# taz.de -- Nachhaltige Wirtschaft durch Corona: Zeit für eine Gegenleistung | |
> In der Coronakrise springen Bund und Länder den Firmen mit viel Geld bei. | |
> Das wäre die Gelegenheit, den ökologischen Umbau voranzutreiben. | |
Bild: Neustart mit KfW-Kredit: Tuifly | |
HAMBURG taz | Es das größte [1][Konjunkturprogramm] für die Wirtschaft seit | |
dem Zweiten Weltkrieg, das Deutschland – wie Bundesfinanzminister Olaf | |
Schlolz (SPD) sagte – mit „Wumms“ aus der Krise führen soll. Der Bund und | |
die Länder geben Milliarden Euro aus, um eine Depression zu verhindern. | |
Spätestens jetzt ist der Staat als wirtschaftlicher Akteur zurück und muss | |
sich von seinen Bürgern die Frage gefallen lassen, was er tut mit ihrem | |
Steuergeld. | |
In einer repräsentativen [2][Umfrage] im Auftrag von Greenpeace zur | |
Coronakrise sprachen sich 70 Prozent der Befragten dafür aus, | |
Wirtschaftshilfen für Unternehmen an Klimaschutzauflagen zu binden. Und | |
wenn schon von einem „Neustart“ der Wirtschaft die Rede ist – wann, wenn | |
nicht jetzt, ließe sie sich neu ausrichten: klimafreundlich, | |
umweltfreundlich, sozial, gemeinwohlorientiert? | |
Klar: Mit dem Geld retten sich die Bürger zuvörderst selbst. Staatliche | |
Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sichern | |
vielen direkt ein Auskommen. Für deren Kunden erhalten sie eine | |
Infrastruktur, die den Alltag erleichtert und lebenswert macht. Die Hilfen | |
sind eine solidarische Leistung, mehr noch: eine Kompensation, für die, die | |
nicht arbeiten dürfen oder können, um die Gemeinschaft vor der Ausbreitung | |
des Virus zu schützen. | |
Es sind Nothilfen, die schnell greifen müssen. Einen umfangreichen | |
Kriterien- und Prüfkatalog aufzustellen, hätte dem Programm den Schwung | |
genommen. Benutzen Sie Recyclingpapier? Sparen Sie Wasser? Zahlen Sie | |
Mindestlohn? Wer will das bei 65.000 Anträgen von Klein- und | |
Kleinstunternehmen allein in Hamburg prüfen? | |
## Vor allem Steuererleicherungen | |
Solche Überlegungen sind aber nach Auskunft der [3][Bremer] Senatorin für | |
Wirtschaft ohnehin ohne Belang. „Die Coronahilfen sind keine Förderung, | |
sondern Billigkeitsleistungen – diese sind per Definition nicht | |
zweckgebunden“, sagt ihr Sprecher Kai Stührenberg. | |
Die Soforthilfen sind allerdings nur ein kleiner Teil der Unterstützung, | |
die Bund und Länder für die Wirtschaft vorhalten. „Die größten Hilfen sind | |
die steuerlichen Hilfen“, sagt etwa der Hamburger Finanzsenator Andreas | |
Dressel (SPD). Von rund vier Milliarden Euro, die der Stadtstaat für seinen | |
Corona-Schutzschirm ausgereicht hat, entfallen 3,1 Milliarden auf Steuern: | |
herabgesetzte Vorauszahlungen, Stundungen, ausgesetzte Vollstreckungen. | |
Eine weitere halbe Milliarde sind Soforthilfen des Bundes und des Landes. | |
Darüber hinaus bieten der [4][Bund] und die [5][Länder] Kredite, | |
Bürgschaften und Beteiligungen an, um die Zahlungs- und Handlungsfähigkeit | |
der Unternehmen zu gewährleisten, für die sie teilweise zu 100 Prozent | |
garantieren. Dabei kümmert sich der Bund um die großen Fische, für die | |
kleinen müssen die Länder sorgen. | |
Für innovative Start-ups hat Hamburg etwa einen Corona-Recovery-Fonds | |
aufgelegt; für mittelgroße Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeitern ist ein | |
Wirtschaftsstabilisierungsfonds in Arbeit, wie er für größere Unternehmen | |
auf Bundesebene schon existiert. Die Einhaltung sozialer und ökologischer | |
Regeln und Standards sei „nach Erfahrung der beteiligten Behörden bei | |
größeren Unternehmen ein relevantes Thema“, teilte die Hamburger | |
Finanzbehörde mit. | |
## Millliarden für Tuifly | |
Allerdings stellt das [6][Bundeswirtschaftsministerium] für die | |
Coronahilfen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) klar: „Keine Kredite | |
an Unternehmen aus Steueroasen.“ Kredite dürften ausschließlich für | |
Investitionen und Betriebsmittel in Deutschland verwendet werden, „um die | |
Standorte und die Beschäftigten bei der Bewältigung der Krise zu | |
begleiten“. | |
Einen KfW-Kredit – und zwar in Milliardenhöhe – bekam auch die | |
Ferienfluglinie Tuifly. Weil die Leute coronabedingt weniger verreisen, | |
will sie Hunderte Stellen abbauen – sehr zum Verdruss der | |
Arbeitnehmervertreter. | |
Der Chef der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), Markus Wahl, | |
kritisierte, „dass massive Staatshilfen und ein hoffnungsvoller | |
wirtschaftlicher Ausblick mit einem massiven Stellenabbau in der | |
angekündigten Höhe nicht zusammenpassen“. Betriebsräte warfen dem | |
Management vor, zu hohe Dividenden ausgeschüttet und sich somit selbst | |
geschwächt zu haben. | |
Unternehmen, die Bundesbürgschaften haben wollen, dürfen ihren Managern | |
während der Laufzeit keine Boni oder andere Sonderzahlungen gewähren. Das | |
gilt auch für stille Beteiligungen des Bundes, die darüber hinaus ein | |
Verbot von Dividendenzahlungen beinhalten. | |
## Dividenden trotz Staatshilfe | |
Der [7][schleswig-holsteinische] SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Hölck hat | |
im Juni gefordert, Unternehmen, die in der Coronakrise staatliche Hilfen in | |
Anspruch nehmen, die Ausschüttung von Dividenden zu verbieten. „Im | |
Interesse der eigenen Zukunftssicherung sollten Unternehmen bei den in den | |
kommenden Tagen und Wochen anstehenden Hauptversammlungen grundsätzlich auf | |
die Ausschüttung von Gewinnen an Anteilseigner verzichten“, sagte Hölck der | |
Deutschen Presse-Agentur. | |
Größeren Ehrgeiz zeigen der Bund und die Länder bei den | |
Konjunkturprogrammen, mit denen sie die Wirtschaft wieder ankurbeln wollen. | |
Dort könnten Sozial-, Umwelt- und wirtschaftliche Standards „eventuell | |
vorgesehen werden“, teilte das niedersächsische Wirtschaftsministerium mit. | |
Dass die jetzt anstehenden Konjunkturprogramme nachhaltig sein sollten, | |
hatten etwa das Umweltbundesamt und der Sachverständigenrat für | |
Umweltfragen gefordert, aber auch der schleswig-holsteinische | |
Umweltminister Jan-Philipp Albrecht (Grüne). „Alle Konjunkturprogramme, | |
die es im Zusammenhang mit der Coronakrise geben wird, müssen darauf | |
abzielen, dass in eine ökologisch nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft | |
investiert wird.“ | |
Bezogen auf den Klimaschutz gibt Kiel im Rahmen seines Konjunkturprogramms | |
acht Millionen Euro zusätzlich für die kommunale Wärmewende, drei Millionen | |
mehr für E-Ladesäulen, fünf Millionen mehr für CO2-Gebäudesanierung, 20 | |
Millionen für die nationale Wasserstoffstrategie. Hamburg ist bei gleichem | |
Haushaltsvolumen in ähnlichen Größenordungen unterwegs. | |
Von einem „Strukturwandel mit dem Holzhammer“, den der | |
schleswig-holsteinische SPD-Fraktions- und Oppositionschef Ralf Stegner | |
Albrecht unterstellt hatte, ist das meilenweit entfernt. | |
Mehr über Staatshilfen und Chancen für eine ökologischere und | |
arbeitnehmerfreundliche Wirtschaft lesen Sie in der gedruckten taz am | |
Wochenende oder an unserem [8][E-Kiosk] | |
11 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Konjunkturpaket-in-der-Coronakrise/!5693206 | |
[2] https://act.gp/3eh7gSK | |
[3] https://www.bremen-innovativ.de/corona-info-ticker-fuer-unternehmen/ | |
[4] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Coronavirus/WSF/wirtschaftsstabilisierungs… | |
[5] https://www.mw.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/coronavirus_informatio… | |
[6] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Coronavirus/coronahilfe.html | |
[7] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Schwerpunkte/Coronavirus/Allgemeines/c… | |
[8] /e-kiosk/!114771/ | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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