# taz.de -- Transeuropäisches Verkehrsprojekt: Klatsche für Fehmarnbelt-Queru… | |
> Der Europäische Rechnungshof kritisiert die deutsche Zubringerstrecke zu | |
> dem Ostseetunnel als zu kostspielig und die Fahrgastzahlen als zu gering. | |
Bild: Würde die Fähren der Vogelfluglinie überflüssig machen: Tunnel unter … | |
HAMBURG taz | Der [1][Europäische Rechnungshof] hat den Planern einer | |
festen Fehmarnbelt-Querung ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Der von | |
Dänemark zu bezahlende Tunnel werde 50 Prozent teurer als geplant, die | |
deutsche Zubringer-Bahnstrecke so teuer, dass sie sich nicht rechne, zumal | |
die Prognosen nicht gerade viele Fahrgäste erwarten ließen. | |
Die [2][Fehmarnbelt-Querung] hat der Rechnungshof als eines von acht | |
grenzüberschreitenden „[3][Flaggschiff-Infrastrukturprojekten]“ geprüft, | |
die helfen sollen, dass Europa zusammenwächst. Der geplante Auto- und | |
Eisenbahn-Tunnel unter dem Fehmarnbelt soll den Verkehr zwischen | |
Skandinavien und dem Mittelmeer erleichtern. Von Stockholm könnte man dann | |
ohne eine Fähre zu benutzen und ohne den Umweg über das dänische Festland | |
nach Hamburg gelangen. | |
Das Projekt ist auf deutscher Seite in vielfacher Hinsicht umstritten. Die | |
[4][Bürgerinitiative „Beltretter]“ warnt vor der „größten Baustelle | |
Nordeuropas“ mit schlimmen Folgen für den Tourismus. Die Insel Fehmarn | |
werde durch die Verkehrstrasse zerschnitten, die Anwohner müssten den Lärm | |
von mehr als 70 Güterzügen am Tag ertragen. | |
Dazu komme der ökologische Schaden, der durch die geplante Trogbauweise für | |
die Ostsee entstehe. Hier gehe es um „eine unnötige Zerstörung wertvoller | |
Natur mitten in einem europäischen Meeresschutzgebiet trotz eines | |
marginalen Bedarfs“, kritisiert der Naturschutzbund (Nabu). | |
## Viermal so teuer | |
Der Rechnungshof geht davon aus, dass die 88 Kilometer lange | |
Eisenbahn-Zubringerstrecke auf deutscher Seite bis zu 46 Millionen Euro pro | |
Kilometer kosten könnte. Vergleichbare Projekte wie die Anschlussstrecke | |
auf dänischer Seite kosteten bloß elf Millionen Euro pro Kilometer. | |
Der stolze Preis sei hauptsächlich auf die Kosten für „die Erfüllung der | |
über die Standardanforderungen hinausgehenden regionalen | |
Lärmschutzanforderungen“ und für eine neue Fehmarnsundbrücke | |
zurückzuführen, schreibt der Rechnungshof. Statt der zunächst | |
veranschlagten gut 800 Millionen würde die Strecke vier Milliarden Euro | |
kosten. | |
Die Verkehrsprognosen rechtfertigten den Bau einer solchen Bahnstrecke bei | |
Weitem nicht, warnt der Rechnungshof. Trotz eines 60-Minuten-Einzugsgebiets | |
mit 7,7 Millionen Einwohnern würde zehn Jahre nach der Eröffnung nur mit | |
einer Million Fahrgästen pro Jahr in beiden Richtungen gerechnet. „Dies | |
liegt deutlich unter dem Richtwert von neun Millionen Fahrgästen“, stellen | |
die Prüfer fest. | |
Die bis zu 73 Güterzüge am Tag machten die Bilanz auch nicht besser. Die | |
würden bloß die Route über den Großen Belt nicht mehr nutzen. Eine | |
wesentliche Verkehrsverlagerung vom Lkw auf die Bahn sei nicht zu erwarten. | |
Der Rechnungshof regt auch an zu prüfen, ob es nicht reichen würde, die | |
Bahnstrecke auf deutscher Seite auf 160 statt auf 200 Stundenkilometer | |
auszulegen. Schließlich betrage der Zeitgewinn zwischen Puttgarden und | |
Lübeck nur fünf Minuten. | |
## Kostengrund: Lärmschutz | |
Die höhere Geschwindigkeit koste nur 110 Millionen Euro mehr, sagt dazu die | |
Europäische Kommission. Der Löwenanteil der Kostensteigerung gehe in der | |
Tat auf den verbesserten Lärmschutz zurück, „der von den Bürgern gemäß | |
öffentlichen Konsultationen gefordert wird“. | |
Der Nabu sieht sich durch den Rechnungshof in seiner kritischen Haltung | |
bestätigt. Er hatte im Juli vergangenen Jahres ein [5][Verkehrsgutachten] | |
vorgelegt, das die Querungspläne für überholt erklärte. Der Güterverkehr | |
auf der Bahn zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden habe seit der | |
Finanzkrise abgenommen, schreiben darin die Gutachter des Hamburger | |
Verkehrsberatungsbüros Hanseatic Transport Consultancy. Es sei kein Trend | |
für ein nennenswertes Wachstum des internationalen Landverkehrs zu | |
erkennen. | |
Die Frage, ob das Vorhaben überhaupt nötig sei, werde auch in dem Verfahren | |
eine Rolle spielen, das am 22. September vor dem Bundesverwaltungsgericht | |
in Leipzig beginne, kündigte der Nabu an. Das Projekt führe zu „einem | |
unnötigen ökologischen GAU im Fehmarnbelt“, warnte der Naturschutzbund. | |
Allenfalls ein gebohrter Tunnel für die Bahn sei denkbar. | |
18 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Rechnungshof-will-Tunnel-pruefen/!5560771 | |
[2] /Kieler-Wirtschaftsminister-Reinhard-Meyer/!5089507 | |
[3] https://www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=53699 | |
[4] https://beltretter.de/wofuer-wir-kaempfen/ | |
[5] /Studie-zum-Daenemark-Tunnel/!5606519 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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