |
unterscheidet, eher günstige Effekte auf die Gesundheit hat. Pflanzen wie | |
Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide und Nüsse enthalten jedoch auch immer | |
Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe wie Phenole, die ihrerseits das | |
Krankheitsrisiko mindern. Möglicherweise entscheidet also nicht unbedingt | |
der Eiweißgehalt über Wohl und Wehe sondern andere Substanzen in den | |
Lebensmitteln. Zudem pflegen Menschen mit pflanzenbetontem Speiseplan auch | |
zumeist einen gesünderen Lebensstil. | |
Menschen über 65 Jahren sollten dagegen durchaus auf ein Plus an Eiweiß | |
achten und das kann ruhig auch vom Tier kommen, hier sind sich Experten | |
einig. Denn sonst besteht die Gefahr, dass sich Muskeln abbauen und die | |
Senioren gebrechlich werden, was das Sterberisiko dramatisch erhöht. Laut | |
der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) sollte Protein in einer | |
Menge zwischen 1 und 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen | |
werden, bei bereits bestehender Sarkopenie (Muskelschwund) sogar 1,4 Gramm. | |
Doch auch hierfür braucht es keine Spezialprodukte. Die sind übrigens nicht | |
nur überteuert, wie Verbraucherorganisationen immer wieder aufdecken, | |
sondern vielfach auch noch mit allerhand Zusatzstoffen sowie unnötigen | |
Mengen an Vitaminen sowie Mineralstoffen überfrachtet. | |
17 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Kathrin Burger | |
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