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# taz.de -- Neustart für den Nachtzugverkehr: Im Schlafwagen nach Stockholm
> Die Pläne für eine Wiederaufnahme des Nachtzugverkehrs nach Skandinavien
> werden konkreter: 2022 sollen die ersten Züge rollen.
Bild: Hauptbahnhof in Stockholm
Stockholm taz | Einerseits sei ja gerade nicht die Zeit für Bahnreisen,
jedenfalls nicht für unnötige und solche über nationale Grenzen hinweg,
betonte der schwedische Infrastrukturminister Thomas Eneroth in der
vergangenen Woche. Andererseits sei die derzeitige Corona-Lage aber auch
ein guter Anlass sich Gedanken über einen „grünen Neustart zu machen, der
klimafreundliches Reisen erleichtert“.
Schweden brauche generell ein besseres Angebot für Bahnreisen ins restliche
Europa, ganz speziell aber auch Nachtzugverbindungen. Deshalb werde
Stockholm seine entsprechenden Vorbereitungen verstärken, um einen solchen
Nachtzugverkehr baldmöglichst auf die Schiene zu bekommen.
Anlass für die Stellungnahme das Ministers war die Vorlage eines von der
Regierung bei der staatlichen Verkehrsbehörde „Trafikverket“ bestellten
Rapports. [1][In „Nachtzugverkehr nach Europa“] präsentierte diese jetzt
eine Bilanz über die Voraussetzungen, Möglichkeiten und erwarteten Kosten
für ein mögliches Nachtzugkonzept von Schweden über Dänemark nach
Deutschland und Belgien. Das Fazit: Unter der Voraussetzung einer zeitnahen
Lösung noch offener juristischer und technischer Fragen könnte dieser
Verkehr im Mai 2022 starten.
Der Nachtzugverkehr zwischen Nordeuropa und kontinentalen Destinationen hat
eine lange Tradition. Schon 1903 wurde eine erste Eisenbahnfährverbindung
zwischen Deutschland und Dänemark eröffnet, 1909 die von Sassnitz ins
schwedische Trelleborg. Mit dem „Skandinavien-Paris-Express“ oder dem
„Viking-Express“ konnte man in den 1980er Jahre von Stockholm und bis 1995
von Kopenhagen aus über Nacht bis nach Paris fahren. [2][Doch seitdem
werden die Verbindungen nach und nach weniger]
## Nur noch eine Verbindung
1994 wurde mit dem „Alfred Nobel“ der letzte Schlaf- und Liegewagenzug
zwischen Hamburg und Stockholm eingestellt. Am 13. Dezember 2014 war dann
endgültig Schluss, als die Deutsche Bahn trotz Protesten aus Dänemark und
Schweden den City Night Line nach Kopenhagen strich. Begründung: Das sei
ein Zuschussgeschäft.
Aktuell gibt es nur noch eine saisonal begrenzte Nachtverbindung von Berlin
über Sassnitz nach Malmö. Deren Zukunft ist aber offen, weil die Reederei,
die die Route von Trelleborg nach Sassnitz betreibt, die Einstellung dieser
Fährverbindung angekündigt hat.
Abfahrt 19.40 ab Malmö, mit Ankunft in Köln am nächsten Morgen um 6 Uhr und
gut zwei Stunden später Erreichen des Zielorts Brüssel. So könnte sich
„Trafikverket“ den konkreten Fahrplan für die neue Verbindung vorstellen.
Ursprünglich hatte man nur Köln im Auge gehabt, doch Kostenrechnungen
ergaben, dass Brüssel mit den dortigen guten Anschlussverbindungen nach
London und Paris vor allem für Geschäftsreisende ein attraktiverer
Zielbahnhof wäre, der den staatlichen Zuschussbedarf auf jährlich rund 5
Millionen Euro senken könnte.
Ein Zuschussgeschäft wird es auf jeden Fall werden, zumindest in den ersten
Betriebsjahren. „Es ist natürlich teuer, einen solchen Verkehr erst einmal
wieder zu etablieren“, sagt Minister Eneroth: Aber Stockholm wolle solche
Kosten in Kauf nehmen, denn man hoffe eben mit diesem Angebot „das
Reiseverhalten ändern zu können“. Zumal mittlerweile auch feststehe, dass
Dänemark das Projekt mittragen werde.
Tatsächlich hatte die dänische Regierung vor einem Monat beschlossen, sich
auch kostenmäßig an dem Nachtzugkonzept zu beteiligen, an dem Schwedens
rot-grüne Regierung seit Anfang 2019 arbeitet. „Das Interesse für Nachtzüge
als grüne Alternative für Flugreisen ist in den letzten Jahren markant
gewachsen“ lautet die Begründung Kopenhagens: Deshalb werde man
Finanzmittel bereitstellen, „um den Aufbau von Nachtzugdiensten zwischen
Schweden und Deutschland bzw Belgien mit Zwischenstation in Dänemark
mitzufinanzieren und/oder anderweitig zu fördern“. Und die dänische
Tageszeitung Politiken forderte letzte Woche noch mehr zu tun: „Vollgas
geben bei der grünen Umstellung. Modernisiert das Bahnnetz, investiert in
Nachtzüge.“
## Von Stockholm nach Hamburg und Berlin
Mit Köln und Brüssel soll es nicht getan sein. Man denkt bereits an eine
Verbindung von Stockholm nach Hamburg und Berlin. Von den drei Millionen
Flugreisen, die es in Vor-Corona-Zeiten jährlich zwischen Schweden und
Deutschland gab, entfielen allein ein Viertel auf diese beiden
Destinationen. Und spätestens wenn der Fehmarnbelt-Ostseetunnel zwischen
Dänemark und Deutschland fertiggestellt sein wird, gelten auch Verbindungen
wie Oslo-Frankfurt-Basel und Nachtsprung-Zielorte wie Paris, London, Wien
oder Mailand als realistisch.
Voraussetzung sei natürlich, dass das Angebot von den Reisenden
entsprechend angenommen werde, meint Otto Anker Nielsen, Professor für
Transportplanung an Dänemarks Technischer Universität: Aber es gebe ja
einen deutlichen Trend weg vom Flugverkehr bei kurzen und mittellangen
Strecken.
Potential dafür, dass sich die Bahn bei einem attraktiven Angebot einen
größeren Teil vom Transportkuchen sichern könnte gibt es jedenfalls. 2019
stand die Schiene nur für 1 Prozent des Personenverkehrs zwischen Schweden
und Deutschland, der Flug für 70 Prozent.
Josephine Fock, Vorsitzende der rot-grünen dänischen „Alternative“ hofft,
dass sich in Zukunft mehr Menschen „für die grüne Art eines entspannten und
vernünftigen Reisens entscheiden“. Und das schwedische „Trafikverket“
schließt nicht aus, dass „der gegenwärtige Umfang des Flugverkehrs aus
Umwelt- oder Kostengründen begrenzt werden könnte“.
2 May 2020
## LINKS
[1] http://trafikverket.diva-portal.org/smash/get/diva2:1426586/FULLTEXT02.pdf
[2] /Deutsche-Bahn-gibt-Liegewagen-auf/!5329111/
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Nachtzüge
Skandinavien
Reisen
Bahn
Verkehr
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Schwerpunkt Coronavirus
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Serie Nachtzugkritik
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