Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Folgen der Meeres-Fischerei: Tod im Netz
> Tausende Schweinswale und Seevögel verenden jedes Jahr in den
> Fischernetzen in Nord- und Ostsee. Die Bundesregierung will die Regeln
> nicht verschärfen. Greenpeace fordert alternative Fangmethoden
Bild: Besonders selten, aber immer lebt er noch: Ein weißer Schweinswal, gesic…
HAMBURG taz | Mehr als 3.000 tote Schweinswale sind seit 2004 an den
deutschen Küsten von Nord- und Ostsee angeschwemmt worden. Schätzungsweise
60 Prozent davon, das ließen pathologische Untersuchungen vermuten, sind
als Beifang in den Stellnetzen der Fischerei erstickt oder ertrunken.
Exakte Zahlen gebe es allerdings nicht, antwortete die Bundesregierung am
Donnerstag auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion.
Noch gruseliger ist demnach der Beifang von Seevögeln. Allein vor
Mecklenburg-Vorpommern würden nach wissenschaftlichen Hochrechnungen
jährlich „ca. 17.300 bis 19.800 Seevögel“ getötet, vor allem von mehreren
Entenarten. Zahlen aus den anderen Küstenländern lägen nicht vor.
„Die Bundesregierung muss den Meeresschutz endlich ernst nehmen“, fordert
deshalb die Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms, eine der
FragestellerInnen. Denn vor allem der Schweinswal ist vom Aussterben
bedroht. In der östlichen Ostsee wird die Population der einzigen
heimischen Kleinwale auf 450 Tiere geschätzt, zwischen Rügen und Dänemark
leben einige tausend, in der Nordsee gilt der Bestand mit mehr als 200.000
Tieren noch als stabil.
In „ökologisch unbedenklichem Zustand“ sind nach Einschätzungen von
Meeresexperten in Nord- und Ostsee lediglich die Populationen von Seehunden
und einigen Möwenarten. Alle anderen, also Schweinswale und Kegelrobben,
fast alle Seevögel und Fischarten sind demnach bedroht, etwa ein Drittel
aller Arten ist gefährdet.
Wilms fordert deshalb, zumindest in den Meeresschutzgebieten ein wirksames
Fischereimanagement einzuführen, um die Fischbestände zu schonen und
Beifänge zu vermeiden. Dazu könnten auch Fangverbote gehören, findet die
Abgeordnete aus Pinneberg. Eben solche Verbote aber scheut die
Bundesregierung offenbar: 72 Prozent der deutschen Ausschließlichen
Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee, die deutlich über das staatliche
Hoheitsgebiet hinausgeht, „unterliegen keinen naturschutzrechtlich
begründeten Beschränkungen“, hat das Berliner Landwirtschaftsministerium
Wilms auf deren Frage schriftlich mitgeteilt. Lediglich in 0,1 Prozent der
AWZ und weniger als 0,3 Prozent der geschützten Flächen „darf keinerlei
Fischerei stattfinden“, so die Auskunft. Zurzeit laufen Planungen, sechs
besonders geschützte Meeresgebiete einzurichten.
Der Deutsche Fischerei-Verband in Hamburg hält das für eine unzulässige
Einschränkung „bisher ausgeübter Rechte von Fischereibetrieben“, wie sein
Generalsekretär Peter Breckling im März in einer Stellungnahme zu diesen
Plänen an das Ministerium schrieb. Die neuesten Opferzahlen bei Seevögeln
würden „systematisch überschätzt“, ergänzt Verbandssprecher Claus Ubl a…
Anfrage der taz.
Nach einer Studie der dänischen Universität Aarhus sei der Bestand der
Schweinswale in der westlichen Ostsee von 2005 bis 2012 um 45 Prozent auf
rund 18.000 Exemplare angewachsen; die Zahl der belegbaren Beifänge in
Netzen in der Ostsee liege lediglich bei fünf bis sieben Tieren pro Jahr.
„Die Fischereiaktivitäten“, so Ubl, „sind als nicht bestandsgefährdend …
Schweinswale und Seevögel einzustufen.“
Das sehen sämtliche deutschen Umweltverbände anders: „Mindestens 50 Prozent
der gesamten deutschen Natura-2000-Gebiete in Nord- und Ostsee müssen frei
von jeglicher menschlicher Nutzung sein, auch von Fischerei“, fordern BUND,
Greenpeace, Nabu, WWF sowie fünf kleinere Meeresschutzvereine.
Thilo Maack, Meeresexperte bei Greenpeace, hat aber auch einen
konstruktiven Vorschlag: Der Bund solle bereitstehende Millionenbeträge aus
dem EU-Meeresfond abrufen, um Forschungen für bessere Netze und alternative
Fischereimethoden zu finanzieren. Dann könnte „schon in fünf Jahren“, so
Maack, selbst in einem Teil der Schutzgebiete „beifangschonende Fischerei
erlaubt und industrielle Fischerei verboten“ werden. Und davon würden auch
die kleinen Fischereibetriebe an den Küsten profitieren. Die derzeitigen
Pläne dagegen, so Maack, „zementieren die weitere Zerstörung von Nord- und
Ostsee“.
27 May 2016
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Ostsee
Nordsee
Fischerei
Beifang
Schweinswal
Schweinswal
Schweinswal
Fischerei
Antarktis
Naturschutzgebiet
Meeresschutz
Fangquoten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ostsee-Schweinswale vorm Aussterben: Fischer als Walkiller
Eine Liste der Bundesregierung belegt tausende Totfunde von Schweinswalen.
Durch die Fischerei ist der Wal in der Ostsee kurz vorm Aussterben.
Schweinswale in Nord- und Ostsee: Vom Aussterben bedroht
Die Schweinswale verschwinden. Die Gründe dafür sind Schadstoffbelastungen
der Meere, Unterwasserlärm und Ersticken oder Ertrinken in Stellnetzen.
Schutz der Schweinswale: Weg von Fischers Netzen
Neue Warngeräte sollen Schweinswale in Nord- und Ostsee vor dem Tod in
Fischernetzen bewahren. Umweltschützer befürchten Vertreibung der Wale aus
Schutzgebieten.
Fragwürdiges MSC-Siegel: Natürlich Krabben fangen
Umweltverbände kritisieren Vergabe des MSC-Siegels an Krabbenfischerei in
der Nordsee. Diese erfülle noch immer zu wenige Anforderungen, um
nachhaltig zu sein
Schutzzone in der Antarktis: Eine historische Einigung
Jahrelang haben Wissenschaftler darum gekämpft. Nun einigen sich
Regierungen auf eine Meeresschutzzone in der Antarktis. Allerdings mit
Schlupfloch.
Meeresschutzgebiet in Antarktis beantragt: Rückzugsort für Kälte-Liebhaber
Die EU hat einen von Deutschland ausgearbeiteten Antrag eingereicht, um das
Weddellmeer zu schützen. Es könnte das größte geschützte Gewässer der Welt
werden.
Artenschutz in Nord- und Ostsee: Das große Sterben im Meer
Ein Drittel aller Tierarten in Nord- und Ostsee ist vom Aussterben bedroht.
Gegenmaßnahmen will die Bundesregierung allerdings nicht ergreifen.
Öko-Wende in der Fischerei: Beifang kommt an Land
Küstenfischer dürfen Beifang nicht mehr ins Meer zurückwerfen, um die
tatsächlich gefangenen Fischmengen zu ermitteln.
Greenpeace-Gutachten: Illegale Fischereipraxis im Schutzgebiet
"Es ist verboten, Schweinswale zu vergrämen." Die vom Ministerium
vorgeschlage Fischereipraxis in Schutzgebieten verstößt laut Greenpeace
gegen EU-Recht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.