| # taz.de -- Ostsee-Schweinswale vorm Aussterben: Fischer als Walkiller | |
| > Eine Liste der Bundesregierung belegt tausende Totfunde von | |
| > Schweinswalen. Durch die Fischerei ist der Wal in der Ostsee kurz vorm | |
| > Aussterben. | |
| Bild: Gefährliche Nähe: Hunderte Schweinswale ertrinken Jahr für Jahr vor de… | |
| Hamburg taz | In der zentralen und östlichen Ostsee dürften schon bald | |
| keine Schweinswale mehr leben. Das ist die Konsequenz aus einer aktuellen | |
| Todesstatistik der Bundesregierung, die der taz vorliegt. Danach sind in | |
| diesem Jahrtausend allein an deutschen Küsten fast 4.700 tote Schweinswale | |
| gefunden worden (siehe Kasten), so die Antwort des Bundesumweltministeriums | |
| auf eine Schriftliche Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Steffi | |
| Lemke. Noch immer gebe es vor deutschen Küsten „keinen wirksamen Schutz der | |
| Schweinswale“, konstatiert Lemke. | |
| Offensichtlich habe es in all den Jahren keine Bundesregierung geschafft, | |
| „in den deutschen Meeresschutzgebieten sichere Rückzugsräume“ für die | |
| Meeressäuger durchzusetzen. Der Schweinswal ist die einzige heimische | |
| Walart. Die höchstens 180 Zentimeter langen und 80 Kilogramm schweren | |
| Säuger gehören zu den Zahnwalen und sind die nächsten Verwandten der | |
| Delphine. | |
| Zumindest in der östlichen Ostsee ist die Art vom Aussterben bedroht. Nach | |
| früheren Angaben der Bundesregierung liegt dort „die eigenständige | |
| Population auf dem extrem niedrigen Niveau von weniger als 500 Tieren“. In | |
| der westlichen Ostsee zwischen Rügen und dem Kattegat wird die Population | |
| mit etwa 18.500 Schweinswalen angegeben, in der Nordsee vom Ärmelkanal bis | |
| zum Nordkap mit mehr als 200.000 Exemplaren. Zehn Jahre zuvor allerdings | |
| hatten nach offiziellen Angaben dort noch mehr als 300.000 Schweinswale | |
| gelebt – ein Schwund von einem Drittel in einem Jahrzehnt. | |
| In einem sehr großen Umfang ist Beifang die Todesursache: Die „Kleinen | |
| Tümmler“, wie sie auch genannt werden, sind also in Fischernetzen | |
| ertrunken. Bei den Obduktionen von 324 Kadavern im Deutschen Meeresmuseum | |
| Stralsund wurde bei mehr als 60 Prozent der Tiere Beifang als Todesursache | |
| ermittelt, bei mehreren anderen besteht der Verdacht. Viele Kadaver waren | |
| jedoch bereits so verwest, dass sich keine verlässlichen Aussagen mehr | |
| treffen ließen. | |
| ## Einschränkungen der Fischerei erforderlich | |
| „Die Fischerei mit Stellnetzen ist ein heftiges Problem“, sagt Michael | |
| Dähne, Kurator für Meeressäuger am Meeresmuseum. Besonders alarmierend | |
| findet er „den Aufwärtstrend“ bei den Todesfällen, die vor allem in der | |
| Ostsee dramatisch zugenommen haben mit dem Höchststand von 221 toten Tieren | |
| im Jahr 2016. Insgesamt sind seit der Jahrtausendwende in dem Binnenmeer | |
| fast 2.000 tote Schweinswale an den Stränden angeschwemmt worden – fast | |
| zehn Prozent der Gesamtpopulation zwischen Kattegat und Baltikum. | |
| Bereits 2002 habe eine wissenschaftliche Studie vorhergesagt, dass der | |
| Bestand nur durch sofortige massive Einschränkungen der Fischerei erhalten | |
| werden könne. „Die Reduzierung der Beifangzahlen ist eine politische | |
| Aufgabe“, sagt Dähne: „Notwendig sind klare und korrekte Regularien.“ | |
| Aber das sei alles andere als einfach, sagt Stephan Lutter, Meeresökologe | |
| bei der Hamburger Umweltstiftung WWF. So habe Deutschland auf EU-Ebene den | |
| Vorstoß gemacht, die Stellnetzfischerei vor dem Sylter Außenriff zu | |
| untersagen, in dessen unmittelbarer Nähe eine der wichtigsten Kinderstuben | |
| der Nordsee-Schweinswale und ein Walschutzgebiet im Nationalpark Wattenmeer | |
| liegt. | |
| Dieser Vorschlag jedoch treffe aktuell auf den heftigen Widerstand von | |
| Frankreich und vor allem Dänemark, berichtet Lutter: „Dänemark verhindert | |
| den Schutz in deutschen Meeresschutzgebieten“ und damit das Überleben der | |
| Schweinswale, so Lutter. | |
| Nach Ansicht von Steffi Lemke, der naturschutzpolitischen Sprecherin der | |
| grünen Bundestagsfraktion, lassen Deutschland und auch die Anrainerstaaten | |
| an Nord- und Ostsee „eine bedrohte und seit mehr als zehn Jahren dem Schutz | |
| der EU stehende Art noch immer in Stellnetzen ertrinken“. Das sei | |
| „Artensterben durch Nichtstun“. | |
| 22 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven-Michael Veit | |
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