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# taz.de -- Bedrohte Schweinswale: Artensterben am Badestrand
> Neue Zahlen des Bundesumweltministeriums belegen tausende Totfunde von
> Schweinswalen. Durch die Fischerei steht die Tierart in der Ostsee vorm
> Aussterben.
Bild: Gefährliche Begegnung: Stellnetz und Schweinswal
HAMBURG taz | Der Schweinswal in der Ostsee steht vor dem Aussterben. Das
wäre die Konsequenz aus einer aktuellen Todesstatistik der Bundesregierung,
die der taz vorliegt. Danach sind in diesem Jahrtausend allein an deutschen
Küsten fast 5.000 tote Schweinswale gefunden worden (siehe Kasten), so die
Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine Schriftliche Anfrage der
grünen Bundestagsabgeordneten Steffi Lemke. Noch immer gebe es vor
deutschen Küsten „keinen wirksamen Schutz der Schweinswale“, konstatiert
Lemke.
Aktuell hat die naturschutzpolitische Sprecherin der grünen Fraktion die
2018er-Zahlen aus der Ostsee abgefragt. Danach wurden vor
Mecklenburg-Vorpommern 69 tote Schweinswale registriert, vor der
schleswig-holsteinischen Ostseeküste 134. Mit zusammen 203 toten Tieren ist
dies die zweithöchste Opferzahl in diesem Jahrtausend. Eine Statistik aus
2018 für die Nordsee liegt noch nicht vor.
Der Schweinswal ist die einzige heimische Walart. Die höchstens 180
Zentimeter langen und 80 Kilogramm schweren Säuger gehören zu den Zahnwalen
und sind die nächsten Verwandten der Delfine. Zumindest in der zentralen
und östlichen Ostsee sind sie akut vom Aussterben bedroht. Nach früheren
Angaben der Bundesregierung liegt dort „die Population auf dem extrem
niedrigen Niveau von weniger als 500 Tieren“.
In der westlichen Ostsee zwischen Rügen und dem Kattegat wird die
Population mit etwa 18.500 Schweinswalen angegeben, in der Nordsee vom
Ärmelkanal bis zum Nordkap mit mehr als 200.000 Exemplaren. Zehn Jahre
zuvor allerdings hatten nach offiziellen Angaben dort noch mehr als 300.000
Schweinswale gelebt – ein Schwund von einem Drittel in einem Jahrzehnt.
## Tod im Netz
In großem Umfang ist Beifang die Todesursache: Die „Kleinen Tümmler“, wie
sie auch genannt werden, ertrinken in Fischernetzen. Bei den Obduktionen
von 324 Kadavern im Deutschen Meeresmuseum Stralsund in den vergangenen
Jahren wurde bei mehr als 60 Prozent der Tiere Beifang als Todesursache
ermittelt, bei mehreren anderen besteht der Verdacht.
2018 soll jedoch nur ein Tier „gemeldeter Beifang“ gewesen sein, schreibt
Umwelt-Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) in ihrer Antwort an
Lemke, aus Schleswig-Holstein lägen noch keine Obduktionsergebnisse vor.
Zugleich räumt das Bundesumweltministerium erstmals die „Eigenständigkeit“
der Ostsee-Schweinswale ein, die „genetisch sicher belegt“ sei. Es handele
sich zwar nicht um „eine eigene Art“, aber um eine „Unterpopulation“, so
Schwarzelühr-Sutter. Ein „genetischer Austausch“ mit der größeren
Population im Westen sei „äußerst unwahrscheinlich“.
Damit bestätige die Bundesregierung die besondere Schutzbedürftigkeit der
Kleinwale, sagt Lemke. Notwendig seien deshalb „wirksame
Meeresschutzgebiete“ mit scharfen Regeln für Fischerei und industrielle
Nutzung: „Wir fordern von der Bundesregierung endlich Nullnutzungszonen in
Schutzgebieten und damit echte Rückzugsräume für Meeressäuger in der
deutschen Nord- und Ostsee“, so die Grüne.
Ende September 2017 hatte die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks
(SPD) sechs Meeresgebiete in Nord- und Ostsee unter Naturschutz gestellt:
„Doggerbank“, „Borkum Riffgrund“ und „Sylter Außenriff/Östliche Deu…
Bucht“ in der Nordsee sowie „Fehmarnbelt“, „Kadetrinne“ und „Pommer…
Bucht/Rönnebank“ in der Ostsee. Sie umfassen etwa 45 Prozent der deutschen
Meeresfläche.
## Schutzgebiete greifen noch nicht
Für die Ostsee-Schutzgebiete hat die Bundesregierung jedoch erst zu
Jahresbeginn einen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Er sieht eine weiträumige
Einschränkung der Schleppnetzfischerei in Schutzgebieten vor. Die laut
Lemke „so tödliche“ Stellnetzfischerei hingegen soll weiterhin keinerlei
Beschränkungen unterliegen. „Damit stehen die Schutzgebiete nur auf dem
Papier“, sagt Lemke.
„Schutzgebiete bringen eh nichts“, sagt hingegen Peter Breckling,
Generalsekretär des Deutschen Fischereiverbandes mit Sitz in Hamburg, weil
Schweinswale „nicht ortstreu sind“. Die Fischerei in der Ostsee sei „nicht
bestandsgefährdend“, beharrt er, es gebe sogar Hinweise, dass die
Populationen wachsen: „Mehr Tiere, mehr Totfunde, geringere Dunkelziffer“,
so seine griffige Formel.
Ganz anders sieht das Thilo Maack, Meeresexperte bei Greenpeace: „Die
Stellnetzfischerei ist die Haupttodesursache für Schweinswale“, sagt er.
Bei einer vor dem Aussterben stehenden Tierart sei „jeder Tote ein Toter zu
viel“.
1 May 2019
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Artensterben
Ostsee
Fischerei
Wale
Greenpeace
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Tierschutz
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