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# taz.de -- Kritik an Protestaktion: Gekaufte Demonstranten
> Der Verein Beltretter hat in Kiel mit angeheuerten Komparsen gegen die
> geplante Fehmarnbeltquerung protestiert. Die Kritik weist er zurück.
Bild: Bestimmt wirkungsvoll, vielleicht auch kostenpflichtig: Protest der Beltr…
Hamburg taz | Nach einer Protestaktion, für die es Komparsen angeheuert
hat, steht das Aktionsbündnis Beltretter unter Rechtfertigungsdruck. Am
vergangenen Samstag haben nach einem [1][Bericht der Lübecker Nachrichten]
39 Personen in Kiel gegen den geplanten Fehmarnbelttunnel demonstriert – 30
davon waren Komparsen. Die hatten die Beltretter über die Berliner
Casting-Agentur Starboxx engagiert. Vor Ort posierten sie mit Schlamm
verschmiert und in Badekleidung mit Protestplakaten gegen den Tunnel.
Dass die Protestierenden weitgehend angeheuert waren, zeigte sich, als der
Korrespondent der Lübecker Nachrichten sie ansprach und laut seinem Bericht
daraufhin von einer Mitarbeiterin der Beltretter zurückgepfiffen wurde.
Laut Lübecker Nachrichten erhielten die Komparsen für die Teilnahme an
einer „politischen Kundgebung“ 60 Euro plus Fahrtkosten. Die
Pressesprecherin der Beltretter, Karin Neumann, kann die Zahlen nicht
bestätigen. Die Agentur Starboxx will sich auf Anfrage nicht äußern.
PolitikerInnen verschiedener Parteien kritisierten das Vorgehen der
Beltretter: Den Lübecker Nachrichten sagte der schleswig-holsteinische
Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP), dies sei eine „Täuschung der
Öffentlichkeit“ und eine „sehr zweifelhafte Art, vom Demonstrationsrecht
Gebrauch zu machen“. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Martin
Habersaat sprach von einem „faden Beigeschmack“.
Die [2][Beltretter], hinter denen ein breiter Zusammenschluss von
Privatpersonen, Geschäften, aber auch einigen Ortsverbänden der Grünen und
der Umweltschutzverein Robin Wood steht, weisen die Kritik in einer
Erklärung zurück. Man habe keine Demonstranten bezahlt, sondern
„Darsteller“ für künstlerische Aktionen. Als solche habe man sie auch der
Presse angekündigt.
## „Bilder, die wachrütteln“
Es gehe darum, „unsere Botschaften in Bilder zu übersetzen, die die
Menschen wachrütteln sollen“, und „mit starken Bildern“ Aufmerksamkeit zu
erregen. Deshalb inszeniere man Strandszenen, bei denen die
matschverschmierten Badedarsteller künftige Beeinträchtigungen zeigen
sollen.
Zudem, so argumentieren die Beltretter, bezahlten die „Tunnelplaner und
-lobbyisten ständig Leute“, die etwa „Passanten ansprechen und
Pro-Tunnel-Broschüren verteilen sowie auf Veranstaltungen sprechen“. Dies
zahle der dänische Steuerzahler, während die Komparsen bei den Aktionen in
Kiel, wie auch in Leipzig und auf Fehmarn, über Spendengelder aus der Kasse
der Beltretter bezahlt würden.
Fragt man in der Branche der Komparsenvermittlung nach, so ist die
Anwerbung für politische Aktionen sehr ungewöhnlich. Einem Kenner sind
innerhalb von 30 Jahren gerade mal ein bis zwei solcher Anfragen geläufig.
Dabei sei es um „spezielle Projekte“ gegangen, etwa eine Kombination von
Demo und Filmprojekt. Sonst hätte man eine solche Vermittlung abgelehnt.
Die Pressesprecherin der Beltretter räumt auf Anfrage der taz ein, dass die
Aktion bei der Stadt Kiel als „Versammlung“ angemeldet wurde. Man habe aber
„von Beginn an immer von einer inszenierten Aktion berichtet und nie von
einer Demo gesprochen“.
## Vertrauen in „echte politische Motivation“
Tatsächlich, so die Auskunft der Stadt Kiel, muss für eine rein
künstlerische Aktion keine Demonstration angemeldet werden. Dafür sei
lediglich eine Sondernutzungserlaubnis für die öffentliche Fläche
erforderlich.
In juristischen Kreisen wird die Frage, ob bei einer solchen Veranstaltung,
die das Grundrecht der Versammlungsfreiheit beansprucht, Teilnehmer bezahlt
werden dürfen, bislang nicht diskutiert. Laut Arne Pilniok, Professor für
Öffentliches Recht an der Universität Hamburg, habe die Öffentlichkeit
„erst einmal das Vertrauen, dass die Teilnehmer von einer echten
politischen Motivation angetrieben“ werden. Angesichts einer Aktion wie der
in Kiel bleibe sicherlich „ein Unbehagen“.
Der Gesetzgeber verlasse sich darauf, dass im öffentlichen
Meinungsbildungsprozess ausreichend kritisch darauf gesehen werde. In
Zeiten, in denen sich die Politik polarisiere und finanzkräftige Konzerne
Meinungsbildungsprozesse instrumentalisierten, müsse man die Entwicklung
aufmerksam beobachten.
Hört man sich bei anderen Protagonisten des Protests gegen den Fehmarnbelt
um, ist die Reaktion auf das Vorgehen der Beltretter eher verhalten. Ilka
Bodmann, Pressereferentin des Nabu Hamburg, sagt, das Anheuern von
Komparsen sehe sie in Hamburg „nicht als Geschäftsmodell“.
Wenn man Aktionen mache, dann mit Ehrenamtlichen. Das sei unter der Woche
nicht immer einfach, bei Terminen am Abend oder Wochenende aber „kein
Problem“. Zudem gehe es grundsätzlich nicht immer um große Zahlen: „Es
reicht auch einmal, mit 20 Leuten und nicht mit 200 da zu stehen“, sagt
Bodmann.
30 Jul 2019
## LINKS
[1] https://www.ln-online.de/Nachrichten/Norddeutschland/Der-Verein-Beltretter-…
[2] https://beltretter.de/
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Fehmarnbelt-Querung
Kiel
Protest
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Artensterben
Fehmarnbelt
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