# taz.de -- Kieler Wirtschaftsminister Reinhard Meyer: "Die Fehmarnbelt-Querung… | |
> Schleswig-Holsteins neuer Wirtschaftsminister im taz-Interview über die | |
> Fehmarnbelt-Querung, einen neuen Elbtunnel und den Konflikt mit Hamburg | |
> um die Windmesse Husum. | |
Bild: Strände in Gefahr: Der Lärm der Fehmarnbelt-Gütertrasse an der Lübeck… | |
taz: Herr Meyer, was sind für Sie die vordringlichen Themen als neuer | |
Wirtschaftsminister? | |
Reinhard Meyer: Der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein muss gestärkt | |
werden. Da gibt es noch Reserven. Maritime Wirtschaft, Nahrungsmittel, | |
Gesundheitswirtschaft, Tourismus – alles Branchen mit großer | |
Zukunftsfähigkeit. Die will ich nutzen und ausbauen. | |
Die Energiepolitik allerdings musste laut Koalitionsvertrag das | |
Wirtschaftsministerium an das grün geführte Energie- und Umweltministerium | |
abgeben. Fühlen Sie sich amputiert? | |
Nein. Wir wollen die Energiewende als Landesregierung gemeinsam umsetzen. | |
Da ist es sinnvoll, alle Zuständigkeiten in einer Hand zu bündeln. Welches | |
Ressort das macht, ist zweitrangig. | |
Also keine kleinlichen Eifersüchteleien? | |
Da darf es keine Eitelkeiten geben. Wir werden die Energiewende in dieser | |
Koalition gemeinsam umsetzen. Das allein zählt. | |
Aber das ist – von Offshore über Stromnetze bis zur Vollendung des | |
Atomausstiegs – das größte wirtschaftspolitische Thema. Was machen Sie denn | |
eigentlich den ganzen Tag? | |
Vieles im Energiebereich ist klassische Wirtschafts- und Standortpolitik. | |
Dafür bin ich zuständig. Und außerdem auch noch für Verkehr, Arbeit, | |
Technologie, Verbraucherschutz und Tourismus – ich langweile mich nicht. | |
Im Tourismus kennen Sie sich als langjähriger Präsident des Deutschen | |
Tourismus-Verbandes gut aus. Bleiben Sie Chef dieser Lobby-Organisation? | |
Ja. Das ist ehrenamtlich. | |
Wollen Sie als Minister Meyer mit Präsident Meyer verhandeln? | |
Wir haben das auch im Verband besprochen und sehen kein Problem. Wichtig | |
ist sicher, dass ich mich in schleswig-holsteinischen Fragen etwas | |
zurückhalte, andererseits kann ich das bundesweite Netz der | |
Tourismuswirtschaft auch besser für Schleswig-Holstein nutzen. Ich sehe | |
Synergien, keine Interessenkollision. | |
Sie sind auch für Verkehr zuständig. Als Chef der Staatskanzlei in Schwerin | |
standen Sie der Fehmarnbelt-Querung ablehnend gegenüber. Jetzt befürworten | |
sie diese? | |
Aus der Sicht von Mecklenburg-Vorpommern stellt sich die Frage, wie | |
Verkehre im Ostseeraum organisiert werden, anders. Aus | |
schleswig-holsteinischem Blickwinkel habe ich festzustellen, dass es einen | |
Staatsvertrag zwischen Dänemark und Deutschland gibt und dass das dänische | |
Interesse an diesem Projekt sehr ausgeprägt ist. Ich muss davon ausgehen, | |
dass die Fehmarnbelt-Querung kommt, und deshalb werde ich mich als | |
Verkehrsminister damit beschäftigen, welche Auswirkungen das auf die | |
Schienen und Straßen in Ostholstein hat. | |
Welche denn? | |
Wir müssen darauf achten, dass Ostholstein nicht zu einem reinen | |
Transitkorridor für europäischen Fernverkehr verkommt. | |
Woher kommt dieser Sinneswandel? | |
Als Minister hier muss ich in erster Linie auf das Landesinteresse von | |
Schleswig-Holstein schauen. Da bewerte ich dieses Vorhaben aus Kieler Sicht | |
anders als aus Schweriner. | |
Sie klingen wie ein Fußball-Profi, der den Verein wechselt und Tore gegen | |
seine alte Mannschaft schießt. | |
Ich bin vereidigt auf die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein. | |
Das aber auch als Tourismusminister. Und gerade die Seebäder an der | |
Lübecker Bucht, die fast ausschließlich vom Tourismus leben, befürchten | |
erhebliche negative Auswirkungen der Fehmarnbelt-Querung: mehr Verkehr, | |
mehr Lärm, mehr Güterzüge auch nachts – und deshalb weniger Feriengäste. | |
Wie wollen Sie diesen Spagat meistern? | |
Es gibt positive und negative Faktoren. Positiv wären mehr Urlauber aus | |
Skandinavien, negativ wären höhere Lärmemissionen. Ich sähe erhebliche | |
Probleme, wenn die bestehende Bahntrasse, die zum Teil durch die | |
Urlaubsorte hindurchführt, einfach für die zusätzlichen Züge ertüchtigt | |
würde. Das müssen wir mit der Deutschen Bahn lösen. | |
Die neigt aber dazu, eben diese Trasse auszubauen statt eine neue weiter | |
weg vom Strand im Binnenland zu bauen. | |
Ja. Genau deshalb müssen wir mit der Deutschen Bahn erörtern, wie wir eine | |
verträgliche Lösung hinbekommen. | |
Also Lärmschutz oder neue Trasse? | |
Ja. All das wird zurzeit im Raumordnungsverfahren untersucht. Ich gehe | |
davon aus, dass wir gute Ergebnisse finden werden. | |
Bei einem anderen Thema haben Sie ihre Ansichten offenbar nicht geändert: | |
In Mecklenburg-Vorpommern waren Sie ein Fan der A 20, das sind Sie jetzt | |
immer noch? | |
Ich befürworte den Ausbau der Ostseeautobahn weiterhin, ja. | |
Aber auf Druck der Grünen steht im Koalitionsvertrag, dass die A 20 mitten | |
im Land nördlich von Hamburg an der A 7 enden soll. | |
Dieser Passus im Koalitionsvertrag ist schlicht realistisch. Mehr als | |
dieser vierte Bauabschnitt wäre in dieser Legislaturperiode kaum zu | |
schaffen. Deshalb konzentrieren wir uns als Koalition auf das Machbare. Die | |
Fortführung nach Westen werden wir aber weiter planen. | |
Mit Elbtunnel bei Glückstadt nach Niedersachsen? | |
Das ist das Kernproblem. Dafür gibt es bislang keine tragfähige | |
Finanzierung. Damit steht und fällt der Weiterbau. | |
Der Elbtunnel würde privat oder öffentlich-privat errichtet. Stehen die | |
Investoren nicht Schlange? | |
Nach unserem Kenntnisstand liegt im Bundesverkehrsministerium ein Gutachten | |
in der Schublade, das für kein denkbares Finanzierungsmodell eine | |
belastbare Basis sieht. | |
Dann würde die Autobahn also nicht bis nach Niedersachsen weiter gebaut | |
werden? | |
Ohne Finanzierung sehe ich keine Realisierung. | |
Und dann würden alle Nord-Süd-Verkehre weiter durch den Hamburger Westen | |
und den dortigen Elbtunnel führen? | |
Mittelfristig ja. Um das Nadelöhr Hamburg zu entlasten, bräuchten wir eben | |
eine weitere Elbquerung. | |
Den Tunnel bei Glückstadt? | |
Sinnvoll wäre das. Ob er auch bezahlbar ist, ist die Frage. | |
Welche Schienenwege haben für Sie Priorität? | |
Die S 4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe und die S 21 zwischen Hamburg und | |
Kaltenkirchen sind wichtig für die Pendlerströme im Hamburger Speckgürtel. | |
Dazu die Stadt-Regionalbahn in Kiel und die Bahnverbindungen an der | |
Westküste. Es ist – auch unter touristischen Aspekten – nicht akzeptabel, | |
dass man von Hamburg nach Sylt mehr als drei Stunden braucht, doppelt so | |
lange wie nach Berlin. Das sind die vordringlichsten Punkte. | |
Drängend ist auch der Ausbau von Nord-Ostsee-Kanal und Elbe-Lübeck-Kanal? | |
Ja. Die neue Schleuse am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel ist bereits im | |
Bau, der Ausbau des gesamten Kanals ist dringend erforderlich. Das kostet | |
Hunderte von Millionen – auch darüber müssen wir mit dem Bund sprechen. Und | |
der Elbe-Lübeck-Kanal ist eher eine romantische Strecke für Paddler als ein | |
leistungsfähiger Wasserweg zwischen den Häfen von Hamburg und Lübeck. Auch | |
über diesen Ausbau müssen wir mit dem Bund reden, um Verkehre von der | |
Straße auf das Wasser zu verlagern. | |
Sie kennen sich bekanntlich in der Hamburger Politik bestens aus. Wie | |
stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit der Metropole im Süden | |
Schleswig-Holsteins vor? | |
Wichtig ist, gemeinsame Politik auf Augenhöhe zu machen. Projekte gibt es | |
reichlich. | |
Auf Augenhöhe? Mit Hamburgs Alleinherrscher Olaf Scholz? | |
Da bin ich zuversichtlich. | |
Im September steht die nächste Windmesse in Husum an. Wird sie auch die | |
letzte sein, weil Hamburg sie ab 2014 „auf Augenhöhe“ ausrichten will? | |
Dieser Zwist im vorigen Jahr war kontraproduktiv. Wir sind dabei, Lösungen | |
zu finden. | |
Wie könnten die aussehen? | |
Warten Sie es ab. Wir werden es mitteilen, wenn es soweit ist. | |
8 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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